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Polizisten als TäterAusstellung in Vogelsang erinnert an Verbrechen in der NS-Zeit in Polen

Lesezeit 4 Minuten
Vier Männer und eine Frau stehen nebeneinander und schauen in die Kamera, zwischen ihnen ein Bildschirm mit einem historischen Foto.

Markus Ramers (v.l.), Harald Mertens, Hendrik Mathias, Tina Kuhle-Gemünd und Michael Heinen stellten die Ausstellung vor.

„Den Tätern auf der Spur. Polizeiliche NS-Verbrechensorte in Polen“ heißt eine Ausstellung, die die Kreispolizei Euskirchen in Vogelsang präsentiert.

Es geht um Orte in Polen, an denen deutsche Polizisten zu Mördern wurden. Und es geht um die Täter und die Frage, wie es so weit kommen konnte. In der Wanderausstellung „Den Tätern auf der Spur. Polizeiliche NS-Verbrechensorte in Polen“, die die Kreispolizeibehörde Euskirchen in Vogelsang zeigt, sind schreckliche Gewalttaten in Dörfern und Städten dokumentiert. „Es ist wichtig, daran zu erinnern und daraus zu lernen“, sagte Landrat Markus Ramers auch mit Verweis auf aktuelle Probleme mit rechten Chatgruppen bei der Polizei NRW.

Die Extremismusbeauftragten der Kreispolizei, Tina Kuhle-Gemünd und Michael Heinen, hatten die Ausstellung in den Kreis geholt. Zur Verfügung gestellt wurde sie von der Villa ten Hompel, einer Gedenkstätte für Verbrechen von Polizei und Verwaltung in der Zeit des Nationalsozialismus im westfälischen Münster. Die Villa war von 1940 bis 1944 Sitz des Befehlshabers der Ordnungspolizei im Wehrkreis VI. Als Angehörige von Polizeibataillonen bewachten Polizisten Lager und Ghettos, eskortieren Deportationszüge und nahmen an Erschießungen teil.

Polizisten ließen sich für schreckliche Taten instrumentalisieren

„Junge Kollegen haben mich gefragt, was wir damit zu tun haben“, erzählte Kuhle-Gemünd. „Wir tragen Verantwortung für die Zukunft und müssen deshalb wissen, was in der Vergangenheit passiert ist“, habe sie geantwortet.

Vogelsang-IP-Geschäftsführer Thomas Kreyes betonte, man sei stolz, die Ausstellung präsentieren zu dürfen: „Sie passt an diesen Ort, an dem Verbrecher ausgebildet wurden, die später an Hunderttausenden Morden beteiligt waren.“ Die Ausstellung sei sehr interessant und habe viele Besucher verdient.

Besucher stehen vor den Aufstellern mit den Informationen der Ausstellung.

Das Interesse an der Ausstellung im Besucherzentrum in Vogelsang war gleich nach der Eröffnung groß.

Landrat Markus Ramers erinnerte als Schirmherr an den Spruch „Die Polizei, dein Freund und Helfer“ aus der Weimarer Republik: „Die Polizei steht an der Seite der Bürger und bietet Schutz, Unterstützung und Hilfe an. Es ist unbegreiflich, wie diese Polizei ein Teil der NS-Machtmaschinerie werden konnte.“ Man habe sich für schreckliche Taten instrumentalisieren lassen.

„Auch heute gibt es rechte Chatgruppen bei der Polizei in NRW“

Dies alles nur mit der Befehlsgewalt zu erklären, greife zu kurz: „Einige Polizisten folgten der Ideologie der Nazis, andere waren opportunistisch.“ Man müsse sich mit der Geschichte auch angesichts aktueller Probleme auseinandersetzen: „Auch heute gibt es rechte Chatgruppen bei der Polizei in NRW.“

„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Diese Haltung muss geteilt werden und ist auch Grundlage des Eides, den die Polizeibeamten bei ihrer Vereidigung sprechen“, so der Landrat.

Hendrik Mathias vom Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei NRW ging auf die verschiedenen Tätergruppen ein: „Es gibt Schreibtischtäter, Mordtäter, die Verbrechen verüben, und indirekte Täter wie die Deutsche Reichsbahn, die Millionen Juden in die Konzentrationslager transportierte.“

Opfer wurden als Abschaum und Ungeziefer bezeichnet

Eigens aufgestellte Polizeibataillone hätten in den besetzten Gebieten große Verbrechen begangen: „Im Warschauer Ghetto waren sie an Razzien, Festnahmen, Erschießungen und Deportationen beteiligt.“ Dabei habe es keinen Zwang und keinen Befehlsnotstand gegeben: „Dafür gibt es keine Belege.“

Mathias brachte als Beispiel den Befehl zur Exekution der Juden des Ortes Jozefow im Juli 1942: „Am Ende seiner Ansprache erklärte der Kommandeur, dass diejenigen älteren Bataillonsangehörigen, die sich der bevorstehenden Aufgabe nicht gewachsen fühlen, vortreten sollen.“ Elf Polizisten von etwa 500 seien schließlich vorgetreten.

„Die Frage, wie es so weit kommen konnte, kann man nicht beantworten“, sagte Mathias und ging auf die Motive der Täter ein. „Zum einen wurde die Polizeiarbeit durch die Ausweitung der Opfergruppen immer brutaler, zum anderen wurden Opfer wie die Juden entmenschlicht und als Abschaum und Ungeziefer bezeichnet.“

Andere hätten der Karriere wegen mitgemacht: „Denken Sie an den Spruch ,Der geht über Leichen'.“ Hinzu kämen der Gruppendruck und eine „heimatferne, fremde und staatslose Umgebung“. Mathias ist sich sicher: „Auf dem Marktplatz in Euskirchen wären manche Taten so nicht möglich gewesen.“

Einige Polizisten beriefen sich auf Gerichtsurteile von Scheinprozessen

Einige Polizisten hätten ihr Verhalten auch mit der Gefahr für das eigene Leben begründet oder sich auf Gerichtsurteile von Scheinprozessen oder auf Befehle und Erlasse berufen.

Der Euskirchener Polizeidirektor Harald Mertens meinte zum Abschluss der Ausstellungseröffnung, wer aufmerksam das Weltgeschehen verfolge, könne erkennen, dass sich Dinge wiederholen. Er warnte seine Beamten vor der Entmenschlichung. Dazu dürfe es nicht kommen, selbst wenn Polizisten in Einsätzen respektlos behandelt würden.

Die Ausstellung „Den Tätern auf der Spur. Polizeiliche NS-Verbrechensorte in Polen“ ist noch bis Sonntag, 27. Oktober, in Vogelsang auf der Empore im Besucherzentrum zu sehen.

Zum Abschluss der Ausstellung wird Stefan Querl, Leiter des Geschichtsortes Villa ten Hompel und Mitglied des geschäftsführenden Bundesvorstands im Netzwerk „Gegen Vergessen – Für Demokratie“, am Sonntag, 27. Oktober, ab 16 Uhr einen Vortrag in Vogelsang halten. Das Thema lautet: „Zwischen Vergangenheit und Verantwortung: Polizeischutz für die Demokratie im Kontext der NS-Gewaltgeschichte“. Der Eintritt ist kostenlos.