Zülpich-Schwerfen – Die Zülpicher Verwaltung wird ungeduldig. Der Grund: Auch knapp drei Jahre nach dem so genannten Jahrtausend-Hochwasser vom 21. Juli 2016 ist die Verbesserung des präventiven Hochwasserschutzes in Schwerfen noch nicht über die Theorie hinaus. Auf bauliche Veränderungen und in die Praxis umgesetzte Konzepte warten die Schwerfener seither vergebens. Die Verwaltung habe nun den Druck auf den Erftverband und die Untere Wasserbehörde erhöht, heißt es in der Vorlage für den Strukturausschuss am Donnerstag. Die Maßnahmen zur Verbesserung des Hochwasserschutzes sollen laut Verwaltung „nun endlich von der Planungs- in die Realisierungsphase überführt werden.“
Dr. Christian Gattke vom Erftverband sagte in einer der vorherigen Ausschusssitzungen über die Regenmenge, die am 21. Juli über Kommern und Umgebung vom Himmel kam: „Wir haben in Glehn 85 Liter pro Quadratmeter gemessen – innerhalb von nur einer Stunde. Eine solche Niederschlagsmesse haben wir vom Erftverband noch nie gemessen.“ Was sich in Kommern, Sinzenich und Schwerfen ereignet habe, sei kein „Jahrhundert-, sondern ein Jahrtausend-Hochwasser“ gewesen. „Beim 100-jährlichen Hochwasser gehen wir von einer Wassermenge von 48 Litern pro Quadratmeter aus. Damals war es fast doppelt so viel“, erläuterte der Experte.
130.000 Euro in Hochwasserschutz
Der Erftverband schätzt die damals entstandenen Schäden in Schwerfen auf etwa 550.000 Euro. Schäden seien aber schon bei deutlich weniger Niederschlag als 2016 zu erwarten, teilt der Erftverband jetzt mit. Bereits bei einem 20-jährlichen Hochwasser drohten Schäden von bis zu 350.000 Euro. Um das zu verhindern, will der Erftverband nun den Hochwasserschutz deutlich erhöhen und dazu rund 130.000 Euro investieren. Ziel ist es, in Schwerfen einen Abfluss von 13 Kubikmetern pro Sekunde zu gewährleisten – das würde der Regenmenge entsprechen, die statistisch einmal alle 50 Jahre vom Himmel fällt.
Retentionsräume (lat. retenire = zurückhalten) sind die an den Flüssen und Bächen seitlich gelegenen Flächen, auf denen sich bei Hochwasser das Wasser ausbreiten und ansammeln kann. Es fließt dort nur noch langsam oder steht. In Schwerfen ist laut Erftverband denkbar, gleich mehrfach solche Retentionsräume zu schaffen.
Durch Querriegel und Gewässereinengung könne ein zusätzliches Volumen von 3.000 Kubikmetern erreicht werden. Durch Abgraben des Geländes könnte es sogar auf 4.700 erhöht werden. Werde zusätzlich auch das Gewässerprofil oberhalb der Brücke am Schützenhaus eingeengt, könne dort nochmals Retentionsraum in einer Größenordnung von 1.400 Kubikmetern geschaffen werden.
„Insgesamt trägt die Maßnahme zum nachhaltigen Hochwasserschutz bei“ heißt es seitens des Erftverbandes. (tom)
Der Erftverband plant unter anderem die Vergrößerung des Fließbereichs des Rotbachs. Zudem soll der Böschungsbereich an der Alten Bachstraße erhöht werden. Auch die Auenretention oberhalb von Schwerfen soll erhöht werden, um dem Hochwasser mehr Platz zu geben. Dem Erftverband schwebt außerdem vor, zusätzlicher Retentionsräume in Höhe des Sportplatzes zu schaffen (siehe „Retentionsräume“). Der Erftverband hat im Bereich der Virnicher Straße gleich mehrere Problemstellen ausgemacht. Zum einen trete dort der Rotbach bereits ab einer Abflussmenge von 5,5 Kubikmetern pro Sekunde übers Ufer. Zum anderen läuft im Übergangsbereich Alte Bachstraße/An der Gülichsburg der Rotbach schon ab sieben Kubikmetern Wasser pro Sekunde über. Zudem bildet sich dem Erftverband zufolge entlang der Straße An der Gülichsburg ein kritischer Strömungsweg, der bei Hochwasser die Überflutung entlang der Straße bis in den nördlichen Bereich leitet – dadurch würden mehrere Gebäude und Häuser mit Wasser volllaufen.
Präventiver Hochwasserschutz für Sinzenich nimmt konkrete Formen an
Der Erftverband möchte dem Rotbach mehr Platz bieten und den Gewässerquerschnitt innerhalb Schwerfens auf einer Länge von 75 Metern vergrößern. Zudem soll an der Alten Bachstraße die linke Böschungsseite erhöht werden. Eine Möglichkeit stellt die Erhöhung des Bordsteins an der linken Straßenseite dar. Dies habe den Vorteil, dass der Straßenraum weiterhin als Abflussquerschnitt genutzt werden könne. Die Berechnungen hätten gezeigt, dass bei einer Erhöhung des Bordsteins auf 25 Zentimeter auf einer Länge von 120 Metern eine Wassermenge von 13 Kubikmetern pro Sekunde schadlos abgeführt werden könne. Es sei allerdings zu bedenken, dass sieben Hofeinfahrten durch Schwellen erhöht werden müssten.
Kommern
Auch in Kommern will der Erftverband den Hochwasserschutz verbessern. Eine Verbreiterung des Bleibachs allein werde nicht die Lösung sein. Der Verband schlägt daher vor, den Pegel des Mühlensees zu senken. Zudem sei der Bau eines großen Regenrückhaltebeckens bei Roggendorf eine Möglichkeit – allerdings müsste es 250.000 Kubikmeter Wasser auffangen. Bis zur Realisierung würden Jahre vergehen. (tom)
Analog zur Hochwasserrückleitung An der Gülichsburg werde die Wirksamkeit einer Rückleitung des Wassers im Bereich der Wiese der Virnicher Straße geprüft. Dadurch soll die Hochwassergefahr rund um die Virnicher Straße reduziert werden.
Auch der präventive Hochwasserschutz für Sinzenich nimmt konkrete Formen an. Nachdem der Wall in der Nähe des Kindergartens und der Schule erhöht worden ist, plant der Erftverband nun, Sinzenich auch im Falle eines 100-jährlichen Hochwassers zu schützen. Ursprünglich gab es das Ziel, den Ort vor einem 50-jährlichen Hochwasser zu sichern. Die notwendigen Flächen konnten vor einigen Monaten vom Erftverband und von der Stadt Zülpich erworben werden.