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Corona bestimmt das SportgeschehenRückblick auf ein verkorkstes Jahr

Lesezeit 6 Minuten

Auf die coronabedingte Absage des Fußballs machte die TuS Mechernich die Fans aufmerksam.

Kreis Euskirchen – Nein, ein normales Sportjahr war es nicht. Vielmehr eins, dass in die Geschichte eingehen wird. Spätestens im Dezember 2020 steht fest: Es gibt eine Zeit vor und eine mit Corona. Vielleicht auch eine nach dem Coronavirus, doch davon ist man noch mehr als einen Doppelpass, einen erfolgreichen Schmetterball, einen versenkten Dreier oder eine persönliche Bestzeit entfernt. Der Inzidenzwert ist 2020 wichtiger als der Laktatwert.

Natürlich gibt es auch in diesem Jahr Titel, Tränen und Triumphe. Doch sie stehen im Schatten des Virus. Das hat den Sport und seine Akteure seit neun Monaten im Würgegriff. Der Blick in die Corona-Statistik ist ein Ersatz für die verschobenen Olympischen Spiele. Dabei muss man gar nicht bis nach Tokio auf die ganz große Bühne des Sports schauen, um zu verstehen, was das Virus im Schlepptau hat: Verunsicherung.

Verlierer

Obwohl der Sport im Allgemeinen ein Verlierer ist, ist er gleichzeitig ein Gewinner. Egal, ob Fußballer, Handballer, Läufer, Radfahrer, Kraft- oder Motorsportler – durch die Corona-Pandemie dürfte jedem bewusst geworden sein, welch Privileg es ist, Sport treiben zu können. Und wie wertvoll die Zeit ist, um nach dem Training oder dem Spiel mit den Mannschaftskollegen noch bei einem isotonischen Getränk zu quatschen.

Es muss nicht gleich Olympia in Tokio sein. Ein Blick nach Hennef reicht. Auch dort tun sich die Verantwortlichen schwer, wollen keine Entscheidung treffen, sind verunsichert. Der Präsident des Fußballverbands Mittelrhein (FVM), Bernd Neuendorf, und seine Mitstreiter spielen auf Zeit. Sowas kommt beim neutralen Besucher, aber auch bei den Aktiven selten gut an. Der FVM macht zu Beginn der Corona-Krise vieles falsch – weil er nichts macht. Während andere Verbände sich entscheiden, die Saison frühzeitig zu beenden, unterbricht der FVM die Spielzeit spät. Und verkündet, die Vereine entscheiden zu lassen, wie es weitergeht.

Spielzeit erst ab Herbst fortsetzen

Nicht aber ohne sich zu positionieren, sich für eine Fortsetzung der Saison auszusprechen – wann immer es auch weitergehen kann. Die Vereine sprechen sich ebenfalls für eine Fortsetzung aus, wenn auch denkbar knapp. 50,14 Prozent der Teilnehmer wollen die Spielzeit am liebsten fortsetzen – frühestens ab Herbst. Dieses Votum ist dem FVM nicht deutlich genug. Im Juni wird ein außerordentlicher Verbandstag einberufen, in dem – entgegen dem ursprünglichen Votums – für einen Abbruch der Saison gestimmt wird. Es gibt keine Absteiger, aber Aufsteiger. Die Satzung wird angepasst, um eine Hängepartie künftig zu vermeiden.

Doch es dauert keine sechs Monate, da spielt der Verband wieder auf Zeit: Zunächst wird möglichst lange gekickt, dann gehofft, dass trotz einmonatigem Shutdown doch noch mal in diesem Jahr gespielt wird – Mitte Dezember, ohne Vorbereitung.

Euskirchener TSC sind Verlierer des Jahres

Auch die Fußballer des Euskirchener TSC sind Verlierer des Jahres. Dabei können die Kicker womöglich gar nicht so viel dafür. Vielmehr ist es der Leiter der Fußball-Abteilung, der einen Alleingang wagt und die Landesliga-Mannschaft nach dem fünften Spieltag vom Spielbetrieb zurückzieht. Eine Erklärung für diesen Schritt? Gibt es bis heute nicht!

Ein neuer Platz sorgt für Freude in Roitzheim.

Dabei hatte der ETSC in der Vorsaison noch überrascht. Mit geringen finanziellen Mitteln hatte Coach Dario Paradiso den Klassenerhalt geschafft. Der Aderlass in der Sommerpause war aber so groß, dass schnell deutlich wurde, dass es mit dem Klassenerhalt in dieser Saison deutlich schwieriger werden würde. Der Rückzug der Mannschaft nach nur fünf Partien kommt aber überraschend.

Mögliche Zusammenarbeit mit FC Heval

Genauso überraschend sind die Gespräche, die der Verein im November mit den Verantwortlichen des FC Heval führt. Es geht um eine mögliche Zusammenarbeit mit dem A-Ligisten in der kommenden Saison – womöglich in der Bezirksliga.

Tristesse bei den Spielern des ETSC nach einer hohen Niederlage. Dann folgte die Abmeldung des Teams.

In China spricht man noch von einer mysteriösen Lungenkrankheit, da gibt es in Weilerswist den ersten Verlierer des Jahres: das Fair-Play, der Spaß am Spiel. Beim Erft-Swist-Cup in Weilerswist kommt es im Januar gleich zweimal zu handfesten Auseinandersetzungen – inklusive Polizeieinsatz. Fußball gerät zur Nebensache – statt Budenzauber gibt es in zwei Spielen Backenzauber. Die Verantwortlichen lassen sich davon nicht entmutigen, ziehen das Turnier durch.

Gewinner

Doch das Sportjahr 2020 war nicht komplett verkorkst. So schaffte Justus Lembach den Sprung in die Volleyball-Bundesliga. Der 19-Jährige Nettersheimer, der in den vergangenen drei Jahren im Frankfurter Sportinternat hart auf sein Ziel hin gearbeitet hat, spielt seit wenigen Monaten für die WWK Volleys Herrsching. Und trainiert weiter hart – bis zu dreimal täglich.

Auch Selma Trommer packte ihre Chance beim Schopf und strampelte sich die Seele aus dem Leib. Und die Eifelerin hatte Glück: Der befürchtete virtuelle Plattfuß blieb der Radsportlerin erspart. Vor dem großen Bildschirm hatte die 28-Jährige bei ihren virtuellen Rennen in den eigenen vier Wänden gute Beine – und eine stabile Internetverbindung. In der wegen der Corona-Pandemie kurzfristig gegründeten Rad-Bundesliga belegte Trommer den vierten Platz in einem bemerkenswerten Teilnehmerfeld. Insgesamt waren 79 Sportlerinnen am Start, darunter Profis.

Erste Aufstieg des SV Frauenberg

Der SV Frauenberg, der SSV Golbach, die SG Flamersheim/Kirchheim, die Sportfreunde DHO, der SC Roitzheim und der SV Rinnen feiern ihre Meisterschaft vor dem Computer-Bildschirm. Das Sportjahr 2020 ist eben verrückt. Die sechs Mannschaften verfolgen gebannt die Abstimmung beim außerordentlichen Verbandstag des FVM. Der findet, wie so vieles in den vergangenen Monaten, online statt. Da die Mitglieder für einen Abbruch der Saison votieren, ist klar: Die Aufsteiger standen im Sommer fest – obwohl seit März kein Spiel mehr ausgetragen worden ist.

Virtuell auf dem vierten Platz: Selma Trommer. Foto: Rocco Bartsch

Für den SV Frauenberg ist es der erste Aufstieg in die Bezirksliga in der Vereinsgeschichte. Und Spielertrainer Sebastian Kaiser gibt sich auch heute noch realistisch: „Ob wir es gepackt hätten, wenn die Saison zu Ende gespielt worden wäre? Ich weiß es nicht.“

Laufen boomt in Corona-Zeiten

Ein Gewinner ist die Leichtathletik – auch wenn kaum Wettkämpfe stattfanden. Da es aber zu jeder Zeit, in jeder Corona-Schutzverordnung erlaubt ist, Laufen zu gehen, boomt der Sport. Nicht nur in der Gruppe „Ich geh nur ein bisschen joggen, um fit zu bleiben“ purzeln die persönlichen Bestleistungen. Die Mechernicherin Sonja Vernikov wollte eigentlich am Marathon in New York teilnehmen. Da der ausfiel, verbesserte sie einfach ihre Zeit über die Zehn-Kilometer-Distanz auf unter 36 Minuten.

Seit Anfang März hat aufgrund der Corona-Pandemie im Kreisgebiet kein Basketball mehr stattgefunden.

Die Handballer des TV Palmersheim feiern im Jahr des 100-jährigen Vereinsbestehens den Aufstieg in die Verbandsliga. Und besiegen Anfang des Jahres in einer ausverkauften Peter-Weber-Halle die HSG Euskirchen im Derby – vor vollen Rängen. Heute fast schon undenkbar.

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Zwei Monate später ist die Saison abgebrochen worden, der TVP aufgestiegen. Deutlich früher als beim Fußball unterbricht der Verband die neue Saison erneut. Zuvor waren vereinzelt Spiele aufgrund von Quarantäne und Erkrankungen verschoben worden, einen Spielrhythmus gibt es nicht. Wann es weitergeht, steht in den Sternen. Dennoch dürfte schon jetzt feststehen, dass der TVP auch in der kommenden Saison in der Verbandsliga spielen wird.