Nettersheim-Marmagen – Mit besonderen Anforderungen kennt sich Kilian Poth aus: Das gilt für die Erwartungen der Kunden, die sich mit den unterschiedlichsten Bauprojekten an den Marmagener Familienbetrieb wenden, den der 30-Jährige zusammen mit seinem Bruder Matthias führt.
Beste Gesellenprüfung, beste Meisterprüfung
Das gilt aber auch für die Ansprüche, die Poth selbst an sich hat: Seine Ausbildung zum Stuckateur schloss er im Jahr 2011 als Innungsbester seines Jahrgangs ab. Jetzt hat der Handwerker erfolgreich seine Meisterprüfung abgelegt – und wieder war er der Beste seines Jahrgangs.
Dass Kilian Poth „seinen Meister“ in einem Beruf gemacht hat, den er gar nicht gelernt hat, ist ebenfalls eine Besonderheit: Einen weiteren Stuckateurmeister auszubilden, so Poth, habe für den Betrieb wenig Sinn gemacht, da es bereits drei davon im Unternehmen gab.
„Außerdem reizt mich persönlich die Arbeit am Gebäudebestand mehr als der Neubau – ganz nach dem Motto: zeitgeschichtliche Unikate erhalten, statt seelenlose Neuware produzieren“, sagt Poth. Deswegen entschied er sich dazu, seine Meisterprüfung im Holz- und Bautenschützerhandwerk zu machen (siehe auch „Berufsbild“).
So begann Kilian Poth 2019 in Teilzeit seine Meisterausbildung bei der Handwerkskammer Düsseldorf (Teil I und II). Den Fachkaufmann und die Ausbildereignung (Teil III und IV der Meisterprüfung) absolvierte er bei der Handwerkskammer Aachen in Vollzeit.
Die Zulassung zur Meisterprüfung im nicht erlernten Beruf musste zunächst beantragt, konnte von Poth aber leicht mit entsprechenden Referenzen belegt werden. Eigentlich sollte sich Poth dann im vergangenen Jahr gewissenhaft auf die theoretischen und fachpraktischen Prüfungen vorbereiten – doch besondere Umstände erschwerten dieses Vorhaben.
Flutkatastrophe im Juli 2021 veränderte alles
„2021 war für mich persönlich ein Jahr der Extreme“, so der Handwerksmeister. An das rastlose Hin und Her zwischen pandemiebedingtem Home-Schooling, den Schulungs- und Prüfungsräumen der Handwerkskammern Aachen und Düsseldorf und dem Firmensitz in Zingsheim hatte er sich langsam, aber sicher gewöhnt, so Kilian Poth.
Als jedoch im Juli 2021 die Region von der Hochwasserkatastrophe getroffen wurde, änderte sich alles: „Fast jeder Mensch, den man kannte, war betroffen: Familie, Freunde, Mitarbeiter, deren Angehörige und Nachbarn – und das straßenzugweise“, sagt Poth.
Reguläre Aufträge wurden pausiert
„Wir haben eine halbe Stunde im Betrieb diskutiert, dann stand fest, dass wir alle regulären Aufträge erst einmal pausieren“, erinnert sich Poth an den Tag nach der Flutnacht.
Ehrenamtlich hat die Firma die eigenen Kettenbagger, Radlader, Lastwagen, Schuttcontainer, Stromerzeuger, Wasserpumpen und ihren großen Handmaschinenpark mobilisiert. Die Mitarbeiter gingen auf die Straßen, um dort anzupacken, wo die Betroffenen aus eigenen Kräften nicht mehr weiterkamen.
Über die darauffolgenden Tage, Wochen und Monate folgte dann eine weitere Überflutung; nun jedoch in Form von Sanierungsanfragen und Hilferufen via Mobiltelefon, Festnetz, E-Mail und Fax. Wie der Baufachmann anschaulich beschreibt, kamen so viele Anfragen auf sie zu, dass sie es nicht einmal mehr schafften, jedem zu antworten.
Priorisierung nach Hilfebedürftigkeit
Wie geht man nun mit dieser Situation um? „Die Aufgaben wurden fortan nicht mehr nach Eingangsdatum, sondern nach dem Grad der Hilfebedürftigkeit priorisiert“, beschreibt Poth das Vorgehen: „Eine Fassade, die nach Jahrzehnten eine Reinigung oder einen Neuanstrich nötig hätte, war nicht so dringlich wie die Wiederherstellung von Wohnräumen von Menschen, die in Notunterkünften untergebracht waren.“
Bei Kilian Poth selbst rangen Herz und Verstand täglich um die persönlichen Kapazitäten: Lernen für die Meisterprüfung oder Hilfe leisten? „Mir standen viele großartige und loyale Menschen in dieser schwierigen Zeit tatkräftig zur Seite“, sagt Poth. Sie hielten ihm den Rücken frei und sprachen ihm immer wieder gut zu.
Ohne diese Unterstützung, da ist er sich sicher, hätte er kaum die nötige Zeit für die Meisterkurse und Prüfungen aufwenden können.
Flutsanierungen noch nicht abgeschlossen
Und wie sieht die Lage im Betrieb, der Hubert Poth GmbH, jetzt aus, ein Jahr nach der Flut? „Neukunden müssen nach wie vor Geduld haben – wir arbeiten immer noch die Flutsanierungen ab“, bittet Poth um Verständnis. Immerhin ist das Team um zwei auf jetzt 19 Mitarbeiter gewachsen. „Sogar einen neuen Azubi haben wir “, freut sich Poth.
Neben Fliesenlegern und Stuckateuren bildet der Traditionsbetrieb jetzt auch Holz- und Bautenschützer aus. „Dieses Berufsbild passt übrigens bestens zu den Arbeiten, die bei der Sanierung von Flutimmobilien anfallen“, sagt der frischgebackene Meister.