Die alte Bäckerei in Nettersheim war für den Fahrradladen zu klein. Weitergeführt wird er inklusiv bei den Nordeifelwerkstätten.
NeueröffnungNettersheimer Fahrradladen zieht unter das Dach der Nordeifelwerkstätten
Für Mario Müller ist es ein großer Schritt: Seit 2010 hat er sein Fahrradgeschäft bike.projekt an der Nettersheimer Bahnhofstraße aufgebaut. Jetzt hat er es abgegeben. Aus dem kleinen Unternehmen wird eine integrative Fördergesellschaft unter dem Dach der Nordeifelwerkstätten (NEW), aus dem Unternehmer ein angestellter Betriebsleiter.
Der Umzug ist im Gange, denn es heißt nicht nur Abschied nehmen von der Selbstständigkeit, sondern auch vom alten Standort. Auf dem NEW-Gelände in Zingsheim waren zwei Hallen freigeworden, nachdem die Werkstätten in Mechernich ihr neues Qualifizierungs- und Bildungszentrum QuBi gebaut haben. In Zingsheim gibt es Platz – viel Platz. Für eine schicke Präsentation der Fahrräder, für großzügige Arbeitsplätze, für professionelle Hochregale.
Der Abschied aus der alten Bäckerei in Nettersheim fällt ein wenig schwer
Und doch fällt der Abschied schwer von den engen, verwinkelten Räumen der alten Bäckerei in Nettersheim. 2008 ist der Laden dort eingezogen, zwei Jahre, bevor Müller ihn übernommen hat. Herzstück ist der Backofen, der mit seinen schweren, eisernen Klappen und den weiß und grün glasierten Kacheln einen charmanten Kontrast zu den Hightech-Rädern bildet.
Er stamme aus den Anfangsjahren des vergangenen Jahrhunderts, erzählt der Fahrradhändler, und sei damals der modernste Ofen der Region gewesen: mit großer Backfläche, der Möglichkeit, den ganzen Tag zu backen, und einem Tank, der die Bäckerei stets mit warmem Wasser versorgte.
Er selbst sei wohl der einzige gewesen, der an seine Geschäftsidee geglaubt habe, erinnert sich Müller an die Anfangszeit. Der Erfolg habe ihm recht gegeben: In den 14 Jahren habe er den Umsatz vervierzehnfacht, habe am Ende zwölf Leute beschäftigt, davon drei fest angestellt. Und doch sagt Mario Müller: „Ich war nie ein Geschäftsmann.“ Der frühere Rettungssanitäter ist vor allem eines: fahrradbegeistert. Aber auch realistisch genug, um zu erkennen, dass Laden und Werkstatt einfach zu klein geworden sind. „Das merke ich schon daran, wie viel Zeit wir damit verbringen, Fahrräder beiseite zu räumen.“
Menschen mit Einschränkungen werden beschäftigt
Christian Merks, Betriebsleiter am NEW-Standort im Gewerbegebiet Zingsheim, ist langjähriger Kunde bei projekt.bike. Gemeinsam entwickelten die beiden die Idee, die jetzt verwirklicht wird. Das neue Unternehmen hat nicht nur das Ziel, Fahrräder zu verkaufen, zu warten und zu reparieren, sondern auch, Menschen mit geistigen oder körperlichen Einschränkungen zu fördern und im besten Fall fit zu machen für den ersten Arbeitsmarkt.
Der Aspekt der Integration habe ihn letztlich überzeugt, sagt Mario Müller: „Der neue Standort hat ein völlig anderes Ambiente, aber ein schlüssiges Konzept.“ Am Samstag, 13. April, ist Eröffnung, schon jetzt bekommt man einen Eindruck, wie schick es wird.
Schreinerei der NEW hat den größten Teil der Einrichtung hergestellt
Der Laden profitiert von der unmittelbaren Nähe zur Schreinerei, die die Nordeifelwerkstätten unterm gleichen Dach betreiben. Dort ist der größte Teil der Einrichtung entstanden, Podeste, Tische, Theken. Die Kunden können künftig entspannt in der Zirben-Lounge auf Paletten-Möbeln bei einer Tasse Kaffee warten. Dort steht auch eine Sauna, die nebenan gebaut worden ist. Die Annahme der Kundenräder sieht jetzt schon professionell aus. Die Gefährte werden mit einem Deckenkran angehoben, um sie von allen Seiten zu begutachten.
Daneben entstehen vier Arbeitsplätze, identisch gestaltet, damit jeder sofort weiß, wo das richtige Werkzeug ist und sich keiner erst neu orientieren muss, wenn er nicht an der gewohnten Werkbank steht. „Unser Anspruch bleibt: Bei der Qualität machen wir keine Kompromisse“, sagt Müller. Kein Fahrrad werde ohne Endkontrolle aus der Hand gegeben.
„Wir wollen an die Öffentlichkeit, weg vom verstaubten Image der 70er-Jahre“, beschreibt Christian Merks die Arbeit mit den Menschen mit Einschränkungen. Die Werkstätten seien Dienstleister, arbeiteten zum Teil für große Firmen. Ziel sei es, die Leute zurück in die Gesellschaft zu bringen. „Wir fangen niederschwellig an bei der Arbeit“, sagt der Betriebsleiter: „Aber wir sind optimistisch, dass der eine oder andere hier die Ausbildung zum Fahrradmechaniker machen kann.“ Einer der Beschäftigten ist gelernter Mechaniker. Damit ist er ein Gewinn für das Projekt – und das Projekt ein Gewinn für ihn.
Am 13. April wird der neue Laden in Zingsheim eröffnet
Optimismus versprühen nicht nur die Betriebsleiter, sondern vor allem die Beschäftigten. Gut gelaunt begrüßen sie auf dem Rückweg von der Frühstückspause Mario Müller. „Ich freue mich so auf die Eröffnung“, sagt einer im Vorübergehen. Ein anderer fragt nach Prospekten, um Werbung für die neue Firma zu machen. Der zusätzliche Platz wird künftig auch für zusätzliche Angebot genutzt.
Bei der Eröffnung wird „Hase Bikes“ Therapieräder vorstellen, beispielsweise für Menschen ohne Arme. Es gibt eine Waschanlage für Fahrräder. Seit zwei Jahren testet Mario Müller Service-Boxen: große Kisten, in denen die Kunden ihr Fahrrad bestellen können, damit es zur Wartung oder Reparatur abgeholt wird, wenn man selbst keine Zeit oder Möglichkeit hat, es zur Werkstatt zu bringen. Die Service-Boxen soll es in vielen Orten geben.
Wenige Tage vor der Eröffnung zeigt sich Christian Merks überzeugt vom Erfolg des gemeinsamen Projekts: „Auch wenn wir derzeit auf dem Zahnfleisch gehen – das wird gut.“
Am Samstag, 13. April, 10 bis 16 Uhr, eröffnet projekt.bike am neuen Standort in Zingsheim, Auf der Heide 25. Dabei haben die Besucher nicht nur die Möglichkeit, die Ausstellungsräume und Werkstatt zu besichtigen und mit den Mitarbeitern ins Gespräch zu kommen, auch Probefahrten sind möglich.