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Menschen das Leben gerettetEuskirchener Polizei zeichnet Helden des Alltags aus

Lesezeit 6 Minuten
Das Bild zeigt die Geehrten mit Vertretern der Polizei und Landrat Markus Ramers.

So sehen Helden des Alltags aus: Die Preisträger Aaron Jansen (v.l.), Oliver Hörnchen, Wolfgang Hörnchen, Saskia Beiß, Rainer Carl Clemen, Jörg Schnicke und Walter Huppertz wurden für ihre Zivilcourage ausgezeichnet.

Die Polizei im Kreis Euskirchen hat acht Menschen für ihre Zivilcourage ausgezeichnet. Für einen Schevener gab es eine besondere Überraschung.

Mut, Hilfsbereitschaft und couragiertes Handeln haben im Kreis Euskirchen ein Gesicht – genauer gesagt acht Gesichter. Die Euskirchener Polizei hat in der Ideenfabrik in der Alten Tuchfabrik in Euskirchen acht Menschen ausgezeichnet, die in unterschiedlichen Situationen Zivilcourage bewiesen haben.

Ausgelobt worden war der Preis von Landrat Markus Ramers in seiner Funktion als Behördenleiter. „Wir hoffen, dass Zivilcourage auch aufgrund dieser Auszeichnungen Schule macht“, sagte Ramers, der den Preis auch im kommenden Jahr wieder verleihen will.

Situationen, in denen man Mut und Entschlossenheit zeigen müsse, ließen sich nicht planen, so der Landrat. Umso mehr seien Menschen, die genau das getan haben, „Vorbilder für die Gesellschaft“.

Euskirchenerin eilt ihrer Freundin zur Hilfe und schlägt Angreifer in die Flucht

Ein solches Vorbild ist die 29 Jahre alte Euskirchenerin Saskia Beiß. Sie eilte ihrer Nachbarin und Freundin zur Hilfe, als diese von ihrem Ex-Partner in der einst gemeinsamen Wohnung bedroht wurde. „Sie hat ganz laut meinen Namen und um Hilfe gerufen“, erinnerte sich Beiß.

Als sie dann gesehen habe, dass der Ex-Freund die Wohnungstür eingetreten und ihre Freundin attackiert hatte, sei sie zur Furie geworden, wie Beiß es selbst ausdrückt. Ohne nachzudenken, habe sie ihrer Freundin geholfen und den Mann aus der Wohnung gezerrt. Dabei habe sie zwar von dem Eindringling einen Schlag ins Gesicht abgekommen, das habe aber nichts geändert. „Ich wollte meiner Freundin helfen“, so Beiß. Das gelang. Der Mann flüchtete und wurde schließlich in der Nähe des Tatorts aufgegriffen.

Oftmals reicht es auch aus, die Polizei zu rufen oder Erste Hilfe zu leisten, wenn jemand in Not ist. Oder andere zu animieren, zu helfen.
Harald Mertens, Chef der Euskirchener Polizei

Für ihr beherztes Eingreifen, für ihre Zivilcourage erhielt die 29-Jährige von Harald Mertens, Chef der Euskirchener Polizei, ein Dankesschreiben und einen Engel. Einen Engel aus Holz und Metall, der für den erstmalig ausgelobten Preis eigens im Berufsbildungszentrum in Euenheim gefertigt worden war.

Doch was ist Zivilcourage für den obersten Polizisten im Kreis Euskirchen? „Der, der sich körperlich jemandem entgegenstellen kann, soll das gerne tun. Das erfordert aber viel Mut. Oftmals reicht es auch aus, die Polizei zu rufen oder Erste Hilfe zu leisten, wenn jemand in Not ist. Oder andere zu animieren, zu helfen“, so Mertens.

Oleftalsperre: Männer halten Frau von Sprung in die Tiefe ab

Ulrich Linden ist bei der Euskirchener Polizei der Leiter der Direktion Kriminalität. Der Kriminaloberrat zeichnete drei Eifeler mit dem Zivilcouragepreis aus: Aaron Jansen sowie Oliver Hörnchen und Wolfgang Hörnchen. „Sie haben ein Leben gerettet“, sagte Linden zu den drei Mitarbeitern des Wasserverbands Eifel-Rur, die sich vor allem um die Oleftalsperre kümmern.

Am 4. Juni seien sie zu „Helden des Alltags“ geworden, so Linden: „Sie haben beobachtet, wie eine Frau in einer psychischen Ausnahmesituation auf der Staumauer der Talsperre stand und in den Tod springen wollte.“ Die Frau sei sogar schon über das Geländer geklettert. „Viele haben in einer solchen Situation die Sorge, etwas Falsches zu tun. Aber alles ist besser, als nichts zu tun“, sagte Linden.

Das Bild zeigt den Landrat während der Rede in der Alten Tuchfabrik.

Landrat Markus Ramers hatte den Preis für Zivilcourage ausgelobt.

Das Bild zeigt einen kleinen Preis aus Holz und Metall. Symbolisieren soll er einen Engel.

Der Preis für Zivilcourage ist im BZE gefertigt worden.

Oliver und Wolfgang Hörnchen sowie Aaron Jansen fanden verbal Zugang zu der Frau und überzeugten sie, nicht in die Tiefe und den wohl sicheren Tod zu springen. „Sie haben genau das Richtige gemacht und sind nicht blind losgelaufen. Sie haben die Aufgaben aufgeteilt. Während einer Hilfe geholt hat, haben die beiden anderen Ruhe bewahrt und sind hin zur Frau“, so Linden: „Das war vorbildlich und ein mehr als würdiges Verhalten.“

Zudem wurde ein Mann aus dem Stadtgebiet Schleiden ausgezeichnet. Er konnte an der Preisverleihung aber krankheitsbedingt nicht teilnehmen. Laut Franz Küpper, Pressesprecher der Polizei, versuchten am 24. Januar dieses Jahres drei Männer einen Zigarettenautomaten aufzubrechen. Der Preisträger beobachte die Tat in Schleiden und unterrichtete die eintreffenden Beamten darüber, dass sich ein Tatverdächtiger in seinem Vorgarten versteckt habe. „Alle drei Männer konnten schließlich festgenommen werden“, so Küpper.

Erste Hilfe nach Unfall im Europa-Kreisel in Euskirchen

Auch Jörg Schnicke und Rainer Carl Clemen wurden für ihr beherztes Eingreifen geehrt. Die Männer leisteten nach einem Verkehrsunfall im Europa-Kreisel in Euskirchen am 25. März Erste Hilfe. Ein 83 Jahre alter Autofahrer war aufgrund eines internistischen Zwischenfalls ungebremst gegen die Stele auf dem Kreisverkehr gefahren. Sowohl der Fahrer als auch seine 80-jährige Frau auf dem Beifahrersitz wurden lebensgefährlich verletzt.

Während Clemen unmittelbar hinter dem 83-Jährigen unterwegs war und so Zeuge des Unfalls wurde, war der Wißkirchener Jörg Schnicke zu Fuß auf der Wilhelmstraße unterwegs. Beide eilten sofort zur Unfallstelle und leisteten Erste Hilfe. „Meine Frau hat die Leitstelle angerufen, und ich bin losgelaufen“, so Schnicke. Unter anderem habe er mit Rainer Carl Clemen die schwere Blutung am Oberschenkel der Beifahrerin gestoppt.

Reanimiert habe er den Fahrer des Autos aber nicht. „Das haben die Mitarbeiterinnen des Seniorenzentrums Integra gemacht – bis der Rettungsdienst eingetroffen ist“, sagte Schnicke im Gespräch mit dieser Zeitung. Deshalb gebühre mindestens ein Flügel des Engels aus Holz und Metall auch ihnen, so der Wißkirchener.


„Papi, du weißt schon, dass so etwas gefährlich sein kann“

Es war der 8. Juli 2023, an dem Walter Huppertz zum Held wurde. Auf dem Aldi-Parkplatz in Kall beobachtete der 83 Jahre alte Schevener, wie ein Mann eine Frau attackierte. „Er hat die Dame von hinten an den Schultern gepackt und aufs Pflaster geworfen“, erinnerte sich Huppertz im Rahmen der Preisverleihung an den Sommertag. Um weitere Angriffe zu verhindern, stellte sich der 83-Jährige zwischen die am Boden liegende Seniorin und ihren deutlich jüngeren Aggressor.

„Ich habe ihn wütend angebrüllt und zurückgedrängt, damit er die Frau nicht noch mal angreift“, sagte Huppertz. Der Angreifer sei verdutzt gewesen und habe praktisch nicht auf den Senior reagiert. Er habe nur einmal versucht, nach ihm zu treten, und sei dann weggerannt, erinnerte sich Huppertz. „Ich glaube, dass der Mann die Frau richtig schlimm verletzt hätte, wenn ich nicht da gewesen wäre“, so der Schevener.

Angst habe er keine gehabt: „Ich war von Kopf bis Fuß voll mit Adrenalin.“ Die Situation sei von etwa 20 Schaulustigen aus sicherer Entfernung beobachtet worden. „Sie haben nur dagestanden. Sie haben noch nicht einmal die Polizei gerufen“, ärgerte sich der nun von der Polizei ausgezeichnete Schevener über die fehlende Zivilcourage.

Das Bild zeigt Vater und Tochter kurz bevor sie sich in die Arme nehmen.

Preisträger Walter Huppertz und seine Tochter, Polizistin Katja Littke. Die Beamtin ehrte ihren Vater für dessen Zivilcourage.

Überreicht wurde der Zivilcouragepreis von einer für Huppertz ganz besonderen Polizistin: seiner Tochter Katja Littke, die seit fast 30 Jahren Polizeibeamtin ist. In Jubelstürme sei sie nicht ausgebrochen, als sie von der Tat ihres Vaters erfahren habe, sagte Littke. „Papi, du weißt schon, dass so etwas gefährlich sein kann“, habe sie mahnend ihrem Vater an den Kopf geworfen: „Und du bist auch nicht mehr der Jüngste.“

Umgekehrt sei ihr Vater derjenige, der ihr nach dem Besuch in der Eifel unmittelbar vor der Rückfahrt ins Münsterland sage: „Sei vorsichtig, wenn du irgendwo auf der Autobahn anhältst.“ Das sei insofern lustig, weil sie Dienstgruppenführerin der Autobahnpolizei sei, sagte Littke. „Aber vielleicht sind es genau diese Werte, die mir in der Erziehung mitgegeben und von meinen Eltern vorgelebt worden sind – und von denen wir uns wünschen, dass sie in unserer heutigen Gesellschaft wieder mehr Raum einnehmen. Das füreinander Einstehen, das aufeinander Achten, das umeinander Sorgen. Das alles war an dem Tag im Juli 2023 entscheidend“, so Littke.

„Darum ist es mir jetzt auch eine Freude, mit den folgenden Worten zu schließen. Eigentlich ist es der Lauf der Zeit, dass Väter irgendwann mal mit Stolz dastehen und sagen: ‚Schaut, das ist mein Kind‘. Heute kehren wir das einmal um. Heute darf ich hier stehen als Tochter und sagen: ‚Schaut, das ist mein Vater‘.“