Wolfgang Schneider, Geschäftsführer des Euskirchener Marien-Hospitals, erklärt, worauf sich die Patienten künftig einstellen müssen.
Krankenhausplanung NRWZu diesen Einschnitten kommt es im Marien-Hospital Euskirchen
„Im Grundsatz Zustimmung, aber ...“ – So könnte man die Einschätzung von Marien-Hospital-Geschäftsführer Wolfgang Schneider zur NRW-Krankenhausplanung beschreiben. Dass eine Reform kommen muss, ist für ihn unstrittig. Auch findet er zahlreiche Elemente der Planung sinnvoll. Doch anderes stößt bei ihm auf blankes Unverständnis.
Auch im Marien-Hospital führen die Zuteilungen der Leistungsgruppen zu Veränderungen: Das allermeiste bleibt, einige Behandlungen werden künftig nicht mehr angeboten. In Euskirchen hat man also ein paar bittere Pillen zu schlucken. Will das Marien-Hospital gegen diese Entscheidungen des Ministeriums vorgehen? Schneider, der seit dem 1. Juni 2024 im Amt ist und gemeinsam mit Dr. Maren Thäter eine Doppelspitze in der Geschäftsführung bildet, winkt ab: „Nein, wir klagen nicht.“
Diese Veränderungen stehen im Marien-Hospital Euskirchen an
Knie und Hüfte Einschnitte hat das Marien-Hospital in der Endoprothetik zu verkraften. Ab dem 1. April werden keine Revisionen, also Erneuerungen von künstlichen Gelenken, mehr durchgeführt. Und ab dem kommenden Jahr werden keine künstlichen Knie- und Hüftgelenke mehr eingesetzt. Zumindest dann nicht, wenn es sich um planbare, sogenannte elektive Eingriffe handelt, von denen bislang jeweils 60 bis 70 pro Jahr an Knien und Hüften durchgeführt wurden. Anders sieht es laut Schneider bei der Notfallversorgung aus, beispielsweise nach einem Oberschenkelhalsbruch: Ist dieser endoprothetisch zu behandeln, wird diese Operation weiterhin in Euskirchen durchgeführt.
Brustzentrum Bei der Senologie steht in der Post vom Ministerium ebenfalls eine Null. Jedoch ist das kein wirklicher Einschnitt im Behandlungsspektrum, da das Brustzentrum aufgrund des Weggangs der Leiterin seit Juli 2023 nicht mehr in Euskirchen ist.
Und es ist nicht ausgemacht, dass das Krankenhaus für ewig und alle Zeiten diese Behandlungen nicht mehr anbietet. Beim Anhörungstermin im vergangenen Juni in Düsseldorf sei, so Schneider, vonseiten des Ministeriums Gesprächsbereitschaft signalisiert worden, „wenn die fachlichen Voraussetzungen wieder erfüllt werden“.
Mammobil: Brustkrebs-Früherkennung bleibt in Euskirchen
In der Hauptsache würde dies die Einstellung von mindestens zwei entsprechend qualifizierten Ärzten bedeuten. Das nötige Umfeld, etwa für die Nachbehandlungen, wäre zu reaktivieren, da vieles, unter anderem die Onkologie, in Haus vorhanden ist. Eine Entscheidung, ob und wenn ja in welchem Zeitfenster man dieses Thema angehe, steht laut Schneider noch nicht fest. Das Brustzentrum ist zudem vollkommen unabhängig vom Mammobil. Der Truck mit der mobilen Screeningeinheit zur Brustkrebs-Früherkennung ist weiterhin am Marien-Hospital stationiert.
Stroke Unit und Halsschlagader Die Stroke Unit, in der Patienten nach einem Schlaganfall behandelt werden, ist eine wesentliche Abteilung des Marien-Hospitals und die einzige derartige Einrichtung im Kreis. Sie besteht unverändert fort.
Jedoch werden in Euskirchen ab dem kommenden Jahr keine Eingriffe mehr an der Carotis, der Halsschlagader, durchgeführt. Diese Behandlungen werden weiterhin im Kreiskrankenhaus in Mechernich angeboten.
Kein Verständnis für Wegfall von Eingriffen an der Halsschlagader
Wie Schneider erläutert, kann etwa die Entfernung einer Verkalkung planbar durchgeführt werden, um einem Schlaganfall vorzubeugen – oder akut nach einem Schlaganfall, um einem weiteren vorzubeugen. Ein klassischer Notfall sei dies zwar nicht, wohl aber ein dringlicher Fall. Und deutlich schonender für Patienten sei es, wenn sie nicht verlegt werden müssen. Wenig logisch erscheint es da, dass diese Eingriffe nicht in Euskirchen durchgeführt werden sollen. Und noch unlogischer, wenn das Ministerium laut Schneider vorgibt, dass Stroke Units und Carotis-Eingriffe „zusammen gedacht“ werden sollen.
Eine Erklärung, warum diese Leistungsgruppe dem Marien-Hospital nicht zugesprochen wurde, hat Schneider nicht. „Wir haben unser Unverständnis gegenüber dem Ministerium geäußert. Aber das Ministerium beharrt darauf. Das ist für uns schlecht – auch, weil man es nicht versteht.“
Auch Bauchaortenaneurysmata werden nun nicht mehr in Euskirchen behandelt. Dies hat jedoch nichts mit der Krankenhausplanung zu tun: In diesem Bereich hat das Marien-Hospital laut Schneider die erforderlichen Fallzahlen zuletzt nicht erreicht.
Keine Änderungen bei der Notfallversorgung im Marien-Hospital
Die Notfallversorgung Die Notfallversorgung bleibt durch die Krankenhausplanung im Prinzip unberührt. Doch es ist eines der ganz großen Themen im Bereich der medizinischen Versorgung im Kreis Euskirchen und treibt entsprechend auch Marien-Hospital-Geschäftsführer Wolfgang Schneider um.
Die Hochrechnung für das vergangene Jahr ergibt rund 41.000 ambulante Behandlungsfälle in der Zentralen Notaufnahme des Marien-Hospitals. Ob und wie sich die Schließung der Notaufnahme in Schleiden Anfang September bereits ausgewirkt hat, lässt sich noch nicht sagen: Da die Patientenzahlen in den Notaufnahmen immer Schwankungen unterliegen, ist der Zeitraum noch zu kurz für eine Bewertung. Doch grundsätzlich registriert man auch in Euskirchen steigende Zahlen in der Notaufnahme. Zum Vergleich: 2019 wurden 39.000 ambulante Behandlungen gezählt.
Euskirchener Notaufnahme soll rund um die Uhr aufnahmebereit sein
„An vielen Tagen ist großer Druck im System“, sagt Schneider. Das Ziel ist, die Notaufnahme so selten wie irgendwie möglich abmelden zu müssen. Dies kann der Fall sein, wenn alle Kapazitäten ausgeschöpft sind, etwa keine Intensivbetten mehr zur Verfügung stehen oder die Stroke Unit komplett belegt ist. Dies geschieht ohnehin selten, zuletzt an ein, zwei Tagen im November. Schneiders Ziel ist aber, dass aus selten nie wird: „Wir wollen 24/7 aufnahmebereit sein.“
Doch die Notfallversorgung ist komplex. Der Rettungsdienst gehört genauso dazu wie auch die niedergelassenen Ärzte. Und bei allen herrscht der von Schneider beschriebene Druck im System. Ein „superguter hausärztlicher Notfalldienst“ könnte zwar eine Lösung sein. Doch Schneider schränkt sofort ein: „Das ist gar nicht leistbar.“
Um lange Wartezeiten werden Notfallpatienten mitunter nicht herumkommen
Er und seine Kollegen in den Kliniken haben damit zu kämpfen, dass die Vergütung für die Notfallversorgung alles andere als kostendeckend ist. Die müsse dringend verbessert werden – nur dann sei es auch möglich, verbesserte Strukturen zu schaffen. Auch für Schneider ist es wichtig, gemeinsam mit den niedergelassenen Ärzten einen Weg zu finden, vielleicht in Form einer in die Zentrale Notaufnahme integrierten Praxis.
Zum „Notfallversorgungs-Gipfel“ haben sich Kreis, Krankenhäuser, Kassenärztliche Vereinigung und Rettungsdienst im Sommer bereits einmal getroffen. Diese Runde soll fortgesetzt werden, um praktikable Lösungen zu finden – wesentliche Verbesserungen oder ein Ausbau sind kaum zu erwarten. Von einer „Stabilisierung der Versorgung“ hat Landrat Markus Ramers daher jüngst gesprochen.
Volles Verständnis hat auch Schneider für den Frust der Patienten, wenn sie mit einer weniger schweren Erkrankung oder Verletzung stundenlang warten müssen, bis sie in der Notaufnahme behandelt werden, weil dort kontinuierlich nach der Schwere der Fälle priorisiert werden muss. Hoffnung auf schnelle Lösungen hegt er indes nicht: „Ich glaube eher, dass das Problem sich verschärfen wird.“
Unterfinanzierung trifft auch Marien-Hospital Euskirchen
Die Probleme und Themen sind in den Kliniken landauf, landab dieselben: Die Krankenhäuser sind chronisch unterfinanziert, die Kosten nicht zu refinanzieren, Millionen-Defizite die Folge. Genaue Zahlen nennt das Marien-Hospital dazu noch nicht, da diese bisher nicht veröffentlicht worden sind.
Die „Lauterbach-Reform“ ist zwar von Bundestag und Bundesrat beschlossen, wird jedoch kaum vor 2027 in der Praxis ankommen. Und ob sich dann für die Kliniken handfeste Vorteile ergeben, ist ungewiss. So wisse laut Schneider noch niemand, wie etwa die Vorhaltevergütungen gestaltet werden. Er befürchtet, dass es für viele kleine und mittlere Krankenhäuser – die beiden im Kreis zählen zu den mittleren – schwierig werden könnte, die Strukturvoraussetzungen zu erfüllen.
Die stationären Behandlungen sind auch im Marien-Hospital noch nicht wieder auf Vor-Corona-Niveau. 2019 lag die Zahl nach Angaben der Klinik im somatischen (körperlichen) Bereich bei rund 15.000, 2024 bei rund 13.000. Auf diesen Bereich ist die Krankenhausreform ausgelegt.
Weiterer Schwerpunkt: Psychiatrie und Psychotherapie
Die Psychiatrie und Psychotherapie ist daher nicht in den Zahlen enthalten. Sie bildet mit fünf Stationen und zwei Tageskliniken einen Schwerpunkt des Marien-Hospitals. Die Hochrechnung vom November ergibt laut Marien-Hospital für 2024 rund 1400 Fälle im vollstationären Bereich und 168 in den Tageskliniken in Mechernich und Euskirchen. Die Aufenthaltsdauer unterscheidet sich in der Psychiatrie deutlich von der in der Somatik: Je nach Krankheit und Schwere befinden sich die Patienten demnach mehrere Wochen bis zu mehreren Monaten in Behandlung.
Mit 1300 Mitarbeitern ist auch die Stiftung Marien-Hospital einer der großen Arbeitgeber im Kreis. Zur Stiftung gehören neben dem Krankenhaus in Euskirchen zahlreiche weitere Einrichtungen vom Kindergarten bis zum Seniorenzentrum und Hospiz. Für die Stiftung stehen zudem Millionen-Investitionen an: Der Wiederaufbau der von der Flut beschädigten Immobilien ist noch nicht abgeschlossen, zudem besteht am Marien-Hospital selbst ein erheblicher Sanierungsstau.