Kreis Euskirchen – Für viele Menschen sind sie momentan die Superhelden – und das ohne Cape oder Batmobil, sondern mit Ackerschlepper. Seit Mittwoch vor einer Woche sind die Landwirte pausenlos im Flut-Einsatz. In Metternich beispielsweise wurden in der Hochwassernacht Menschen mit Frontladern gerettet. Und nicht nur das: „Ich habe nachts um 11 Uhr einen Keller in Metternich leergepumpt, der war aber um 3 Uhr wieder voll“, berichtet Hans Schorn, Vorsitzender der Kreisbauernschaft.
Viele Landwirte selbst schwer betroffen
Dabei sind viele Landwirte selbst schwer betroffen. Sie haben Schäden an Haus, Hof und Maschinen. Gelagerte Ernteerzeugnisse, etwa die üppige Heuernte, sind oft vernichtet. Felder wurden überflutet. Alles, was die Wassermassen zu packen bekamen, strandete dort. „Wir haben Geröll auf den Feldern, Laternen und sogar Autos“, weiß Bernhard Rüb, Pressesprecher der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen.
Kreis Euskirchen: Anlaufstellen und Beratung
Hotlines des Kreises Euskirchen: Bürgerfragen, Helfer
Beratung bei seelischen Krisen in der Hochwasser-KatastropheViele Menschen haben in dieser Zeit sehr belastende Erfahrungen gemacht und teilweise traumatische Situationen erlebt. Das Gesundheitsamt des Kreises Euskirchen bietet unter folgender Telefonnummer entsprechende Hilfe an:
In Teilen des Kreises ist die Stromversorgung noch unterbrochen. Betroffen sind vor allem noch Bad Münstereifel und die Euskirchener Innenstadt.
Hotline der Bezirksregierung
Für Betroffene der Flutkatastrophe hat die Bezirksregierung Köln eine Hotline eingerichtet. Unter 0221/1472206.
Bargeld-Versorgung
Dokumente und EC-Karte von der Flut weggeschwemmt – was nun? Immer mehr Menschen im Kreis melden sich bei den Kreditinstituten, weil sie nicht wissen, wie sie an Bargeld kommen. Aber auch die Institute selbst sind in hohem Maße vom Hochwasser betroffen. Zahlreiche Geldautomaten funktionieren nicht, ganze Filialen sind aufgrund der Zerstörungen geschlossen. Was können die Betroffenen tun, um an Geld für das Lebensnotwendige zu kommen? Ein Überblick.
Die Kammer hat vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) Luftbilder erhalten. Darauf zu sehen ist der Wasserstand am Donnerstag, 15. Juli, mittags. „Das BBK kann anhand der Bilder sogar erkennen, wo es zerstörte Gebäude gibt“, erklärt Rüb. Nach ersten Sichtungen seien 75 bis 100 Höfe in Nordrhein-Westfalen gravierend betroffen gewesen. „Die meisten davon im Kreis Euskirchen“, präzisiert Rüb.
Doch wo genau, ist derzeit schwer herauszufinden. Wegen der gestörten Telekommunikation habe man „überwiegend noch nicht mit den Landwirten gesprochen“, ergänzt Rüb. Eine Kontaktaufnahme soll in dieser Woche erfolgen. „Viele Landwirte beseitigen derzeit ihr Chaos oder das von anderen.“
15.000 Hektar im Überschwemmungsgebiet
Die Landwirtschaftskammer rechnet damit, dass in NRW landwirtschaftliche Flächen in einer Größenordnung von etwa 15.000 Hektar im Überschwemmungsgebiet liegen. „Davon sind 2/3 Grünland und etwa 1/3 Ackerfläche“, listet Rüb auf. Das Getreide sei schon reif, die Ernte war wegen der Regenfälle unterbrochen. „Einige Felder standen so hoch unter Wasser, da guckten nur noch die Ähren raus“, sagt er. Er geht davon aus, dass die überfluteten Flächen verloren sind. Dabei müsste bald schon wieder mit der Saat begonnen werden, ab August etwa mit Raps. Die betroffenen Landwirte stellen sich jetzt zunächst die Frage, wann Geld vom NRW-Landwirtschaftsministerium fließen könnte. Hier sagt die Kammer nur: „Irgendwann gibt es Formulare und dann gibt es irgendwann Geld.“
Ob auch Tiere durch das Hochwasser gestorben sind, weiß Bernhard Rüb nicht. Er hat aber auch gehört, dass Bienenstöcke weggespült wurden. Durch den Stromausfall liefen die Melkmaschinen nicht, die Milch konnte wegen zerstörter Straßen ohnehin nicht abgeholt werden. Und Alexander Sauer, Lohnunternehmer aus Scheuren, weiß: „Die Pferdehöfe hat es getroffen, denn viele haben ihre Tiere auf kleinen Wiesen direkt an den Bächen.“
Was Rüb nicht überrascht, ist das Engagement der Bauern: „Das ist eine typische Reaktion der Landwirte, man kennt sich, ist gut vernetzt und technisch gut ausgestattet.“ Und egal, mit wem man spricht, kommt als Antwort: „Anderswo ist es noch schlimmer.“
Alle Landwirte in Mülheim-Wichterich betroffen
Im Gespräch mit Jochen Schmitz, Landwirt mit Sitz in der Burg Mülheim direkt am Rand von Bleibach und Rotbach, fällt genau dieser Satz auch. Er weiß: „Alle Landwirte in Mülheim-Wichterich sind betroffen.“ Dabei war der Doppelort einer von wenigen im Kreis, die eine Regenmenge von unter 100 Litern pro Quadratmeter verzeichneten, wie Wetterexperte Karl-Josef Linden dieser Zeitung in der vergangenen Woche mitgeteilt hatte. Deshalb will Schmitz auch differenzieren. „Wir hatten hier ein Jahrhundert-, vielleicht sogar ein Jahrtausendhochwasser. Aber die Landwirte im Bereich der Erft, der Ahr und auch im Swister Raum, die hatten eine echte Flutkatastrophe.“
Seine Felder hat es gar nicht so sehr getroffen. Die Getreideflächen liegen etwas höher, da könnte es nur sein, dass Mähdrescher sich in Wasserlöchern festfahren, die man dann wieder rausziehen muss. Die Zuckerrüben kämen mit dem Wasser sogar einigermaßen gut klar. „Die Zuckerrübe bekommt jetzt mehr Blatt als sie braucht, aber die Knolle kann auch wachsen“, erklärt er. Aber die Kartoffeln machen ihm Sorgen. „Das Hochwasser ist nicht förderlich, da ist die Situation alles andere als rosig“, meint er. Es überwiegen die materiellen Schäden. Die Werkstatt stand unter Wasser, die Hälfte der Wohnungen für Erntehelfer. Elektrische Geräte wurden zerstört oder beschädigt. Ein Auto sei beschädigt worden. „Auf dem Nachbarhof sind beide Autos Totalschaden“, berichtet.
Was Schmitz aufregt, ist die Suche nach Schuldigen. „Wir haben doch alle die Warnungen über diese Wassermassen erhalten, aber unterschätzt“, meint er. „Das, was da runtergekommen ist, hat alle Vorstellungen übertroffen.“
Thomas Gräf hat sich auf einem Feld nahe seines Heimatortes Elsig gleich dreimal mit dem Mähdrescher festgefahren, weil dort noch das Wasser steht. In Stotzheim darf er ein Feld nicht ernten, weil das Wasser durchs Getreide geflossen ist. Schließlich sei nicht bekannt, ob es zu Verunreinigungen gekommen sei, etwa durch Quecksilber oder Blei. Gräf rechnet mit Riesenverlusten, sagte aber auch: „Im Gegensatz zu den Verlusten, die andere haben, sind das Peanuts.“
Die Kreisbauernschaft ist momentan dabei, sich ein Bild von den zerstörten Flächen zu machen. Besonders Landwirte an Olef, Erft und Swist seien betroffen, meinte Hans Schorn. Bernhard Rüb ergänzt um die Höfe unterhalb von Bad Münstereifel. „Alle Landwirte haben Druck ohne Ende, weil die, die sonst helfen, selbst im Einsatz sind“, weiß Schorn. Die Felder seien schwer verwüstet. Bitumen sei angeschwemmt worden, aber auch Holzbalken, dicke Steine und Soloballen, die in den Auen und den Strömungsbereichen liegengeblieben seien. Dennoch seien die Landwirte unermüdlich im Hochwassereinsatz gewesen. „Alle haben sich irgendwie eingebracht“, sagt Schorn.
Und auch das führt zu Schäden, wie Alexander Sauer vom Lohnunternehmen Sauer aus Scheuren erzählt. „Wir haben selbst wenig Verluste. Aber wir haben Schleiden mit aufgeräumt.“ Mit der ganzen Familie habe er zehn Tage „wie verrückt“ gearbeitet. „Zig Reifensätze sind regelrecht Schrott“, sagt er.