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PolizeiKriminalität im Kreis Euskirchen steigt – Hinweisportal wird kaum angesteuert

Lesezeit 5 Minuten
Das Bild zeigt eine Polizistin und einen Polizisten bei der Aufnahme eines Verkehrsunfalls in Euskirchen. Sie haben beide ein Maßband in der Hand.

Die Polizisten im Kreis haben vielfältige Aufgaben – und werden längst nicht immer respektvoll behandelt.

Die Kriminalität im Kreis Euskirchen steigt. Zudem sind schon 15 Menschen auf den Straßen gestorben. Polizeichef Harald Mertens nennt Gründe.

64 Anzeigen wegen des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte sind laut Landrat Markus Ramers im vergangenen Jahr gestellt worden. Jede einzelne sei eine zu viel – und auch in diesem Jahr zeichnet sich keine deutliche Verbesserung der Lage ab. Weil der Respekt gegenüber Polizistinnen und Polizisten, aber auch gegenüber Mitarbeitern des Rettungsdienstes, Feuerwehrleuten und Mitarbeitern des Ordnungsamts gesunken sei, habe er die Sicherheit zu seinem Schwerpunktthema in diesem Jahr gemacht.

„Es ist nicht hinzunehmen, wenn die Menschen, die einen wichtigen Job für unsere Gesellschaft machen, respektlos behandelt werden“, sagt Ramers: „Es ist aber nach wie vor so, dass die allermeisten Menschen im Kreis Euskirchen sehr dankbar für den Einsatz von Polizei und Co. sind.“

15 Menschen sind auf den Straßen im Kreis Euskirchen gestorben

Während der Respekt gegenüber Einsatzkräften sinkt, steigt die Zahl der Straftaten im Kreis erneut. Abschließende Zahlen könne er drei Monate vor dem Jahreswechsel nicht präsentieren, aber „ganz grob“ könne er sagen, dass die Kriminalitätszahlen weiter steigen, so Ramers: „Die ansteigende Kurve flacht vielleicht etwas ab, aber sie steigt.“

Stark gestiegen ist auch die Zahl der Verkehrstoten. 15 Menschen sind in diesem Jahr bereits auf den Straßen im Kreis Euskirchen ums Leben gekommen. 2023 waren es laut Polizei acht. „Das ist viel, zu viel“, sagt auch Polizeidirektor Harald Mertens. Vor allem mit Blick auf die sechs tödlich verunglückten Motorradfahrer beschleicht ihn ein ungutes Gefühl.

2019 habe man ebenfalls sechs getötete Motorradfahrer gehabt – am Ende des Jahres. Nun stehe der Oktober noch bevor. „Von mir aus kann es jedes Oktober-Wochenende regnen. Das reduziert die Wahrscheinlichkeit, dass wir weitere Kradunfälle haben“, so Mertens: „Prozentual ist es eine Katastrophe, was da gerade passiert. Und ich habe ein ungutes Gefühl. Natürlich würde ich mir wünschen, dass es das für dieses Jahr war. Aber nüchtern betrachtet ist zu befürchten, dass die Zahlen leider noch steigen.“

Hinweisportal für rücksichtslose Verkehrsteilnehmer wird kaum genutzt

Vor gut einem Monat hat die Euskirchener Polizei als weitere Präventionsmaßnahme ein Hinweisportal gestartet, in dem rücksichtslose Verkehrsteilnehmer gemeldet werden können. Die Resonanz hält sich laut Mertens sehr in Grenzen: „Wir haben zwei Meldungen, die sich aber nicht auf rücksichtslose Verkehrsteilnehmer beziehen.“ Ramers kann dem auch etwas Positives abgewinnen: „Es ist ja auch nicht unsympathisch, dass das Denunziantentum im Kreis Euskirchen nicht weit verbreitet ist.“

Doch ist das Portal überhaupt effizient? „Wenn die Schilderung so detailliert ist, dass vielleicht eine Straftat besteht, wird dazu eine Anzeige gefertigt“, erklärt Mertens. Es sei auch denkbar, dass Kontakt zum Halter aufgenommen und ein ernstes Gespräch geführt werde. Das, was im Rahmen der Möglichkeiten machbar sei, werde unternommen.

Cannabis-Legalisierung spürt die Polizei vor allem hinter dem Steuer

Seit dem 1. April können Erwachsene in Deutschland legal Cannabis konsumieren. Werden deshalb nunmehr Menschen mit THC im Blut hinter dem Steuer erwischt? „Der Zeitraum ist zu kurz, um valide eine Aussage zu treffen“, sagt Mertens dazu: „Aber tendenziell treffen wir im Straßenverkehr mehr an. Dafür haben wir einen Rückgang im Bereich der Betäubungsmittel-Kriminalität.“

Auf dem Simon-Juda-Markt, der Herbst-Kirmes in Euskirchen, gebe es ein Cannabis-Verbot, das seitens der Polizei mit dem Ordnungsamt kontrolliert werde. Wie die Stadt abseits der Kirmes mit der Legalisierung von Cannabis umgehe, werde sicherlich im November beim Kriminalpräventiven Rat mit der Polizei besprochen, so Mertens.

Personelle Situation bei der Polizei hat sich deutlich verbessert

Seit sechs Jahren ist Harald Mertens nun der Polizeichef in Euskirchen. Als er am 1. September 2018 seinen Dienst antrat, arbeiteten 300 Menschen bei der Polizei im Kreis Euskirchen. Aktuell sind es 350 Planstellen – inklusive Regierungsbeschäftigten und Kreismitarbeitern, die der Polizei zuzurechnen sind. Vor wenigen Wochen haben 38 neue Beamte den Dienst im Kreis begonnen.

Zieht man laut Mertens die Beamten und Mitarbeitenden ab, die den Kreis Euskirchen verlassen haben, als Teilzeitkraft arbeiten oder bald in den Ruhestand gehen, bleibe ein Netto-Gewinn von zehn Beamten. „Da darf aber nichts passieren, mit Elternzeit, Krankheit oder Ähnlichem. Das wird nicht ausgeglichen“, so Mertens: „Es ist aber vor allem positiv, weil wir mehr Beamte haben. Das ist glücklicherweise eine Entwicklung, die wir nun schon seit einigen Jahren verzeichnen.“

Von den 38 Beamten haben zehn zuvor in anderen Dienststellen gearbeitet und sich im Rahmen der landesweiten Versetzungen für den Kreis Euskirchen entschieden. „Das sind erfahrene Polizeibeamte, von denen viele bei der Kripo sind“, erklärt Mertens. Die anderen 28 haben gerade ihr Studium abgeschlossen.

Euskirchen: Landrat Markus Ramers war in der Mai-Nacht auf Streife

In der Mai-Nacht begleitete Ramers zwei Polizeibeamte. „Ich habe großen Respekt vor der Arbeit der Beamten“, so Ramers: „Ich war sehr angetan davon, wie empathisch die Beamten vorgehen. Manchmal war das fast schon Sozialarbeit, wenn Jugendliche in der Mai-Nacht zu viel getrunken hatten.“ Aber es habe, so der Landrat, auch besorgniserregende Momente gegeben: „Wie viele Menschen die Polizei anrufen, weil sie mit dem Leben überfordert sind, Konflikte nicht selbst lösen können und deshalb die Polizei anrufen müssen – auch nachts um 3 Uhr.“

Mertens und Ramers kündigen weitere Kontrollen an – in jeglicher Form. Zudem werde es auch eine weitere strategische Fahndung geben. Die muss vom Behördenleiter Ramers angeordnet werden, damit die Polizisten etwa ohne expliziten Verdacht jemanden durchsuchen dürfen. „Wir setzen weiter auf unser Präsenzkonzept“, so Ramers.

Dazu gehört auch der „Linksrheinische Qualitätszirkel“, in dem man mit der Städteregion Aachen und dem Kreis Düren zusammenarbeitet. „Viele, die im Kreis Euskirchen bei Verkehrsunfällen ums Leben kommen, leben nicht hier. Das sind die Wochenend- und Tagestouristen. Deswegen versuchen wir, die Kradfahrer auf der gesamten Strecke im Blick zu haben – von Heinsberg bis zum Nürburgring“, so Mertens: „Wenn er in Aachen kontrolliert wird, soll er nicht das Gefühl haben, dass das die letzte Kontrolle war.“