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ArchivWie Blankenheim das Gedächtnis der Gemeinde erhalten will

Lesezeit 4 Minuten
Eine Frau und vier Männer halten Schachteln mit Material aus dem Blankenheimer Gemeindearchiv in den Händen.

Erste Teile bisher kaum geschützter Dokumente aus den Jahren 1940 bis 1970 sind umgelagert. Die Aktion stellten Michelle Karschat (v.l.), Archivdienstleister Michael Grouls und Erwin Nelles sowie Gregor Patt und Juliano De Assis Mendonça vom LVR vor.

Das Chaos im Blankenheimer Archiv wird beendet. Das Material wird umgelagert, aufgearbeitet und zugänglich gemacht.

Im kommenden Jahr starten die Kommunen im Südkreis eine interkommunale Zusammenarbeit zur Digitalisierung ihrer Archive. Im Vorlauf hat sich die Gemeinde Blankenheim die Dienste eines Experten über einen Zuschusstopf des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) gesichert.

Was digitalisiert und der Öffentlichkeit in großen Teilen zugänglich gemacht werden soll, muss erst einmal dafür aufbereitet werden. So einfach könnte man zusammenfassen, was jetzt im Gemeindearchiv von Blankenheim für einige Ordnung in der bisherigen Unordnung gesorgt hat. Vor allem geht es um das Archivgut der Jahre zwischen 1940 und 1970, also der Zeit vom Zweiten Weltkrieg bis zur kommunalen Neugliederung, beschlossen im Juni 1969.

Das Blankenheimer Archiv lagert bisher in einem Schulkeller

Die Archivalien dieser Jahre lagern bisher in Kellerräumen der Gesamtschule Eifel. Warum diese zeitliche Einschränkung? Ältere Archivalien ab 1900 sind schon erfasst. Und das Material ab 1970 ist zum Teil noch im Dienstgebrauch und damit nicht archivierbar.

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Historische Dokumente aus dem Jahr 1944 liegen in einem Pappkarton.

Auch Dokumente des Arbeitsamtes Blankenheim von 1944 zu den Zwangsarbeitern im Gemeindegebiet lagern in dafür wenig geeigneten Pappkartons.

In den Lagerräumen der Schule bot sich Michael Grouls aus Königswinter allerdings ein eher schlimmes Bild. Er ist der von der Gemeinde beauftragte Archivdienstleister, der sich im August und September einen ersten Überblick vor Ort verschafft hat. In säurehaltigen, alten Pappschachteln lagern die Archivalien mehr oder weniger kaum vor Feuchtigkeit und möglichem Schädlingsbefall geschützt. Metallteile wie Büroklammern oder Schnellhefter gefährden zusätzlich die Papier- und Pappseiten der darin gelagerten Dokumente.

Dass das kein Zustand ist, wissen sie auch im Blankenheimer Rathaus. Speziell Verwaltungsmitarbeiterin Michelle Karschat hatte ein Auge drauf – und entdeckte einen Fördertopf für die kommunale Archivarbeit beim LVR. Ein Förderantrag wurde aufgesetzt, der für die zwei Monate Arbeit von Experte Grouls Unterstützung bei den 9429 Euro Gesamtkosten vorsah. Der LVR übernahm davon 40 Prozent davon.

Was noch nicht erfasst ist, lagert wie bisher wie Kraut und Rüben in den Regalen.
Erwin Nelles, Allgemeiner Vertreter der Bürgermeisterin

„Dass die Gemeinde Blankenheim und Frau Karschat die Fördermöglichkeit auch genutzt haben, ist beileibe nicht der Normalfall bei den Gebietskörperschaften, die der LVR betreut“, so Gregor Patt, Teamleiter Archivberatung beim LVR. Er betreut zusammen mit Juliano De Assis Mendonça, Referent im Fachbereich des LVR, den Kreis Euskirchen in der Sache. In Blankenheim präsentierten die beiden LVR-Mitarbeiter und Experte Grouls einen Vorher-Nachher-Effekt: Zum einen die bisher gebräuchlichen Pappkartons, daneben säurefreie Aufbewahrungsboxen, die derzeit in den Archiven als Standard gelten.

Auch die Debatten um die Neugliederung 1969 werden bewahrt

Im Blankenheimer Keller-Archiv hat Michael Grouls so bisher 22 fortlaufende Meter, an die 300 Aktenordner gesichtet, alle Metalle entfernt und die Dokumente sorgfältig umgepackt. „Mindestens die dreifache Menge ist allerdings noch auf diese Weise neu zu sortieren“, schätzt Grouls. Er erstellt zudem für die Dokumente in den neuen Kartons eine neue Signatur und überträgt sie in einen Katalog für die Benutzung. „Was noch nicht erfasst ist, lagert wie bisher wie Kraut und Rüben in den Regalen“, so Erwin Nelles, Allgemeiner Vertreter von Bürgermeisterin Jennifer Meuren.

Ob Dokumente zu Vertragsverhältnissen, Schriftverkehre, Sitzungsunterlagen oder auch die Dokumentation der Auseinandersetzungen um die kommunale Neugliederung 1969: Alles ist nachlesbar in diesem Chaos, wenn man es zu finden weiß. „Bei der Neugliederung war ja erst die Absicht, die heutige Gemeinde Blankenheim Gemeinde Oberahr zu nennen“, erinnert sich Erwin Nelles. Das sei damals in letzter Minute durch die Fahrt einiger Blankenheimer nach Düsseldorf zum Landtag verhindert worden.

Unterlagen der Zwangsarbeiter und Impflisten lagern in den Kartons

Spannend dürften auch Unterlagen aus dem Arbeitsamt Blankenheim und dem Jahr 1944 sein, in denen es um die Zwangsarbeiter im Gemeindegebiet geht. Der Journalist Franz-Albert Heinen, der die vielgelobte Wanderausstellung zum Thema mitverfasst hat, recherchierte dafür ebenfalls im Blankenheimer Gemeindearchiv. Die Ausstellung macht gerade Station im Eifelmuseum an der Ahrstraße, wo sie am Donnerstag eröffnet wurde.

Anderes Material, das Archivfachmann Grouls ebenfalls sichtete, wird im Gegensatz dazu wohl auch nach erfolgter Digitalisierung in den kommenden Jahren nicht der Allgemeinheit online zur Verfügung stehen können. Im jetzt betrachteten Zeitraum zwischen 1940 und 1970, etwa bis Ende der 1950er Jahre, wurden an den Grundschulen Impflisten erstellt. „Es wurden so auch Impfgegner erfasst, die Namen der Kinder, deren Eltern sich gegen eine Schutzimpfung ausgesprochen hatten. Diese Namen unterliegen natürlich dem Datenschutz“, so Gregor Patt vom LVR.

Auch wenn nicht alles online verfügbar gemacht werden kann – für Erwin Nelles macht die Arbeit grundsätzlich Sinn: „Es geht darum, das Gedächtnis der Gemeinde zu erhalten.“