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Zweiter JahrestagDas Schleidener Tal gedenkt der Flutopfer auf unterschiedliche Weise

Lesezeit 5 Minuten
Zahlreiche Menschen stehen in einem großen Kreis um einen Stein. Sie halten sich zum stillen Gedenken an den Händen.

Bei den Händen nahmen sich die Menschen am Stein nahe des Marienplatzes in Gemünd. Es war ein stilles Gedenken zum Glockengeläut.

Mehrere Möglichkeiten nutzten die Menschen im Schleidener Tal, um den Jahrestag der Flutkatastrophe zu begehen.

Als wäre es ein Tag wie jeder andere, verging der Freitag. Als jährte sich nicht zum zweiten Mal die verheerende Flutkatastrophe, die 26 Menschen im Kreis Euskirchen das Leben kostete – neun starben alleine in der Stadt Schleiden – und Schäden in Milliardenhöhe an Häusern und Infrastruktur verursachte.

Eine offizielle Gedenkveranstaltung fand diesmal nicht statt. Dennoch gab es im Stadtgebiet verschiedene Möglichkeiten, um wenn gewünscht, den Jahrestag in Gemeinschaft zu begehen.

Der Hof von Klaudia Wergen ist ein Treffpunkt in Malsbenden

Vieles Schlechte aus den Flutzeiten ist vergangen, manches Gute geblieben. Wie das fast schon legendäre Zelt an der Urftseestraße, das über viele Monate gleichzeitig Einsatzzentrale, Essensausgabe, Bürgerzentrum und Seelentröster war. Klaudia Wergen hatte es kurz nach der Flut in ihrem Hof aufgestellt, damit dort das vom DRK bereitgestellte Essen ausgegeben werden.

Bis zum April 2022 stand es als inoffizielles Dorfzentrum bereit für alle, die Hilfe und Trost suchten oder einfach nur ein Schwätzchen halten wollten, bevor es wieder abgebaut wurde. Doch wo die Seele einkehrt, mag sie nicht so schnell gehen – und so ist der Hof immer noch ein beliebter Treffpunkt. Es wird Advent gefeiert, ein Weihnachtsbaum aufgestellt oder jetzt auch der Jahrestag begangen, nur eben unter freiem Himmel und nicht im Zelt.

Auch in einigen anderen Gärten in Malsbenden und den anderen Orten im Schleidener Tal trafen sich Gruppen, um den Jahrestag gemeinsam ausklingen zu lassen. Rund 60 Nachbarn und Freunde hatten ihr Kommen am Wergenschen Hof angemeldet und brachten Getränke und Essen mit. Wer wollte, redete über die Schrecken der Flutkatastrophe, wer das nicht wollte, redete über anderes. Hier trafen sich die Menschen, die aus einer Zweckgemeinschaft in der Not zu Freunden geworden sind.

Es sei gelacht und geweint worden, erinnert Wergen an die Stunden, die die Menschen hier verbracht hatten. Viel hatten sie alle verloren. „Doch was hier steht, haben wir gewonnen“, sagt sie mit einem Blick in die Runde.

Auch einige Helfer sind zum Jahrestag nach Gemünd gekommen

Mit dabei war auch eine Gruppe aus Rohren, die in den Wochen nach der Flut tatkräftig mit angepackt hatte. „Wir waren als erstes hier und sind hier hängengeblieben“, sagt Marco Pontzen, der den Hilfseinsatz koordiniert hatte. In den ersten, so chaotischen Tagen nach der Katastrophe sei es schwer gewesen, da niemand gewusst habe, wo man helfen könne. „Doch dann haben wir beim Einsatz schon gleich den nächsten Auftrag bekommen“, erinnert er sich lächelnd.

In einem Hof vor einem weißen Haus sitzen zahlreiche Menschen zusammen.

Ein Treffpunkt war auch zum Jahrestag der Hof von Klaudia Wergen in Malsbenden.

Drei Wochen Sommerferien habe er hier verbracht, sagt der Feuerwehrmann, und keine Stunde habe ihn gereut. Eine Stammmannschaft von sieben Leuten sei mit ihm gefahren, dazu noch rund 50 Leute, teils aus den Dörfern rund um Rohren, die in verschiedener Besetzung mitgeholfen hätten. Zweimal haben sie auch schon einen Weihnachtsbaum hier angeliefert. „Ich denke, das wird auch weiterhin so bleiben“, so Pontzen.

„Hier ist die Gemeinschaft zusammengewachsen“, sagt Erwin Schnitzler. Er duze sich nun mit Menschen aus dem Viertel, die er vor der Flut nicht gekannt habe. Und ansonsten? „Keine Probleme, ich habe es überstanden“, antwortet er lächelnd. Nur seine Frau habe Probleme, wenn Regen gemeldet werde. „Dann kommen die Bilder und Gedanken“, sagt er.

In der Olefer Kirche wurde eine ökumenische Andacht gefeiert

Zur ökumenischen Andacht hatten die Katholische und Evangelische Kirche in die Pfarrkirche nach Olef eingeladen. Die Pläne, die Feier in der Evangelischen Kirche in Schleiden abzuhalten, mussten kurzfristig geändert werden, wie Pfarrer Erik Schumacher erläuterte. „Es wurde Schimmel auf Holzteilen entdeckt, deshalb gab es Befürchtungen, die Atemluft könnte kontaminiert sein“, sagt er. Die gute Nachricht sei dabei, dass im August endlich die Sanierung des Gebäudes beginnen könne.

In der Pfarrkirche von Olef, die viele Monate wegen Flutschadens geschlossen war, sind rund 70 Teilnehmer zu sehen, die auf Stühlen sitzen und eine ökumenische Andacht feiern.

In der Olefer Kirche versammelten sich rund 70 Menschen zur ökumenischen Andacht.

„Der Tod darf nicht stärker sein als das Leben“, sagte Pfarrer Philipp Cuck in seiner Begrüßung. Er feierte die Andacht gemeinsam mit Schumacher. Der Organist der Schlosskirche, Andreas Warler, sorgte für die musikalische Gestaltung.

„Ich versinke in tiefem Schlamm“, so heißt in Psalm 69, den Schumacher mit der Gemeinde las, und der so etwas wie ein Standardtext in Flutzeiten geworden ist. Er sprach ein Gebet von Präses Thorsten Latzel, das dieser über das Foto eines im Flutschlamm gefundenen Kreuzes geschrieben hatte. Rund 70 Teilnehmer hatten sich in der frisch sanierten Kirche in Olef eingefunden.

Menschen bilden am Gemünder Marienplatz eine Kette

Nicht nur die Verwundungen der Menschen wurden deutlich, auch im Ambiente waren die Spuren der Katastrophe unverkennbar, als sich die Menschen am Freitagabend am Stein vor dem ehemaligen Ose-Gebäude zusammenfanden, der sich zu einem inoffiziellen Gedenkort in Gemünd entwickelt. Blumen, Kerzen und ein Kranz waren zum Gedenken niedergelegt. Wenige Schritte weiter markierte eine Schotterfläche die Stelle, wo mehrere flutgeschädigte Häuser am Marienplatz abgerissen werden mussten.

Gestaltet wurde das Treffen von Sabine und Hans Mießeler, die vom ersten Tag an flutbetroffene Menschen unterstützt haben und es bis heute tun. Nachdem er die Menschen begrüßt hatte, las sie ein selbst geschriebenes Gedicht vor, in dem sie ihre Gefühle im Rückblick auf die Zeit seit der Katastrophe zusammenfasste. „Eines Tages werden wir sagen: Geschafft! Doch woher nahmen wir die Kraft?“, heißt es darin.

Als um 20.45 Uhr die Glocken von St. Nikolaus zu läuten begannen, bildeten die rund 60 Menschen, die sich auf dem Marienplatz rund um den Stein eingefunden hatten, einen Kreis und griffen sich bei den Händen. Still gedachten sie der Ereignisse, als vor zwei Jahren die Urft hier mehrere Meter hoch durch die Straßen geflossen war.