Late-Night-Show für FlutregionAnnette Frier unterstützt Betroffene mit Livestream
Schleiden-Vogelsang – Bis es wieder hell wird. Hätte sich diese selbst gesetzte Vorgabe auf das Tageslicht bezogen, dann hätte Annette Frier das Ziel nicht erreicht. Von 18 bis etwa 1.30 Uhr streamte sie in der Nacht auf Samstag ihr neues Format aus dem Kulturkino in Vogelsang – direkt von ihrem Kanal auf der Social-Media-Plattform Instagram in die deutschen Haushalte. Doch um Tageslicht ging es ihr nicht. Das eigentliche Thema war das verheerende Hochwasser, das genau sechs Monate vorher eine Schneise der Verwüstung durch die Eifel gezogen hatte. Es ging um das immer noch alltägliche Leid der Betroffenen.
„Die Idee ist, Normalität zu bringen, wo keine ist. Trost zu geben, damit man nicht alleine ist, und am besten auch etwas Blödsinn“, sagte Annette Frier im Gespräch vor ihrem Auftritt. Das Kulturkino in Vogelsang sei wegen seiner Nähe zu Gemünd, dem schwer von der Flut getroffenen Eifelstädtchen, bewusst als Veranstaltungsort gewählt worden. „Ich bin oft in Gemünd“, so die Schauspielerin.
Spenden sollen auch der Kultur zugutekommen
Das Hochwasser habe sie sehr unwirklich erlebt, sagte sie. Während sie im Urlaub in Spanien gewesen sei, habe ihr Sandra Lehmann, Geschäftsführerin der Eifel-Chalets in Gemünd, am Morgen des 15. Juli die ersten Fotos von den Verwüstungen auf das Handy geschickt. Später habe sie mit vielen anderen Menschen geredet, auch mit der Fernsehproduzentin Dietlinde Stroh. Strohs Lebensgefährtin betrieb eine Apotheke in Altenahr, die in der Flutnacht zerstört wurde. „Nach dem 50. Gespräch habe ich gesagt: Wir machen das!“, sagte Frier.
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So wurde die Bühne des Kulturkinos zum Fernsehstudio. Kulisse waren die leeren Stuhlreihen, die allerdings – sollten die Corona-Regeln es zulassen – bei den nächsten Ausgaben mit Publikum besetzt sein sollen. Denn auch wenn diesmal alle Beteiligten für Gottes Lohn an den Start gingen, so sei doch geplant, die Kulturschaffenden in Zukunft zu bezahlen. Denn diese seien schließlich besonders stark von der Corona-Krise gebeutelt. Die Geldbeträge, die auf das während der Sendung eingeblendete Spendenkonto der Stadt Schleiden eingehen, sollen auch der Kultur zugutekommen, so Frier.
Gäste empfing Frier auf Polstersesseln
Ähnlich einer Late Night war der Abend aufgezogen. Neben Frier saßen seitlich als „Sidekicks“, die stets Redebeiträge einbringen durften, Stroh und der Pianist Vladimir Burkhardt, der die Gespräche in kleine, musikalische Kommentare zusammenfasste. Die Gäste selbst empfing Frier auf Polstersesseln.
Als Gäste waren dabei die Schauspielerin Cordula Stratmann, Michael Melles, der sich über die Kölner Bürgergesellschaft in den Flutgebieten engagiert hatte, der Autor und Förster Peter Wohlleben, Kalenborns Ortsbürgermeisterin Annette Winnen, der Autor Andy Neumann sowie die Schauspielkollegen Ina Cross, Volker Büdts und Sascha Schiffbauer. Auch Sandra Lehmann aus Gemünd und der Kölner DJ André Schild waren mit dabei – zeitweise zugeschaltet war zu einem Gespräch die Journalistin Dunya Hayali.
Unterhaltsamer Abend ohne jeden Zeitdruck
Teilweise stundenlang plauderte Frier mit ihren Gästen, wobei sie souverän das weite Feld zwischen Tief- und Blödsinn auslotete. Denn ohne Humor und herzliches Lachen sollte der Abend nicht verlaufen. „Ich meine das mit der Komik sehr ernst“, sagte Stratmann, die auch als systemische Familientherapeutin tätig ist. Wenn die Heiterkeit stürbe, seien die Menschen schnell am Ende, betonte sie.
So entwickelte sich ohne jeden Zeitdruck ein unterhaltsamer Abend, der trotzdem viel Informationen über die genau sechs Monate zurückliegenden Ereignisse wie auch über die augenblicklichen Verhältnisse lieferte. Unter anderem berichtete Lehmann, die Frier mit Fotos über die Katastrophe informiert hatte, wie sie im Gemünder „Eifel Chalet“ die Stornierungen von Gästen dazu nutzten, um die durch die Flut obdachlos gewordenen Anwohnern unterzubringen. Noch heute würden drei Familien bei ihnen wohnen, berichtete sie.
Veranstaltungsreihe im Zwei-Monats-Rhythmus
Mit den alten Kollegen aus der Schauspielschule veranstaltete Frier vor der Internetkamera ein Klassentreffen, bei dem Anekdoten aus der gemeinsamen Zeit ausgetauscht wurden. Zu Beginn schalteten sich laut der Anzeige auf dem Instagramkanal von Frier rund 600 Zuschauer ein. Dauerhaft verfolgten um die 300 Beobachter das Geschehen.
Bis es wieder hell wird und Normalität in den Flutgebieten eingekehrt ist, soll die Veranstaltungsreihe im Zwei-Monats-Rhythmus weitergeführt werden, so kündigte es Frier an. Stets am 14. jedes Monats. Die nächsten Termine stehen bereits fest. Am 14. März ist ein Comedy-Abend mit prominenten Gästen wie Bastian Pastewka, Bettina Lamprecht, Moritz Netenjakob und Chris Geletneky geplant. Wenn möglich, dann findet der Comedy-Abend mit Publikum statt. Am 14. Mai folgt eine Lesung von Frier mit Christoph Maria Herbst über Ehekrach in der Weltliteratur: „Schöner Streit mit Schopenhauer“, sagte Frier dazu.