Als eine von 94 Kliniken in NRW klagt das Kreiskrankenhaus Mechernich gegen die Klinikplanung. Es geht um den Erhalt zweier Kardiologie-Bereiche.
KlinikplanungKreiskrankenhaus Mechernich will Minister Laumann mit Klage zur Einsicht bringen

Komplexe Technologie kommt bei der Ablation zum Einsatz, für die der Mechernicher Kardiologie-Chefarzt Dr. Erol Saygili Experte ist. In diesen Bereich hat das Kreiskrankenhaus in den vergangenen Jahren rund 2,5 Millionen Euro investiert.
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Ein Wechselbad der Gefühle ist die NRW-Krankenhausplanung fürs Kreiskrankenhaus: Der Freude Anfang November, dass der Perinatale Schwerpunkt zur Versorgung von Frühchen in Mechernich bleibt, folgte im Dezember die Ernüchterung, dass man Ende 2025 zwei von drei kardiologischen Bereichen schließen soll. Für Leistungsgruppen EPU/Ablation und Kardiale Devices hat man keine Zuteilung erhalten, die Interventionelle Kardiologie bleibt in Mechernich.
Verstehen kann Geschäftsführer Martin Milde die Entscheidung aus Düsseldorf bis heute nicht: „Die Entscheidung ist aus meiner Sicht falsch und nicht gut für die Versorgung im Kreis.“ Einfach so hinnehmen will er sie auch nicht. Als eine von 94 Kliniken in NRW hat das Kreiskrankenhaus Klage eingereicht und Akteneinsicht beantragt.
Kreiskrankenhaus denkt über Beantragung eines Eilverfahrens nach
Der Mechernicher Fall liegt nun beim Verwaltungsgericht in Aachen. Gehört haben Milde und die Juristen der Klinik von dort bislang nichts. Dabei ist zunächst die Akteneinsicht wichtig, da infolge dieser die Klagebegründung verfasst wird. Und da Verfahren am Verwaltungsgericht oft sehr lange dauern, besteht auch die Option, ein Eilverfahren zu beantragen: „Das haben wir noch nicht getan, ziehen es aber in Erwägung.“
Denn – Stand jetzt – haben die Klagen keine aufschiebende Wirkung bei der Umsetzung der Maßnahmen. Milde geht auch nicht davon aus, dass sich daran etwas ändern wird: „Herr Laumann ist ja überzeugt von den Zuteilungen.“ Dabei ist der NRW-Gesundheitsminister keinesfalls Staatsfeind Nummer eins in Mechernich. Im Gegenteil. „Ich schätze ihn sehr. Und die Reform macht auch durchaus Sinn“, sagt Milde.
Nur in Sachen Kreis Euskirchen sei der Minister eben auf dem Holzweg. Eine Einladung nach Mechernich habe Laumann bislang unbeantwortet gelassen. Dabei ist Milde überzeugt, dass der Minister zu einem anderen Schluss kommen würde, wenn er die Arbeit vor Ort sehe.
Mechernicher haben 2,5 Millionen Euro in die Kardiologie investiert
Schon ist da wieder dieses Unverständnis. Über viele Jahre seien diese Bereiche in der Kardiologie strategisch auf- und ausgebaut worden. Mit rund 2,5 Millionen Euro hat das Kreiskrankenhaus auch nicht gerade wenig in die Ausstattung investiert, mit Dr. Erol Saygili als Chefarzt einen ausgewiesenen Fachmann auf genau dem Gebiet geholt. Dass in dessen Team Unsicherheit und Frust groß seien, sei da nur logisch, sagt Milde: „Wir haben das Baby schließlich zusammen großgezogen.“ Darum wolle man nun kämpfen – und sei überzeugt, dass das Ministerium mithilfe des Gerichts zur Einsicht gebracht und in Mechernich nichts geschlossen werde.
Noch haben wir ein gutes System. Aber wenn es uns nichts wert ist, müssen wir nur weiter so machen.
Es geht logischerweise auch ums Geld. Um viel Geld. Knapp zwei Millionen Jahresumsatz erwirtschaftet das Kreiskrankenhaus alleine mit den beiden Leistungsgruppen, die im kommenden Jahr wegfallen sollen. Und diese Millionen, sagt Milde, könne er dann fast eins zu eins in die Jahresbilanz einbuchen.
Mit einem voraussichtlichen Minus von unter fünf Millionen Euro für 2024 ist die aufgrund der chronischen Unterfinanzierung der Kliniken ohnehin schon arg finster. Da auch kein Silberstreif am Horizont erkennbar ist, plant der Kreis als Mehrheitsgesellschafter im noch nicht von der Politik beschlossenen Haushalt eine anteilige Verlustübernahme von bis zu zwei Millionen Euro ein.
Für Notfälle ist die Kardiologie rund um die Uhr einsatzbereit
Ein kräftiges Einsparpotenzial, beispielsweise beim Personal, bietet der Wegfall der beiden Kardiologie-Gruppen keinesfalls. Denn eine Rund-um-die-Uhr-Bereitschaft für Notfälle muss laut Milde in der Interventionellen Kardiologie in jedem Fall vorgehalten werden.
Das Marien-Hospital Euskirchen hat beide Leistungsgruppen zugesprochen bekommen. Doch Futterneid in Richtung des Nachbarn entwickelt Milde nicht: „Es geht nicht um Mechernich oder Euskirchen. Der Bedarf ist für beide da.“
Und der wird nach Mildes Einschätzung durch eine Änderung der Richtlinien im vergangenen September noch deutlich steigen. Seitdem sei die Ablation als sogenannte First-Line-Therapie bei Vorhofflimmern vorgesehen. Daraufhin seien in einigen Gebieten die negativen Zulassungsbescheide vom Gesundheitsministerium bereits geändert worden – nur eben im Kreis Euskirchen nicht. Warum nicht? „Keine Ahnung“, sagt Milde: „Aber das macht die Entscheidung noch unverständlicher.“
Volkswirtschaftlich macht sie für den gelernten Volkswirt Milde auch gar keinen Sinn: Bestehendes, das gut funktioniert, wegzunehmen, während man es woanders erst einmal für nicht gerade wenig Geld aufbauen muss, bezeichnet er als „unsinnig“ – gerade vor dem Hintergrund, dass doch Ressourcen und Mittel sinnvoll eingesetzt werden sollten. Was Milde – womöglich auch mit Blick auf die Bundestagswahl – zur grundsätzlichen Frage führt, was uns Gesundheit und Bildung wert seien. „Noch haben wir ein gutes System“, sagt er: „Aber wenn es uns nichts wert ist, müssen wir nur weiter so machen.“
Die Fallzahlen
In der Interventionellen Kardiologie, die Notfälle wie Herzinfarkte sowie Behandlungen etwa mit Stents und Schrittmachern umfasst, wurden 2023 in Mechernich 1259 Patienten behandelt. Diese Zahlen sind laut Milde seit Jahren konstant.
Bei den kardialen Devices, bei denen es laut Milde um hochkomplexe Defibrillatoren geht, seien es 2023 neun Behandlungen gewesen.
In der Ablation/EPU (Elektrophysiologische Untersuchung) ist eine deutliche Entwicklung zu beobachten: Waren es 2023 noch 150 Behandlungen, stieg deren Zahl im vergangenen Jahr bereits auf 250. Anfang 2024 hat mit Chefarzt Dr. Erol Saygili ein Experte auf diesem Gebiet seinen Dienst am Kreiskrankenhaus angetreten. Dieser Bereich sollte in Mechernich kontinuierlich ausgebaut werden.