„Lost Place“ in LeichlingenDie Paul-Klee-Schule ist dem Untergang geweiht
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Der Spielplatz verwildert hinter Absperrgittern.
Copyright: Hans-Günter Borowski
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Leichlingen – Kein Kinderlachen schallt vom Schulhof. Niemand spielt auf den Klettergerüsten. Die Fußballtore auf dem Sportplatz sind in den Dreck gekippt. Das leere Schwimmbad ist eine Ruine. Keine Menschenseele ist hinter dem verschlossenen Eingangstor am Wendehammer zu sehen. Nur Bauzäune, meterhohes Unkraut, ein paar Müllsäcke und aus dem Boden gebrochene Pflastersteine. Hier wohnt niemand mehr.
Der Briefkasten neben der Pforte ist dick mit Absperrband verrammelt. Jemand hat ein inzwischen zerbrochenes Herz aus Holz darauf gelegt – es spricht Bände über die Trauer, die über dem zerstörten Areal liegt. Es herrscht Totenstille in der Paul-Klee-Schule in Leichlingen. Nur ein Notstromgenerator brummt leise irgendwo auf dem verwaisten Gelände.
Die komplette Schule stand bei der Flutkatastrophe meterhoch unter Wasser.
Copyright: LVR
Die Förderschule des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR), die beim Hochwasser im Juli 2021 von der Wupper überflutet worden ist, hat sich in kürzester Zeit zu einem „Lost Place“ verwandelt, einem jener verlassenen Orte, die ihrem Schicksal überlassen werden und in einem gespenstischen Zustand erstarren.
Auf dem verklebten Briefkasten der Schule liegt ein zerbrochenes Herz.
Copyright: Hans-Günter Borowski
Alle Möbel sind ausgeräumt worden und auf den Sperrmüll gewandert. In den früheren Klassenzimmern und Therapieräumen kleben immer noch die vertrockneten Schlammreste von damals, auf dem Boden sind die alten Fußabdrücke von Helfern zu sehen, die anfangs versuchten, etwas zu retten.
Die zweite Flut nach 2018
Der Landschaftsverband Rheinland (LVR) arbeitet als Kommunalverband mit rund 20 000 Beschäftigten für 9,7 Millionen Menschen im Rheinland. Er betreibt 41 Schulen, zehn Kliniken, 20 Museen und Kultureinrichtungen und vier Jugendhilfeeinrichtungen.
Die Paul-Klee-Schule wird von rund 170 Kindern und Jugendlichen mit dem Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung besucht und hat einen Einzugsbereich von Leverkusen bis in den Kreis Mettmann. 1974 ist die Förderschule in Leichlingen-Friedrichshöhe gegründet worden, 1982 ist der Neubau an der Neukirchener Straße eröffnet worden.
Im Juni 2018 ist die LVR-Schule in der Büscherhöfener Wupperaue bei den Überschwemmungen durch Starkregen erstmals überflutet und schwer beschädigt worden. Damals entschloss man sich zur Sanierung. Die Arbeiten haben mehr als elf Millionen Euro gekostet.
Im Juli 2021 wurde die Paul-Klee-Schule beim Wupper-Hochwasser erneut überflutet. Der LVR wird sie nicht erneut renovieren, sondern für sie auf einem eigenen Grundstück neben der Landesklinik in Langenfeld-Reusrath einen Neubau errichten. (hgb)
Reinigen musste man die Schule nicht mehr. Denn sie wird wie berichtet komplett abgebrochen. Der Landschaftsverband hat seinen Stützpunkt in Leichlingen zermürbt aufgegeben, nachdem die Immobilie zum zweiten Mal innerhalb von vier Jahren überschwemmt und verwüstet worden ist. Eine neue Paul-Klee-Schule wird neben der LVR-Klinik in Langenfeld-Reusrath gebaut. Bis sie fertig ist, werden die 16 Klassen an sechs anderen Standorten unterrichtet. Die Kinder und Jugendlichen aus der Region werden zum Unterricht nach Köln, Rösrath, Pulheim, Düsseldorf und Solingen gefahren. Die Schulleitung und -verwaltung ist bereits in einem Haus der LVR-Klinik Langenfeld untergebracht.
Das Schwimmbad ist noch voller Schlammreste von der Flutkatastrophe.
Copyright: LVR
In Leichlingen fragen sich nun viele, was aus dem riesigen Grundstück im Hochwassergebiet am Wupperdamm nun werden soll. Darauf gibt es bislang keine Antwort. Es ist noch nicht einmal ein Termin für den angekündigten Abbruch bekannt. Das Gelände der Paul-Klee-Schule, zwischen der Neukirchener Straße und der Wupper hübsch, aber gefährlich nah am Fluss gelegen, befindet sich nach wie vor im Eigentum des Landschaftsverbandes.
Nur noch ein Waschbecken kündet in diesem Raum vom einstigen Schulleben.
Copyright: Hans-Günter Borowski
„Derzeit gibt es seitens des LVR noch keine Pläne, was mit dem Grundstück künftig passieren soll. Dies wird auch noch einige Zeit dauern“, erklärt LVR-Pressereferent Michael Sturmberg auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Bisher wurde es noch nicht zum Verkauf angeboten, denn man hat sich offensichtlich noch nicht dazu entschieden. „Eine verbandsinterne Nutzung wird auf jeden Fall noch geprüft“, sagt Sturmberg dazu. Über anderweitige Verwendungsmöglichkeiten müssten natürlich die politischen Gremien des LVR Rheinland beraten, allen voran die auch mit bergischen Politikern besetzte Landschaftsversammlung. In dem 126-köpfigen Beschlussgremium sind zurzeit sechs Mitglieder aus dem Rheinisch-Bergischen Kreis Mitglied.
Das Tor wird sich nicht mehr für Schulbusse öffnen.
Copyright: Hans-Günter Borowski
Und was ist, wenn der LVR das 1982 bezogene Grundstück, das ihm kein Glück brachte, abstoßen will? Bürgermeister Frank Steffes weiß, dass Interessenten bereits nach der Verfügbarkeit des Areals gefragt haben. Theoretisch kann in dem Auengelände neu gebaut werden. Es sind sogar Wohnhäuser denkbar, wenn sich das ein Investor angesichts der Nähe zur Wupper nach den jüngsten Erfahrungen traut. Es gelten künftig aber schärfere Vorsorge-Bestimmungen gegen die Flutgefahr, weil die Stadt Leichlingen als Reaktion auf den Katastrophenfall inzwischen den neuen Bebauungsplan „Hochwassergebiet Wupper“ aufgestellt hat.
Einöde: Der verlassene Sportplatz der LVR-Schule..
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Die SPD-Ratsfraktion hat bereits im vergangenen November zur Diskussion gestellt, hier Wohnhäuser auf Stelzen zu errichten. Die Ratsfraktion hat die Verwaltung in einem Antrag aufgefordert, die baurechtliche Situation zu klären und zu prüfen, ob an diesem Standort Wohnungsbau möglich wäre. Ein Ergebnis ist noch nicht bekannt. „Wir können uns an dieser Stelle einen hochwassergeschützten und bezahlbaren Wohnungsbau vorstellen, der modellhaft mit Signalwirkung aufzeigt, wie eine zentrums- und zugleich naturnahe Nutzung durch eine aufgeständerte Bauweise, gegebenenfalls mit Tiefgarage und Hochwasserschutzfunktion, möglich ist“, heißt es in dem Antrag.
Stadtverwaltung plant nicht mit dem Gelände
Die Stadtverwaltung selbst hat bislang kein Interesse an einer Nutzung erkennen lassen. Als Retentionsraum, Speicherbecken für starke Regenfälle, komme die Aue aufgrund ihrer Lage eher nicht in Frage, schätzt Bürgermeister Steffes.
Der Schulneubau in Reusrath soll schnellstmöglich realisiert werden, benötigt aber wohl noch zwei Jahre. „Alle für die Planung und Ausschreibung der Baumaßnahme erforderlichen planungsrechtlichen Vorabstimmungen mit der Stadt Langenfeld sind erfolgt“, sagt LVR-Sprecher Michael Sturmberg zum aktuellen Sachstand. Derzeit laufe das europaweite Ausschreibungsverfahren zur Beauftragung eines Generalunternehmers für den Bau. Dieses Verfahren werde voraussichtlich im Spätherbst abgeschlossen sein.
Die Planungen auf dem 30.000 Quadratmeter großen verbandseigenem Grund und Boden lägen „sehr gut in der Zeit“, erklärt Sturmberg, „sodass der LVR durch die günstigen Bedingungen des Standortes und der Unterstützung der Stadt Langenfeld von einer bis zu zwei Jahren kürzeren Gesamtbauzeit ausgeht als es bei alternativen Standorten der Fall gewesen wäre.“