In einer Studie des Bistums Aachen zur sexualisierten Gewalt erscheint ein früherer Pfarrer aus Kall-Sistig. Der Kaller Gemeinderat reagiert.
Mutmaßlicher TäterPfarrer-Berens-Straße in Sistig soll umbenannt werden – Missbrauchsvorwurf
Es ist ein Spagat zwischen den Verdiensten eines Geistlichen und einem Verdacht, der gegen ihn besteht: Seit einem Jahr wird in der Kaller Politik über die Pfarrer-Berens-Straße in Sistig diskutiert. Der 1973 gestorbene Geistliche ist im Ort hoch angesehen, wird aber in der vom Bistum Aachen vorgelegten Studie zur sexualisierten Gewalt durch Priester und anderer kirchlicher Beschäftigter als mutmaßlicher Täter genannt. Der Gemeinderat wird, wie schon im Vorfeld abzusehen ist, am Donnerstag der Umbenennung, die auch vom Bistum unterstützt wird, zustimmen.
Bistum Aachen veröffentlichte Namen von 53 nachgewiesen oder mutmaßlichen Tätern
Das Bistum Aachen hatte im Zuge der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt die Namen von 53 nachgewiesen oder mutmaßlichen Tätern veröffentlicht. Darin ist Pfarrer Johannes Berens als „mutmaßlichen Täter“ aufgeführt. Laut Gemeindeverwaltung ist dem Bistum zu dem Geistlichen eine Beschuldigung wegen fortgesetzter sexualisierter Gewalt gegen Minderjährige/Schutzbefohlene bekannt.
Der Tatvorwurf beziehe sich auf die 1950er-Jahre, als Berens Pfarrer von St. Stefan in Sistig war. Personen wie Berens werden laut Verwaltung als mutmaßliche Täter bezeichnet, wenn es mindestens einen positiv beschiedenen Antrag auf Anerkennung des Leids von der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) auf Bundesebene gibt.
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Mehrere Beratungen und zahlreiche Gespräche zum Thema in Kall
In Kall war über das Thema bereits in zwei Ratssitzungen Ende 2023 diskutiert worden. Außerdem gab es Beratungen des Kirchenvorstands und des Pfarreirats sowie Gespräche zwischen Bürgermeister Hermann-Josef Esser, Ortsvorsteher Karl Vermöhlen und Wieslaw Kaczor, Regionalvikar und Pfarrer von Steinfeld. Zuletzt war auch die Frauenseelsorgerin des Bistums, Ida Prinz-Hochgürtel, zu den Gesprächen hinzugezogen worden.
Berens ist nach Angaben von Kaczor von 1918 bis 1962 in Sistig als Pfarrer tätig gewesen. 1962 sei er in ein Altenheim nach Blankenheim gezogen und nach seinem Tod 1973 in Sistig beerdigt worden. Der Regionalvikar hatte das Vorgehen des Bistums kritisiert. Es habe dazu geführt, dass Täter und Verdachtsfälle in einen Topf geworfen würden. Der Pfarrer habe vielen Menschen geholfen und im Zweiten Weltkrieg große Verdienste erworben.
Prinz-Hochgürtel sprach sich für eine Umbenennung der Straße aus. Die Glaubwürdigkeit und das Leid der Betroffenen stehe im Vordergrund. Das Verhalten des ehemaligen Pfarrers sei deutlich zu benennen und sichtbar zu machen. Kirche und Gesellschaft müssten Verantwortung übernehmen. Auch die Leiterin der in der Straße angesiedelten Grundschule, Heike Alfeis, sieht nach Angaben der Verwaltung Handlungsbedarf.
Generalvikar Dr. Andreas Frick hatte Ende Oktober in einem Schreiben an die Bistumskommunen signalisiert, dass Straßenumbenennungen seitens des Bistums unterstützt werden.
Wahlgrabstätte des Pfarrers in Sistig soll erhalten bleiben
Ortsvorsteher Karl Vermöhlen hat in Abstimmung mit dem Kirchenvorstand und Pfarreirat St. Stephanus Sistig im Falle einer Umbenennung die Bezeichnung „Arnikaweg“ vorgeschlagen. „Dort ist ja auch die Arnikaheide“, sagte Vermöhlen, der auch stellvertretender Vorsitzender der SPD-Ratsfraktion ist. „Natürlich hat der Pfarrer große Verdienste, aber im Lichte der neuen Erkenntnisse würde man heute keine Straße mehr nach ihm benennen“, meinte Vermöhlen. Er sei mit dieser Lösung im Reinen. Überall im Bistum würden in diesen Fällen Namen geändert.
Die Gemeinde werde aber einen Erinnerungsort an den Pfarrer haben, denn Kirchenvorstand wolle nach Einholung eines entsprechenden Beschlusses die Zeit für die Wahlgrabstätte von Berens verlängern lassen. Die Grabstätte des Pfarrers auf dem Sistiger Friedhof wird von der Matthias-Bruderschaft gepflegt.
„Der Pfarrer ist zwar nur ein Verdachtsfall, aber wir werden der Umbenennung zustimmen“, sagte der Fraktionschef der CDU, Bert Spilles. Wichtig sei, dass die sechs Anwohner nichts bezahlen müssten. Die Kosten, die ihnen und der Grundschule durch die Änderung der Anschriften entstehen, sollen von der Gemeinde übernommen werden.
Dr. Manfred Wolter (FDP) ist froh, dass es einen Vorschlag zur Umbenennung gibt: „Der neue Name hat ja auch Bezug zu der Umgebung.“ Ulrich Meisen (Grüne) will ebenfalls für den Arnikaweg stimmen: „Es ist wieder ein gutes Beispiel dafür, dass man Straßen nicht nach Persönlichkeiten benennen sollte.