Kreis Euskirchen – Die Fotos und Nachrichten der Hochwasserkatastrophe vom 14./15. Juli 2021 gingen um die Welt – und erreichten auch Elon Musk, den Eigentümer der US-amerikanischen Firma SpaceX. Als er von deutschen Mitarbeitern erfuhr, dass der großflächige Ausfall der Telekommunikation den Rettungskräften erhebliche Probleme bereitete, schickte er in einer Nacht- und Nebel-Aktion leihweise 50 Empfangsanlagen für seinen Satelliten-Internetdienst Starlink in die Katastrophenregion.
Die Verteilung erfolgte über die Berufsfeuerwehr Aachen und den Fernmeldedienst der Feuerwehr Köln.
Telekommunikaktionsnetze fielen aus
Das Gros der Anlagen, bei denen es sich um eine Beta-Version handelt, also eine getestete Version, die aber käuflich noch nicht zu erwerben ist, ging ins Ahrtal. 19 der kleinen Satellitenschüsseln gingen in den Kreis Euskirchen und leisteten hier wenige Tage nach der Katastrophe wertvolle Dienste. „Das hat unsere Arbeit vereinfacht“, sagte Landrat Markus Ramers.
Denn auch die Rettungsleitstelle und die Technischen Einsatzleitungen der Feuerwehren in den Kommunen hatten leidvoll erfahren müssen, wie katastrophal sich der Ausfall der Telekommunikation auswirkt. Zumal auch der Digitalfunk und der Mobilfunk in der Region wenige Stunden nach Beginn der Überschwemmungen ausfielen.
Satelliten übertragen Daten aus niedrigem Orbit
Hier bietet das Starlink-System eine Lösung. Aus Sicht des Kreises sogar eine hervorragende, wie eine Testphase ergab. Da sich die rund 2000 Satelliten von SpaceX in einem niedrigen Orbit (in etwa 550 Kilometern Höhe) befinden, so Martin Fehrmann, Leiter der Abteilung Gefahrenabwehr in der Kreisverwaltung, kann Sprech- und Datenverkehr im Gegensatz zu geostationärer Satellitenkommunikation (in etwa 36.000 Kilometern Höhe), wie sie etwa die Bundeswehr nutzt, verzögerungsfrei durchgeführt werden.
Und auch die Übertragungsraten können sich sehen lassen. Mit 300 Mbit/s im Download und 60 Mbit/s im Upload ist man richtig flott im Netz unterwegs. So flott, dass die Disponenten in der Leitstelle während der Testphasen gar nicht merkten, dass sie über das Starlink-System kommunizierten. Selbst bei dichter Bewölkung und starkem Regen, so der IT-Experte Yannick Haas, habe sich die Leistung im Gegensatz zu der geostationärer Satellitensysteme kaum reduziert.
Anlagen lassen sich unkompliziert aufbauen
Den größten Vorteil skizzierte Markus Neuburg, der Leiter der Rettungsleitstelle. Das Starlink-System sei äußerst unkompliziert und sehr einfach an einem Ort aufzubauen. Eine Klappleiter, an die man mit Kabelbindern die Satellitenschüssel montiert habe, habe schon ausgereicht, um den Router mit Starlink zu verbinden.
Auch sei die Anlage so klein, dass man gleich fünf davon in ein Auto habe packen können, um sie zu den Koordinierungsstellen der Feuerwehren in den Kommunen zu bringen. Doch nicht nur für die Leitstelle oder die Koordinierungsstellen der elf Feuerwehren im Kreis mit den Technischen Einsatzleitungen ist das System als Notfallebene interessant.
Nach der Flut dauerte es in einigen Bereichen sehr lange, die vielen Vermisstenmeldungen zu überprüfen. Das lag nicht nur daran, dass die Flut so viele Todesopfer gefordert hat.
Probealarm fällt aus
Wie Landrat Markus Ramers auf Anfrage der Redaktion bestätigte, hat das Land den für den 10. März angesetzten, landesweiten Sirenen-Warntag (jedes Jahr am zweiten Donnerstag im März) abgesagt. Ramers informierte darüber auch die Bürgermeister im Kreis.
Im Hinblick auf den Kriegsausbruch in der Ukraine wolle das Innenministerium die Bevölkerung nicht mit dem Sirenen-Probealarm verunsichern oder gar Fehlinterpretationen hervorrufen. (ch)
Da die Menschen in den Flutgebieten nicht mit ihren Angehörigen und Freunden kommunizieren konnten, war oft unklar, was mit ihnen geschehen war. So wurde etwa der Billiger Berg nach der Flut zum Anlaufpunkt vieler Bürger, weil sie hofften, von der höher gelegenen Stelle aus Handyempfang zu bekommen.
Mobiler Hotspot halft bei Suche nach Vermissten
In Arloff-Kirspenich, so Yannick Haas, habe man mit der Starlink-Anlage – ähnlich wie im Ahrtal – an einer zentralen Anlaufstelle einen öffentlichen Hotspot eingerichtet. Dort konnten die Menschen mit ihren Handys ein freies W-Lan nutzen. Auf diese Weise habe man die Zahl der tatsächlich Vermissten binnen weniger Stunden reduzieren können.
Starlink für Ukraine freigeschaltet
Mit seinem Satelliten-Internetdienst Starlink versorgt der US-Unternehmer Elon Musk auch die von Russland angegriffene Ukraine. Der ukrainische Minister für Digitales, Mychajlo Fedorow, hatte Musk gebeten, die Ukraine angesichts des russischen Einmarschs mit Satelliteninternet zu versorgen. „Während Sie versuchen, Mars zu kolonisieren, versucht Russland die Ukraine zu besetzen“, twitterte Fedorow an Musk. Der reagierte prompt und ließ den Starlink-Dienst für die Ukraine aktiv schalten.
Damit die Technik, die sich auf rund 2000 Satelliten der Musk-Firma SpaceX stützt, in der Ukraine auch tatsächlich bei einem Ausfall der herkömmlichen Telekommunikationsnetze genutzt werden kann, schickte Musk auch eine Ladung der dazu nötigen Empfangsanlagen in die Ukraine. (dpa)
Durch die nach der Flutkatastrophe geknüpften Beziehungen zu SpaceX kann der Kreis nun die Beta-Technik auch den Kommunen und den Hilfsorganisationen anbieten. Die können die Anlagen direkt bei SpaceX kaufen und mit der Firma Nutzungsverträge schließen. Über die anfallenden Kosten, so sagte Martin Fehrmann, sei mit der Firma Stillschweigen vereinbart worden: „Das hat sich das Unternehmen ausbedungen.“
Stadt Euskirchen hat bestellt
Bevölkerungs- und Katastrophenschutz gebe es nicht ohne Kosten, sagte Alfred Jaax, Erster Beigeordneter der Stadt Euskirchen, und verwies auf die Kosten von Feuerwehrfahrzeugen. Die Kreisstadt ist die erste Kommune im Kreis, die jetzt zu Testzwecken eine Starlink-Anlage beschafft hat. Jaax: „Da ist drüber zu kommen.“ Der Kreis hofft, dass nun andere Kommunen diesem Beispiel folgen werden.