Kall – Nach der hohen Politik machte sich nun auch die Geistlichkeit auf den Weg in die Katastrophengebiete an Urft und Olef. Nachdem am Montag Armin Laschet und am Dienstag Olaf Scholz sich ein Bild von der Lage in Schleiden und Gemünd gemacht hatten, war es nun an Aachens Bischof Dr. Helmut Dieser, in die vom Hochwasser getroffene Region zu kommen. Ohne großes Aufsehen besuchte er die Pfarrhäuser in Schleiden und Kall. Ein Krankenhausaufenthalt hatte ihn vorher von der Bereisung abgehalten.
Dabei war der Besuch bei dem Kaller Pfarrer Hans-Joachim Hellwig nicht von Gemütlichkeit geprägt. „Pfarrer Hellwig ist von unseren Geistlichen am schlimmsten persönlich getroffen“, sagte Dieser. Das Pfarrhaus hatte unter Wasser gestanden und musste ausgeräumt werden. In den Räumen, von denen aus Hellwig bisher die Pfarre leitete, laufen nun die Bautrockner. So nahm Hellwig, begleitet von einigen Gemeindeangehörigen wie Caritas-Eifel-Geschäftsführer Rolf Schneider und CDU-Kreistagsfraktionschefin Ute Stolz, den Bischof mit auf einen Rundgang durch die vom Hochwasser zerstörte Bahnhofstraße.
„Es war eine lange, harte Nacht"
Sichtlich betroffen ließ sich Dieser von Hildegard und Klaus Griwenka berichten, wie sie die Flutnacht im Speicher ihres Fachwerkhauses verbracht haben. „Wir dachten, wir kommen nicht mehr hier raus, um uns herum war nur noch Meer“, sagte sie. Hilferufe seien zu hören gewesen, doch sie hätten nicht herausgekonnt. Genauso sei ihr klar geworden, dass niemand zu ihnen in den Speicher hätte kommen können, um zu helfen, wenn es noch schlimmer geworden wäre. „Es war eine lange, harte Nacht mit meiner Mutter, meiner Frau und meinen Schwestern“, sagte Klaus Griwenka. Und: „Man kann froh sein, dass es hier nicht noch mehr Tote gegeben hat.“ Ein halbes Jahr mindestens werde der Wiederaufbau des Fachwerkhauses dauern, in dem bereits seine Großeltern gelebt haben.
Die Probleme der Caritas, unter anderem durch die überflutete Dienststelle in Kall, schilderte Schneider. Dort habe auch die Schuldnerberatung ihren Sitz gehabt. Ihre Akten seien komplett vernichtet worden: „Die müssen nun alle bei Gläubigern und Banken rekonstruiert werden.“ Auch die Pflegestation sei mit sämtlichen Akten betroffen.
Sie hoffen auf Wiedereröffnungen
Die Zukunft von Kall kam ebenfalls zur Sprache. „Wenn hier keiner mehr aufmacht, dann wird das zur Geisterstadt“, äußerte beispielsweise Ute Stolz ihre Sorge.
Der Rewe-Supermarkt mache wieder auf, hieß es. Auch Danilo de Cesare, Besitzer der traditionsreichen Eisdiele am Kreisverkehr, kündigte an, dass er weitermachen werde: „In geringerem Maße, nur noch Eis zum Mitnehmen.“ Die Maschinen seien noch von seinem Vater und würden nun nach Italien transportiert, um dort eventuell repariert zu werden. „Behalten Sie Ihren Mut“, verabschiedete sich der Bischof von dem Eismann.
Wegen einer schon länger geplanten Operation sei er in der Klinik in Aachen gewesen, berichtete der Bischof. Bei dem Besuch in Kall wirkte er noch angegriffen, aber auch berührt von den Eindrücken, die er auf seinem Rundgang gewonnen hatte. „Es bedrückt mich sehr“, sagte er. Wie sei es möglich, die Kraft für den Wiederaufbau zu bekommen? „Die Leute brauchen einen langen Atem“ – das sei klar. Wenn es irgendwann still werde, kämen die Gedanken. „Dann sind wir gefragt“, so der Bischof. Es sei – etwa bei dem Auseinanderfallen von Versicherten und Nichtversicherten – die Rolle der Kirche, die Menschen zusammenzubringen. „Reden ist wichtig“, fügte er hinzu. Seelsorge und Caritas müssten gemeinsam daran arbeiten.