Ein Jahr nach der FlutBei Familie Meis aus Odendorf ist noch viel zu tun
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Rhein-Sieg-Kreis – Der Odendorfer Ralf Meis wartet kurz vor dem Jahrestag der Flutkatastrophe auf den Elektriker. Sein Fachwerkhaus an der Orbachstraße macht zwar Fortschritte, und vor allem sind die Löcher in den Wänden geschlossen, aber noch ist es nicht möglich, das Wohnzimmer im Erdgeschoss zu benutzen, durch das der Bach am 14. Juli 2021 mit so viel Getöse hindurchgerauscht ist, dass Meis nicht mal die Sirene hörte. „Der Elektriker soll am Freitag kommen“, sagt der 62-Jährige.
Einiges hat er seit der Katastrophe schon geschafft. Estrich, Unterputz und Fliesen sind neu. Auch die Heizung. Allerdings bereut er gerade, dass er sich – wie vorher – eine Gasheizung hat einbauen lassen. „Noch ist keine neue Abrechnung gekommen, aber was soll wegen des Krieges in der Ukraine passieren, außer dass er steigt?“
Der Elektriker soll auch den Zählerschrank ins erste Obergeschoss verlegen. Sicher ist sicher. Die von der Flut herausgedrückten Gefache zwischen den alten Holzbalken, aus denen sein altes Fachwerkhaus besteht, hat Meis – wie bei der Grundsanierung vor 30 Jahren – selbst repariert. „Feinputz und Anstrich fehlen auch noch“, stellt Meis fest: „Ebenso die Steckdosen und Schalter.“ Die Küche steht auf Abruf beim Händler. Bei der Neueinrichtung des damals völlig zerstörten Wohnzimmers will er sich Zeit nehmen.Lediglich Lilli und Paddy, die beiden Hunde, finden es gar nicht schlimm, auf einer Baustelle zu leben statt vielleicht auf einem Plüschsofa. Schließlich hatten sie gleich nach der Flut neue Schlafkörbe erhalten, da die alten aufgeschwommen und vollgesogen wie sie waren auf demselben Schuttberg landeten, wie die übrige Einrichtung. Die beiden freuen sich auch einfach, dass Herrchen und Frauchen noch da sind.
Finanziell bewahrt Meis einfach die Ruhe, zumal weder Hausrat noch Gebäude versichert waren. „Ich habe jetzt alles über einen Zwischenkredit finanziert, den ich tilgen darf, sobald ich eine andere Finanzierung finde.“ Den Antrag auf Soforthilfe will er noch stellen, aber dazu muss noch einiges wegen des Denkmalstatus des Hauses abgesprochen werden. „Ich denke, was wirklich Denkmal ist, dürfte zu 100 Prozent ersetzt werden, andere Dinge, wie die Heizung, vielleicht zu 80 Prozent.“
Familie Braun aus Rheinbach berichtet
Mit dem Wiedereinzug zu Weihnachten 2021 würde es nichts werden, das war Simone Braun aus Rheinbach bereits klar, als die Bonner Rundschau sie im November zum ersten Mal für die „Flutprotokolle“ besuchte. In bewegenden Worten hatte sie geschildert, mit welcher Geschwindigkeit der Keller im Wohngebiet Rodderfeld II vollgelaufen war, so dass die Familie praktisch nichts mehr von dort retten konnte. Ihr schwammen Bilder ihrer Kindheit und Jugend entgegen, das war bizarr.
Zum Jahrestag des verheerenden Hochwassers haben die Räume zwar wieder einen Estrich und verputzte Wände, doch einzugsfertig ist das Haus immer noch nicht, während bei fast allen ebenfalls betroffenen Nachbarn längst Normalität eingekehrt ist. „Das sind mindestens noch drei Monate Arbeit hier“, schätzt Braun. Schon einen Unternehmer für alle Arbeiten zu finden sei schwierig gewesen. Dann seien Kostenvoranschläge nicht komplett gewesen, aber auch die Versicherung lasse sich viel Zeit. „Und in der Zwischenzeit passiert nichts“, so die Rheinbacherin, deren Emotionen in den vergangenen Monaten Achterbahn gefahren sind – von Wut und Enttäuschung hin zu Resignation. Ob es dieses Weihnachten mit dem Einzug klappt? „Ich hoffe es!“, sagt Simone Braun, die mit der Familie weiterhin bei ihrer Mutter in Odendorf wohnt. Alle zusammen haben in den Ferien auf einer Kreuzfahrt durch das Mittelmeer erstmal die Sorgen zuhause gelassen.