Andreas Warler gewährte in Gemünd seltene Einblicke in die Orgel von St. Nikolaus und in seine Arbeit mit dem Instrument.
EinblickeOrganist zeigt, wie es hinter den Kulissen des Instruments in Gemünd aussieht
Sie kann laut, sie kann leise. Sie kann mächtig donnern und zart flöten. Die Orgel gilt als Königin der Instrumente. Die Vielfalt der Klangfarben und die zahlreichen Möglichkeiten mit den verschiedenen Hilfsmitteln, die sich Orgelbauer über die Jahrhunderte ausgedacht haben, haben ihr diesen Ruf verschafft. Doch so präsent auch ihr Klang in Gottesdiensten oder Konzerten ist: Eigentlich fristen die kostbaren und empfindlichen Instrumente ein unbeachtetes Dasein hoch oben auf der Empore, versteckt hinter Holzpaneelen und geschützt vor schädlichen Einflüssen.
Eine Gelegenheit, die Orgel der Pfarrkirche St. Nikolaus in Gemünd einmal kennenzulernen und all ihre Geheimnisse zu erfahren, bot Organist Andreas Warler. Auf Anregung der GfW Schleiden (Gesellschaft für Wirtschaft, Tourismus und Veranstaltungen mbH Schleiden) hatte er zu dem Termin eingeladen. Mehr als 20 Interessierte nutzten die Gelegenheit, die Orgelempore zu entern und Warler bei der Arbeit zu sehen. Kenntnisreich und detailliert informierte der seine Zuhörer über die verschiedenen Elemente dieses komplexen Instrumentes. So durften alle auch in den Raum gehen, in dem die Orgelpfeifen stehen.
Ohne Wind geht auch an der Orgel in Gemünd gar nichts
Eng ist es dort, so dass Balancieren angesagt war. In vielen Reihen stehen die Pfeifen, der Länge und nach Tonhöhen geordnet, auf den Windladen, über den die Luft hineingeblasen wird, um den Ton zu erzeugen. 2820 klingende Pfeifen hat die Orgel, die in 36 Registern angeordnet sind. Auch die Tonerzeugung erläuterte Warler. „Der Wind ist das Wichtigste“, stellte er klar. Er zeigte, wie der Ton in den verschiedenen Pfeifen entsteht, was Lippen- und was Zungenpfeifen sind, wie die Luft vom Blasebalg zu den Registern geführt wird, und auch, wie der Tastendruck vom Spieltisch zu den Pfeifen geleitet wird.
Dazu übernahm Mio Choki, die aktuell eine Lehre zum Orgelbauer bei der Firma Weimbs in Hellenthal absolviert, die auch die Gemünder Orgel gebaut hat. Choki führte die Besucher zum Wellenbrett, auf dem mit Holz- und Metallstäben, den sogenannten Abstrakten, die Ventile für die Pfeifen angesteuert werden. Einzeln führte Warler die Register, die den Klangfarben entsprechen, vor: Prinzipal, Vox Humana, Trompete oder Holzdulzian. Denn die Klänge, die die Gottesdienstbesucher hören, sind oft aus mehreren, miteinander gekoppelten Registern zusammengesetzt. So werden das Scharff oder die Quinte gerne eingesetzt, um den Klang, den der Organist wünscht, zu generieren. „Das ist zum Beispiel etwas, was ich gerne in Liedvorspielen einsetze“, sagte Warler über einen Klang.
Andreas Warler lüftet einige Geheimnisse der Kirchenorgel
Auch löste er das Rätsel, warum manche Register als „acht Fuß“ oder „vier Fuß“ bezeichnet seien. Damit sei einfach nur die Länge der Pfeifen gemeint, die zum Beispiel acht Fuß à 30 Zentimeter, also 2,40 Meter lang sind. Die größten Pfeifen in Gemünd sind 4,80 Meter lang.
Die Gäste hatten die seltene Gelegenheit, dem Organisten nicht nur über die Schultern, sondern auch über die Hüften zu gucken. Denn der spielt nicht nur auf den drei Manualen, sondern auch auf einer Reihe von Tasten, die mit den Füßen bedient werden. „Was sind denn das für Knöpfe?“, fragte eine Frau und lenkte damit die Aufmerksamkeit auf verschiedene Pedale, mit denen digital vorher einprogrammierte Registereinstellungen oder Klang- und Lautstärkeneffekte abgerufen werden.
Doch auch analog kann die Lautstärke verändert werden, wie Warler mit dem Schwellwerk deutlich machte. Bei dessen Betätigung mit einem Pedal drehen sich Holzstäbe und öffnen Schlitze vor einer Reihe von Orgelpfeifen, damit deren Töne ungehindert in das Kirchenschiff strömen können.
In Schleiden gibt es eine weitere Führung durch die Orgel
„So habe ich die Orgel noch nie erlebt“, sagte Susanne Leyendecker, die mit ihren drei Töchtern dabei war. Sonst sei der Organist ja nie zu sehen. Da Warler jedoch nach der Flut das Orgelpositiv im Altarraum gespielt habe, habe man ein anderes Verhältnis zum Orgelspiel bekommen. Interesse an der Orgel hat auch Volker Gehlen: Als Gottesdienstbesucher höre man sie, sehe sie aber nie. Am Ende der Führung hatten die Gäste die Gelegenheit, einmal selbst die „Königin der Instrumente“ spielen zu können.
Er freue sich, dass so großes Interesse an der Orgel bestehe, sagte Andreas Warler. Er wolle den Menschen das Instrument näherbringen, denn Details seien vielen unbekannt. Auch hätten die wenigsten eine Vorstellung, was ein Organist tatsächlich mache. „Viele wissen gar nicht, dass wir auch mit den Füßen spielen“, so Warler. Dass die Orgel fasziniere, zeige sich auch bei den Konzertreihen in der Schlosskirche in Schleiden an der alten König-Orgel. Zu den Donnerstagkonzerten kommen regelmäßig rund 40 Zuhörer.
Eine weitere Orgelführung findet in Schleiden statt: am Donnerstag, 19. September, nach dem Konzert zur Marktzeit um 11.30 Uhr. Dafür ist allerdings eine Anmeldung bei der Tourist-Info in Gemünd notwendig unter Tel. 02444/2011 oder per E-Mail unter tourismus@schleiden-eifel.com, da aufgrund des geringen Platzangebotes auf der Empore die Zahl der Teilnehmer auf zwölf begrenzt ist.
Panzer machten einst das Stimmen in Gemünd schwierig
1973 wurde die Orgel in St. Nikolaus von der Orgelbaufirma Weimbs aus Hellenthal konstruiert und eingebaut. Sie hat 2900 Pfeifen, von denen allerdings nur 2820 gespielt werden, da ein Register mit 80 Pfeifen stillgelegt ist. Das Instrument wurde bei der Flutkatastrophe im Sommer 2021 durch Feuchtigkeitseinflüsse beschädigt und kann erst seit dem Frühjahr 2024 wieder bespielt werden.
Orgelbauer Hermann Möres war auch zum Schnuppertag gekommen. Vor gut 50 Jahren hat er mit Meister Friedbert Weimbs damals die Orgel gebaut und so auch intime Kenntnisse über das Instrument. „Ich habe die Pfeifen dieser Orgel mehr als einmal in der Hand gehabt.“ Auch setzte er sich selbst an den Spieltisch und ließ die Orgel erklingen.
Die Orgel zu stimmen, sei durchaus schwierig gewesen, berichtete Möres. Denn der Lärm von der Straße sei viel zu groß gewesen. „Damals fuhren hier noch die Panzer entlang“, erinnerte er an die Zeiten, als der Truppenübungsplatz in Vogelsang aktiv war. Deshalb fanden sich die Experten nachts in der Kirche ein, um die Orgel zu stimmen, wenn weniger Verkehr war. (sev)