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Projekt für JahrzehnteAufbau des interkommunalen Archivs im Kreis Euskirchen hat begonnen

Lesezeit 4 Minuten
Eine Urkunde aus Schleiden aus dem Jahr 1521 präsentieren Lara Vogelsberg (l.) und Nicole Gutmann in einem Karton.

Eine Urkunde aus Schleiden aus dem Jahr 1521 präsentieren Lara Vogelsberg (l.) und Nicole Gutmann.

Das interkommunale Archiv für sechs Eifelkommunen hat Anfang 2024 seine Arbeit aufgenommen. Die beiden Archivarinnen haben noch viel zu tun.

Wenn sich Nicole Gutmann und Lara Vogelsberg um eines keine Sorgen machen müssen, dann ist es die Vorstellung, ihnen könnte einmal die Arbeit ausgehen. Die Leiterin des neuen interkommunalen Archivs hat zum 1. Januar 2024 ihre Arbeit aufgenommen, ihre Stellvertreterin etwas später. Nach gut einem halben Jahr sind sie sich einig: „Es wird wohl bis zu unserer Rente dauern, ehe alle Unterlagen der Archive in den Kommunen erschlossen und bearbeitet sind.“

Das interkommunale Archiv war am 1. Januar an den Start gegangen. Beteiligt an dem Projekt sind die Gemeinden Blankenheim, Dahlem, Hellenthal, Kall und Nettersheim sowie die Stadt Schleiden. Gutmann hatte sich schon seit 2016 um das Schleidener Stadtarchiv gekümmert, ihre Kollegin hat zuvor unter anderem Digitalisierungsprojekte privatwirtschaftlicher Unternehmen begleitet.

Rund 20 Prozent der Unterklagen werden archiviert

„Im ersten halben Jahr haben wir eine Bestandsaufnahme aller Archive durchgeführt und die weitere Vorgehensweise mit den acht Verwaltungsmitarbeitern abgesprochen, die die Archive in den Kommunen betreuen“, berichtet Gutmann. In der Regel gebe es für die Unterlagen in den Rathäusern keine speziell ausgestatteten Lagerräume. „Die Archivakten stapeln sich häufig auf dem Dachboden oder im Keller“, erzählt die Leiterin.

„Alle Kommunen haben zunächst einmal ein Zwischenarchiv, in dem alle Unterlagen zuerst gelagert werden. Rund 20 Prozent landen dann im Archiv, der Rest wird vernichtet“, sagt Vogelsberg. Bislang haben die Verwaltungsmitarbeiter in den Rathäusern die Spreu vom Weizen getrennt. Jetzt übernehmen Gutmann und Vogelsberg die Auswahl. „Wir müssen alle Unterlagen sichten, weil nur wir wissen, was in den Archiven schon vorhanden ist und was noch benötigt wird. Wir wollen alle Lebenswirklichkeiten der Menschen abbilden“, betont die Leiterin. Ziel sei die Erhaltung des kulturellen Erbes und die Zugänglichmachung der Archivalien für die interessierte Öffentlichkeit.

Blick in ein Buch mit Geburtsurkunden aus der Zeit um 1800 aus dem Ort Dreiborn.

In den Geburtsurkunden aus der Zeit um 1800 aus dem Ort Dreiborn steht noch das französische Wort Mairie für Bürgermeisterei.

Blick in ein Protokollbuch aus Stadtratssitzungen 1946.

Auch Protokolle alter Stadtratssitzungen werden überliefert. In einer Passage geht es um den Haushalt der „Stadtgemeinde“ Schleiden für das Jahr 1946.

Die beiden Archivmitarbeiterinnen müssen aber nicht nur Arbeitsrückstände der vergangenen Jahrzehnte abarbeiten, sondern auch die Digitalisierungsprojekte in den Verwaltungen begleiten. Denn das Archivgut der Zukunft wird zumindest teilweise nicht mehr in Papierform, sondern digital entstehen und archiviert werden müssen. Dann können auch die Mitarbeiter in den Verwaltungen darauf zugreifen und sich den Weg ins Archiv sparen.

Zahlreiche Akten in Kall wurden bei der Flut beschädigt

„Aktuell sind wir fast wöchentlich einmal in jedem Rathaus, um eine engmaschige Betreuung sicherzustellen“, erklärt Vogelsberg. Besondere Eile herrsche in Kall und in Blankenheim, wo die Archive wegen Baumaßnahmen umziehen müssten: „Da müssen schnell Bewertungen getroffen werden.“

„In Kall wurden das Zwischen- und das Endarchiv weggespült oder beschädigt. Da laufen jetzt die Konservierungsmaßnahmen von Fachfirmen“, berichtet Gutmann. Die Akten würden vom Schlamm befreit, in Folie eingewickelt und anschließend gefriergetrocknet. „Dann werden sie wieder aufgetaut, und jede einzelne Seite wird gereinigt.“

Das soll Staub und Dreck abhalten und verhindern, dass das Papier von Silberfischen gefressen oder von Schimmel befallen wird.
Nicole Gutmann

Mit Fachleuten vom Landschaftsverband Rheinland, dessen Archivberatungs- und Fortbildungszentrum das Archivprojekt in der Eifel unterstützt, haben sich Gutmann und Vogelsberg auch die Lagerungsbedingungen in den Rathäusern angesehen. „Wir warten jetzt auf das Gutachten und müssen dann mit den Städten und Gemeinden sprechen“, führt Gutmann aus.

Für die dauerhafte Lagerung werden die Archivalien mittels einer Software geordnet und erfasst sowie von schädigenden Materialien wie Metallteilen befreit und in archivtaugliche Hüllen und Kartons verpackt. „Das soll Staub und Dreck abhalten und verhindern, dass das Papier von Silberfischen gefressen oder von Schimmel befallen wird“, erläutert Gutmann.

Archive sollen für Heimatforscher geöffnet werden

Die Pflege ihrer Archivbestände, zu denen beispielsweise Personenstandsregister gehören, ist eine Pflichtaufgabe der Kommunen. Wichtige Informationen können aber auch Akten von Eigenbetrieben und anderen Institutionen in kommunaler Trägerschaft sowie Unterlagen aus Privatnachlässen oder Vereinen liefern.

Wichtig ist Gutmann die Öffnung der Archive für Ahnen- und Heimatforscher, die selbst wichtige Informationen liefern: „Bislang kommt man nur in die Archive in Dahlem und in Schleiden nach Terminabsprache rein.“

In Blankenheim gibt es im Archiv noch alle Akten aus der NS-Zeit

Die älteste Urkunde aus der Stadt Schleiden stammt aus dem Jahr 1521 und regelt eine Erbschaftsangelegenheit. „Bei den anderen Kommunen können wir das noch nicht genau sagen, aus welcher Zeit die ältesten Stücke stammen“, so Gutmann. Die Zahl der Archivakten sei in allen Kommunen etwa gleich hoch, trotzdem gebe es auch Unterschiede. „In Blankenheim beispielsweise sind fast alle Akten aus der NS-Zeit erhalten.“

Gutmann ist Archivarin geworden, „weil sie Geschichte liebt und sie bewahren will“. Außerdem sei jedes Stück, mit dem sie zu tun habe, ein Unikat. Für Vogelsberg, die aus Nettersheim kommt, ist es interessant, Einblicke in ihre Heimatregion zu bekommen: „Manchmal liest man die Namen von Vorfahren und erfährt zum Beispiel, wie sie sich in der NS-Zeit verhalten haben.“