Euskirchen – Das Hochwasser von Mittwoch hat auch vor dem Seniorenzentrum des Marien-Hospitals im Tuchmacherweg nicht halt gemacht. „Das Seniorenzentrum befand sich sozusagen im Epizentrum des Desasters“, sagt Marien-Hospital-Geschäftsführer Andreas Schultz.
80 Bewohner ziehen um
Keller und Erdgeschoss des Theodor-Rövenich-Hauses wurden überflutet. Strom gibt es nicht. Eine Versorgung der Bewohner ist nicht mehr zu gewährleisten. Seit Samstag werden alle Senioren, 80 an der Zahl, nach und nach in andere Einrichtungen vermittelt oder von Familienangehörigen mitgenommen. Ein Teil der Bewohner zog ins Marien-Hospital um. Rund 40 Pfleger gingen mit und versorgen sie dort. Zusätzlich wurden umliegende und entferntere Einrichtungen um Hilfe gebeten. Von Weilerswist bis Düsseldorf konnten die Betroffenen vermittelt werden.
Am Eingang spielten sich bewegende Szenen ab. Pflegekräfte und Mitarbeiter verabschiedeten die abfahrenden Senioren. Tränen flossen auf beiden Seiten. Viele lagen sich zum Abschied noch mal in den Armen. Alle sind betroffen. Keiner weiß, was kommt.
Die Feuerwehr hatte schon am Freitag mit dem Abpumpen begonnen und das THW einen Tag später mit größeren Pumpen die riesige Kellerfläche von Wasser befreit. Ob das ausgereicht hat, bleibt offen. Überall riecht es noch immer nach Heizöl.
„Es tut weh, sie von hier wegzuholen.“
Renate Gabel trug mit ihrem Sohn die Lampen und Möbel ihrer Mutter aus dem Seniorenzentrum. „Unsere Mutter hat in Blankenheim ein Heim gefunden. Dort ist sie sicher und gut versorgt. Wir sind erleichtert, dass es weitergeht. Es war ein Schock, als wir hörten, dass evakuiert wird. In unserem Zuhause steigt und sinkt der Wasserpegel im Keller noch hin und her.“
Auch Dr. Hubertus Rüber holte seine Mutter ab. Sie sitzt im Rollstuhl und wird nun erst einmal bei ihrem Sohn leben. „Das Heim war gut,“ sagt er traurig, „es tut weh, sie von hier wegzuholen.“ Seine Mutter, Dr. Marianne Rüber, wirkte dennoch gefasst. Die Hoffnung, zurückkehren zu können, nahmen die beiden beim Verlassen mit. „Im Zentrum des Handelns steht das Wohl der uns anvertrauten Menschen“, sagt Andreas Schultz. Die Evakuierung sei der Leitung sehr schwer gefallen.
Im Bereich Betreutes Wohnen soll es in den nächsten Tagen auch vorangehen. Im Erdgeschoss ist alles Mobiliar der Bewohner durch den Schlamm vernichtet. „Ich habe niemanden, der mir die dreckigen Teile aus der Wohnung und dem Kellerraum schafft“, berichtet Rosemarie Schmitz und erzählt unter Tränen, dass sie erst vor einem Jahr die Möbel gekauft hat. Vorübergehend hat sie einen Platz bei ihrer Schwester gefunden. Dort kann sie nicht lange bleiben. Wohin es dann geht, weiß sie noch nicht. Eine Pflegerin versprach ihr, dass man sich kümmern werde, sobald alle hilfloseren Personen in Sicherheit sind. Bei allem Kummer ist Rosemarie Schmitz noch imstande, das Gute zu sehen: „Mit dem Essen funktioniert es sehr gut.“ Und lachend gestand sie einer Pflegerin: „Mein Zucker ist runter durch die Aufregung.“
Herzzerreißende Szenen
Das Hochwasser ist anscheinend besonders für die älteren Menschen sehr schwer zu verarbeiten. Nichts ist mehr, wie es war. Vor dem Seniorenzentrum spielen sich minütlich herzzerreißende Szenen ab. Autos fahren vor, Zimmer werden geräumt, geliebte Angehörige mitgenommen.
„Die Oma meiner Frau ist doch Familie“, erzählt Christoph Reiser, ein junger Mann, der aus Krefeld gekommen ist, um die Sachen der Großmutter nach Kommern in den Orchideengarten zu bringen. „Als Familie hilft man sich. Das ist doch selbstverständlich.“
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In Kürze soll geprüft werden, ob die durchtränkten Kellerwände das Gebäude weiterhin tragen können. Dann entscheidet sich, ob die Bewohner in das beliebte Heim zurückkehren können. In den nächsten Tagen können auch die letzten Bewohner in eine andere Unterkunft wechseln. Wie lange das sein wird, das kann momentan niemand sagen.