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Historische BilderDie Geschichte des Dorftheaters in Rinnen beginnt zu Kaisers Geburtstag

Lesezeit 4 Minuten
Zwei Männer, Andreas Bellgardt (links) und René Koder, sitzen an einem Tisch und betrachten historische Schwarz-Weiß-Fotos.

Auf Spurensuche im Vereins- und Fotoarchiv begaben sich Vorsitzender Andreas Bellgardt (l.) und Geschäftsführer René Koder, hier mit einem Foto der Gründer von 1920.

Eine Reise in die Geschichte des Dorftheaters ermöglicht der Theaterverein „Einigkeit“ Rinnen, der nun sein 100+3-jähriges Bestehen feiert.

Seit 1920 wird in dem 350-Seelen-Ort Rinnen Theater gespielt. Gefeiert wird am Samstag, 23. September, ab 19 Uhr im Bürgerhaus jedoch erst das 100-Jährige. Und das auch noch mit drei Jahren Verspätung. Letzteres kann Andreas Bellgardt, Vorsitzender des Theatervereins Einigkeit, recht einfach erklären: Corona und Flut sind schuld.

Die genaue Rekonstruktion der Anfänge ist für Bellgardt und Geschäftsführer René Koder ungleich schwerer. Viele Unterlagen wurden im Zweiten Weltkrieg vernichtet.

Die Idee entstand 1906 auf dem Heimweg von Sistig

Dennoch ist der Verein im Besitz einiger Fotos aus der Gründerzeit. Das älteste stammt aus dem Jahr 1906. Es zeigt eine Gruppe fröhlicher Menschen, die in der damaligen Sistiger Gaststätte Pütz des Kaisers Geburtstag feiern. Mit dabei auch Maria Pütz, Josef Hack und Johann Pütz. Nachts auf dem Fußweg heim nach Rinnen beschlossen die drei, einen Körperertüchtigungsverein zu gründen. Oder besser noch einen Theaterverein.

Der Verein in Rinnen wurde 1920 gegründet

Doch Jahre vergingen, schließlich kam der Krieg. Die Idee blieb. Zwei Jahre nach Kriegsende kam es mit den Fußballern des Dorfes zu der Gründung des Vereins „Einigkeit“ – für Körperertüchtigung und Theaterspiel. Gründungsort war das Gasthaus Winter, das über einen für Aufführungen tauglichen Saal verfügte. Gründungsväter waren unter anderem Heinrich May („May Hein“), Peter Mäder, Wilhelm Sons, Heinrich Winter, Josef Becker („Beckisch Joan“), Hermann Fink, Bernhard Sauerbier, Josef Pütz („Ohm Jupp“), Paul, Stefan und Gastwirt Johann Winter, Johann Bouhs und Josef Pütz („Trenge Jupp“).

Getreu dem Motto „Ohne Fahne kein Verein“ wurde schon bei der Gründung die Vereinsfahne mit der Aufschrift „Durch Kampf zum Sieg“ präsentiert.

Die Einigkeit mit den Fußballern ging schnell zu Ende

Sechs Jahre später war es dann aber mit der Einigkeit von Fußballern und Schauspielern vorbei. Die Fußballer gründeten einen eigenen Verein, den heutigen Sportverein Rinnen 1926.

1937 begeisterte der damalige Magister (Lehrer) Karl Schulz Kinder zum Theaterspiel, die vor Weihnachten erstmals ein Weihnachtsstück auf die Bühne brachten. Bis 1938 standen ausschließlich Dramen und Heimatstücke auf dem Spielplan. Von 1939 bis 1945 ruhte die Vereinsarbeit. Der Krieg riss große Lücken in die Reihen der Theaterfreunde.

1947 wurde das Theaterspiel auf Initiative von Josef Sons wieder aufgenommen. Erste Aufführung war 1948 das Schmuggler-Stück „Abseits der Straße“, das sogar im einstigen Schmuggler-Ort Konzen aufgeführt wurde. Dort gibt es heute noch den Wanderweg Schmuggel-Päddche. Die Kulissen, so Bellgardt, wurden damals mit dem Traktor nach Konzen geschafft – das war fast eine Tagesreise.

Rinnen: Die Frauen durften auf die Bühne, aber nicht in den Verein

Auch wenn schon damals Frauen im Theaterverein mitspielen durften, der Beitritt als offizielle Mitglieder blieb ihnen lange verwehrt. So auch noch bei der Aufführung des „Freischütz“ in den 1950er-Jahren, als die Frauen einen großen Teil des Ensembles stellten. Die revolutionäre Veränderung gab es erst im Jahr 1961: Frauen durften dem Verein beitreten.

Auch abseits der Bühne engagierten sich die Schauspieler. Beim Bau des Kriegerdenkmals in den 1950er-Jahren halfen sie mit Geld und Arbeitskraft, auch das Theaterkreuz am Steinbruch-Wanderweg in Rinnen wurde finanziert. 1959 wurde das erste Sparbuch mit 500 D-Mark angelegt. Um im Ort die gewünschte finanzielle Unterstützung leisten zu können, wurden oft zwei Stücke pro Jahr einstudiert.

Eine feste Heimat haben die Rinner seit 1985 im Bürgerhaus

Die Aufführungen fanden später im Saal Weiß, danach bis 1982 im Saal Mäder statt. Als auch dieser schloss, wich man zunächst ins Bürgerhaus nach Sötenich aus. Eine feste Heimat im eigenen Dorf haben die Schauspieler seit dessen Fertigstellung 1985 im Bürgerhaus in Rinnen.

Das Haus bewirtschaftet der Verein heute in Eigenregie, zudem hegt und pflegt er den benachbarten, von der Gemeinde Kall angelegten Spielplatz. Ein Schmuckstück und gleichzeitig Asservatenkammer des Vereins ist die kleine Theaterkneipe neben dem Bürgerhaus, die in einem ausgedienten Schulcontainer eingerichtet ist. In dem urigen Raum sind abenteuerliche und alte Einrichtungsgegenstände aufbewahrt, die bei den Aufführungen zum Einsatz kommen.

Urgestein Elisabeth Servaty steht seit 62 Jahren auf der Bühne

Seit Anfang der 1990-er Jahre gehen die Rinner Theaterspieler mit ihren Stücken jedes Jahr auf Tournee durch den Kreis Euskirchen. Sogar in Hagen-Haspe hat der Verein mehr als 20 Jahre lang einen festen Termin im Kalender des dortigen Kirmesvereins „Hackebämmels Enkel“ gehabt. In Ermangelung eines Saales können diese Gastspiele in Haspe jedoch nicht mehr stattfinden.

Derzeit hat der Verein weit über 100 Mitglieder. 15 Frauen und Männer stehen regelmäßig aktiv auf der Bühne. Dem Nachwuchs gehören zehn Kinder an, die neben Krippenspielen auch größere Stücke wie „Der Rattenfänger von Hameln“, „Alibaba und die 40 Räuber“ oder „Das Dschungelbuch“ auf die Bühne gebracht haben. Ein echtes Urgestein im Verein ist Elisabeth Servaty, die seit nunmehr 62 Jahren in Rinnen auf der Bühne steht.