Wie das Leben ohne Kühlschrank funktionierte, wurde im Kommerner Freilichtmuseum beim Tag nach der Ernte gezeigt.
FreilichtmuseumSo blieb früher das Essen frisch – Gäste in Kommern legten selbst Hand an
Aufgeregt, beinahe schon ehrfürchtig beobachtete Noah mit weit aufgerissenen Augen das Gespann zweier Zugochsen, das sich mit einem mit Heuballen beladenen Wagen einen Weg durch das Museumsgelände in Kommern bahnte. Erst als der gemächlich dahinschreitende Tross bereits um die nächste Ecke gebogen war, kam ein staunendes „Boah, die sind ja riesig“ über die Lippen des Achtjährigen.
„Schon im Kinderwagen hat Noah immer großen Tieren und Traktoren hinterhergeschaut und war immer ganz fasziniert“, erklärte Mutter Nadine Fischer lachend: „Der heutige Tag im Museum dürfte für ihn gleich mehrere Träume in Erfüllung gehen lassen.“
Ein weiteres Mal hatten die Mitarbeiter des LVR-Freilichtmuseums in Kommern am Samstag und Sonntag zu der Traditionsveranstaltung „Nach der Ernte“ eingeladen. Und dabei gab es nicht nur für den kleinen Noah viel zu bestaunen.
„In der eigenen Vorstellung denkt man sich meist, dass der Großteil der Arbeit erledigt ist, sobald die Ernte eingeholt wurde. Doch gerade für die Frauen zu Hause war diese Zeit besonders schweißtreibend“, berichtete Museumsmitarbeiterin Andrea Nowotny: „Wenn man heute im Supermarkt einkaufen geht, müssen die Frischwaren immer noch innerhalb einer Woche verbraucht werden. Früher gab es nicht einmal Kühlschränke, also mussten die Leute sich andere Wege überlegen, ihr Essen haltbar zu machen.“
Genau diese Wege wurden am Wochenende unter die Lupe genommen. Denn was nicht schon am nächsten Tag in der Auslage der Händler landete, musste oft über Monate bis zur nächsten Ernte als Nahrungsquelle für die ganze Familie konserviert werden.
„Obwohl die Menschen früher längst nicht so pingelig mit ihrem Essen waren wie heute, wäre das Obst ohne die richtige Behandlung viel zu schnell schlecht geworden“, berichtete Petra Spürkel. Um auch noch in den Wintermonaten an die benötigten Vitamine zu kommen, sei das Obst deshalb meist über dem Ofen gedörrt worden.
Besucher durften im Kommerner Freilichtmuseum kräftig zupacken
Bei diesen Worten gestattete die Museumsmitarbeiterin den Umstehenden einen Blick in den nach historischen Vorgaben nachgebildeten Dörrofen, der schon seit den Morgenstunden in Betrieb gehalten wurde. „Nach rund sechs bis sieben Stunden bei einer Temperatur von gut 60 Grad erinnern die Apfelscheiben fast ein wenig an Kartoffelchips. Dann sind sie fertig, um für die nächsten Monate eingelagert zu werden.“
Neben dem Konservieren von Lebensmitteln sorgten besonders die tierischen Akteure an beiden Tagen für Aufmerksamkeit. Muskelbepackte Kaltblutpferde und Zugochsen bereiteten die Felder für die nächste Aussaat vor, trugen die Ernte durchs Museumsgelände oder traten beim Holzrücken in den Wettbewerb mit Traktoren und anderem modernen Gerät.
„Früher konnten sich die Menschen auf den Dörfern völlig autark versorgen. Jeder hat im Garten oder auf dem Feld Lebensmittel angebaut und war nicht auf große Betriebe, wie es sie heute gibt, angewiesen“, betonte Landwirt Matthias Höwer, der mit seinem Zugochsen Fritz aus dem Westerwald nach Kommern gekommen war.
„Ohne diese Selbstversorgung hätten die meisten Menschen die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg vermutlich nicht überlebt.“ Zudem sei es auf diese Weise deutlich nachhaltiger, weil man sich die ganze Logistik und Massentierhaltung sparen könne.
Gäste konnten im Freilichtmuseum in die historische Zeit eintauchen
Doch die Besucher des Tages nach der Ernte durften nicht nur staunend danebenstehen, sondern an zahlreichen Stationen auch selbst Hand anlegen. „So spannend es auch sein kann, den Tieren bei ihrer Arbeit auf dem Feld zuzuschauen, am leichtesten fällt das Lernen, wenn man es auf spielerische Art selbst erlebt“, erklärte Andrea Nowotny.
Ob beim Basteln an den vielen Handwerksständen, beim Spielen traditioneller Kinderspiele oder dem Dreschen von Korn – die kleinen und großen Museumsbesucher gerieten so immer wieder ins Schwitzen.
„Wenn man zum Bäcker geht“, so Andrea Nowotny, „macht man sich keine Gedanken darüber, wie viel Arbeit in so einem kleinen Brötchen steckt. Besonders ohne die modernen technischen Hilfsmittel, die uns heute zur Verfügung stehen.“
Trotz dieser schweißtreibenden Arbeiten steht laut Nowotny am Wochenende immer der Spaß im Vordergrund. „Wenn man Profis bei ihrem Tagwerk zusieht, erscheint alles immer sehr leicht, bis man es selbst probiert hat. Wir wollen unsere Gäste in diese historische Zeit eintauchen lassen und hoffen, dass sie viel erleben und den Tag genießen.“