Mit dem Mahnmal soll in der Schleidener Innenstadt allen Opfern gedacht werden, nicht mehr nur speziellen Gruppen. Auf dem Platz wurde in der NS-Zeit ein Amerikaner ermordet.
ErinnerungskulturMahnmal für NS-Opfer in Schleiden enthüllt – Landrat findet mahnende Worte

Rund 200 Menschen nahmen an der Enthüllung des Mahnmals auf dem Platz vor dem Alten Rathaus in Schleiden teil.
Copyright: Stephan Everling
Nun ist es da, das Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus im Stadtgebiet Schleiden, das sich nicht auf eine Gruppe beschränkt, sondern versucht, alle mitzunehmen, die unter der Terrorherrschaft im Dritten Reich gelitten haben. Und das an einer sehr markanten Stelle: vor dem Alten Rathaus der einstigen Kreisstadt, an der verkehrsreichen Ampelkreuzung auf der Bundesstraße in Richtung Hellenthal, direkt gegenüber dem Städtischen Gymnasium, wie Schleidens Bürgermeister Ingo Pfennings betonte.
Jetzt wurde das Mahnmal feierlich enthüllt. Dabei war der Termin bewusst gewählt, war es doch der 80. Jahrestag des Abzugs der alliierten Truppen aus Schleiden und damit der Befreiung der Opfer des NS-Terrors. Rund 200 Besucher sorgten für einen würdigen Rahmen der Veranstaltung.
Lob von Historiker und Experten der NS-Zeit für Schleidener Mahnmal
Ein Lob kam aus berufenem Mund. „Der Stadtrat hat alles richtig gemacht“, sagte der Journalist Franz-Albert Heinen in seiner Rede, kurz bevor die Tafel in der Mitte des aus sechs Eisenstelen gebildetem Kreis enthüllt wurde. Ein bisschen war das auch ein Eigenlob, denn eigentlich hatten die Stadtverordneten sich vor allem nach dem gerichtet, was der langjährige Redakteur dieser Redaktion und unermüdliche Erforscher der NS-Zeit in der Eifel gemeinsam mit dem Arbeitskreis „Erinnerungskultur“ entwickelt hatte.

In die Details der Gestaltung führte der Journalist Franz-Albert Heinen ein.
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Auf welche breite gesellschaftliche Akzeptanz das Mahnmal in Schleiden trifft, zeigte auch die rege Beteiligung an der Enthüllung. Daran nahmen neben Pfennings auch die Ex-Bürgermeister Alois Sommer und Udo Meister, die Polizei, die Feuerwehr, Vertreter der beiden christlichen Kirchen, mehrere Mitglieder des Schleidener Rates einträchtig mit den „Omas gegen rechts“, Schülern des Schleidener Gymnasiums und den Initiativen für das Gedenken an die Opfer der NS-Zeit aus anderen Orten und noch viele mehr teil.
Günter Rosenke hatte wichtigen Anteil an Gedenken in Schleiden
Mit dabei waren auch Landrat Markus Ramers, der die Eröffnungsrede hielt, und dessen Vorgänger Günter Rosenke. Dass Rosenke einen gewichtigen Anteil an der Entstehung des Mahnmals hatte, kam dabei nicht zu kurz. „Als ich ihn 2018 angesprochen habe, ob es nicht Zeit sei, den Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen im Kreis ein Denkmal zu setzen, entgegnete er, erst einmal solle das Thema für alle mit einer Ausstellung präsent gemacht werden“, erinnerte sich Heinen.

Die Schrifttafel enthüllten Schüler des städtischen Johannes-Sturmius-Gymnasiums, das gegenüber dem Mahnmal liegt.
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Die Wanderausstellung, die daraufhin entstanden sei, sei in Vogelsang zum ersten Mal vorgestellt und anschließend in allen Rathäusern des Kreises gezeigt worden. Anschließend sei in Schleiden der sechsköpfige Arbeitskreis Gedenken gegründet worden. Schon bei der ersten Anfrage sei die Bürgerstiftung Schleiden eingestiegen und zum Partner und Träger des Projektes geworden.
Der Anspruch, allen Opfergruppen gerecht zu werden, dokumentiere den Wandel in der Erinnerungskultur, nicht einzelnen Gruppen Aufmerksamkeit zukommen zu lassen und damit wieder andere auszugrenzen, sondern die Untaten der Nationalsozialisten, ihre Unmenschlichkeit und Mordlust im Ganzen ins Visier zu nehmen.
Sinti und Roma sowie Homosexuelle nicht explizit erwähnt
Sechs Gruppen von Menschen aus den Stadtgebiet, deren Schicksal dokumentiert ist, hat der Arbeitskreis Erinnerungskultur definiert: die jüdischen Opfer des Holocausts, die Menschen, die zur Zwangsarbeit in die Eifel verschleppt wurden und die Kriegsgefangenen. Dazu kommen die Menschen, die unter dem Begriff der „Rassenhygiene“ ermordet oder verstümmelt wurden, die politisch Verfolgten und die Opfer der Gestapo, des „zentralen Terrorinstruments des nationalsozialistischen Regimes“, wie es die ausgezeichnet recherchierte Begleitbroschüre zum dem beschreibt.
Dass Sinti und Roma sowie homosexuelle Opfer nicht explizit im Text auf der Erinnerungstafel erwähnt worden seien, habe einen einfachen Grund, so Heinen: „Es gibt keine Beispiele aus dem Stadtgebiet.“ Allerdings könnten diese aufgrund der offenen Formulierung in die Gruppen Eingang finden. Auch gebe es eine Dokumentation, die über einen QR-Code am Mahnmal zugänglich und jederzeit aktualisierbar sei, betonte er. „Heute bin ich noch nicht so schlau wie morgen“, verweist er auf die sich ständig weiterentwickelnden Ergebnisse der intensiven Aufarbeitung der Ereignisse während der NS-Diktatur.
Landrat mahnt, bei Menschenfeindlichkeit nicht wegzusehen
Wie wohlfeil ein Gedenken zu haben ist, wird bei dem Projekt auch deutlich. Rund 15.000 Euro habe das Mahnmal insgesamt gekostet, so Stadtkämmerer Marcel Wolter. 10.000 Euro übernahm davon die Bürgerstiftung Schleiden, weitere Zuwendungen habe es von der Kreissparkasse Schleiden und der VR-Bank Nordeifel gegeben.
„So ein Denkmal gehört in das Herz der Stadt Schleiden“, betonte Pfennings. Das Thema, die schwärzeste Stunde der deutschen Geschichte, sei wieder aktuell. „Es ist Teil der Geschichte und darf nie wieder Gegenwart werden“, forderte er.
Das Mahnmal erinnere daran, wie die Menschenwürde mit Füßen getreten worden sei, betonte Landrat Markus Ramers in seiner Rede. Es klinge banal, doch das Höchste sei, zu wissen und auszuhalten, dass es so und nicht anders gewesen sei, zitierte er die amerikanische Publizistin Hannah Arendt.
„Es geht um nichts Abstraktes“, sagte Ramers angesichts der Millionen von Opfern und verlas den Liedtext des Sängers Reinhard Mey über „Die Kinder von Isieux“, eine Gruppe von 44 jüdischen Waisenkindern, die von der Gestapo 1944 in einem französischen Kinderheim mit ihren sieben Betreuern verhaftet und nach Auschwitz-Birkenau deportiert wurden. Doch es gebe auch die Geschichten der Opfer aus dem Schleidener Tal.
„Allen diesen Menschen widmet die Stadt ein Mahnmal und gibt ihnen ein Stück Würde zurück“, so Ramers. Sie seien Menschen gewesen, keine Nummern oder Zahlen. Einige der Täter seien im Stadtgebiet ausgebildet worden. Und viele hätten in der Zeit weggesehen. „Menschenfeindlichkeit wird nicht nur durch die Täter möglich, sondern auch durch die, die es geschehen lassen“, mahnte er.
Auf dem Schleidener Platz töteten Nazis einen Amerikaner
Das Mahnmal für die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in der Stadt Schleiden besteht aus sechs senkrechten, 2,60 Meter hohen Eisenstelen, für jede Opfergruppe eine, die im Kreis angeordnet sind. Im oberen Teil sind sie abgeknickt, sodass in der Stele eine Kerbe, ähnlich einer offenen Wunde, entsteht. Wie ein Schirm, so die Initiatoren, würden sie sich schützend über den Opfern zusammenstellen. Gleichzeitig aber erinnern sie auch an die im oberen Teil überhängenden Pfähle, an denen der Stacheldraht für die Umzäunungen der Konzentrations- und Gefangenenlager befestigt wurde.
Entworfen und gestaltet wurde es von dem Monschauer Metallbildhauer Peter Henn. Mit seinem Konzept gewann er gegen drei Konkurrenten den Gestaltungswettbewerb, den der Arbeitskreis ausgeschrieben hatte.

Der Monschauer Schmied Peter Henn hat das Mahnmal geschaffen.
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Der Platz vor dem Alten Rathaus ist nicht nur zentral, sondern auch geschichtsträchtig. Denn wenige Meter von dem Mahnmal entfernt, wie Franz-Albert Heinen in seiner Rede erinnerte, wurde der amerikanische Pilot Quincy Brown ermordet, als er nach seinem Absturz zum Arzt gebracht wurde.
Der damalige Hellenthaler Bürgermeister Wilhelm Fischer und der SD-Führer Rudolf Seidel hatten ihn unter Beifall und Beteiligung einer Menschenmenge angegriffen und misshandelt. Schließlich schoss Seidel auf den Mann und forderte im Weggehen einen der Umstehenden auf, den Mann mit einem zweiten Schuss zu töten. Bis heute hat an dieser Stelle keine Tafel an diesen Mord erinnert.