Ein Trostpflaster für gekränkte Opladener Seelen: Das alte OP-Kennzeichen ist inzwischen wieder zugelassen.
Copyright: Bert Gerhards
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Leverkusen – Es war ein Paukenschlag im Land Nordrhein-Westfalen: die 1975 in Kraft tretende kommunale Neuordnung, die aus 2400 Städten und Gemeinden 400 machte und nicht immer zusammenfügte, was gut zusammen passte. Die Wunden, die das mancherorts riss, sind bis heute geblieben.
Das wurde auch in einer Podiumsdiskussion deutlich, zu der der Opladener Geschichtsverein und die Volkshochschule Leverkusen kürzlich in den Opladener Funkenturm eingeladen hatten. Ob es inzwischen eine Leverkusener Stadtidentität gebe oder doch nur eine Sammlung verschiedener Stadtteile, war die Frage. Im Kern aber ging es darum, ob diese Reform erfolgreich war, ob es Sieger und Verlierer gegeben hat.
Ein Stück Heimat verloren
Eindeutig ist dazu die Meinung von Markus Pott, der in seinem Heimatstadtteil die Vereinigung „Opladen plus“ ins Leben gerufen hat und deren Fraktion im Stadtrat anführt. „Ein Stück Heimat ging zu Ende“, erinnert er sich wehmütig an Silvester 1974, als die Kreisstadt Opladen des nunmehr aufgelösten Rhein-Wupper-Kreises mit ihren rund 45.000 Einwohnern zu einem Stadtteil von Leverkusen wurde.
Als Bürgerdialog-Teilnehmer diskutierten auf Einladung von OGV und VHS (v. l.): Markus Pott (Opladen plus), Ernst Küchler (Ex-OB, SPD), Hans Klose (Ex-SPD-Ratsherr) Paul Hebbel (Ex-OB, CDU), Guido von Büren (Moderator, Jülicher Geschichtsverein), hinter ihm VHS-Leiter Günter Hinken.
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In Leverkusen sei Opladen vernachlässigt worden, vor allem als Einzelhandelsstandort, so Pott. Während andere Städte des Rhein-Wupper-Kreises, er nennt zuvörderst Monheim und Langenfeld – sich glänzend entwickelt und auch Leichlingen und Burscheid ihre Identität bewahrt hätten, sei Opladen in Leverkusen hintangestellt worden, sei die City Wiesdorf stets wichtiger gewesen als der Fortbestand Opladens.
An den Zeitgeist erinnert
Ganz so sieht das Hans Klose nicht, wenngleich er selbstkritisch einräumt, dass das damalige Streben Leverkusens nach einer eigenen Moderne und Unabhängigkeit von Köln stark „dem Zeitgeist geschuldet“ und mitunter übertrieben gewesen sei.
Die Erkenntnis, dass erst die Menschen eine Stadt ausmachten, nicht allein die Bauten, sei in manchen Aspekten zu kurz gekommen, so der dienstälteste Leverkusener Ratsherr von der SPD, der aber auch davor warnte, die Entscheidungen von damals allzu selbstgerecht mit dem Wissen von heute zu beurteilen.
Gegen Köln behauptet
Es sei ein Machtkampf gewesen, vor allem gegen eine Vereinnahmung durch Köln, räumt der ehemalige Leverkusener Oberbürgermeister Ernst Küchler ein, der zur Zeit der kommunalen Neuordnung noch persönlicher Referent des damaligen OB Wilhelm Dopatka war. Da sei einiges inszeniert worden, so sein Geständnis, vor allem aber habe Bayer seinerzeit ganz entscheidend mit an der Sache gedreht, sich den fügsamen Standort Leverkusen zu erhalten. Manche Vorhaben seien absolut überdreht gewesen. Zum Glück seien nicht alle Vorstellungen namhafter Städteplaner seinerzeit umgesetzt worden, so seine Anspielung auf das Giga-Projekt „Lindwurm“, das Leverkusen dann erspart blieb.
Das Prestige als Großstadt, der Industriestandort mit Bayer, die Abwehr Kölner Expansionsgelüste – all das seien Leverkusener Motive gewesen, als unter dem Motto „Lev muss leben“ um Eigenständigkeit gekämpft worden sei, so Paul Hebbel, Küchlers Vorgänger als Leverkusener Rathaus-Chef, aber mit Opladener Wurzeln. Ihm wäre eine Lösung lieber gewesen, bei der Leverkusen als Kreisstadt für den Rhein-Wupper-Kreis fungiert hätte. Das hätte gewachsene Strukturen mit der bergischen Umgebung erhalten und eine harmonischere Entwicklung mit dem Umland ermöglicht.
Nur noch ein Stadtteil Leverkusens zu sein, empfinden viele ältere Opladener als schmerzlich.
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War Opladen nun wirklich Verliererin in der Rolle als Stadtteil Leverkusens? Da gehen die Meinung auch ein halbes Jahrhundert später durchaus weiterhin auseinander, wie in der folgenden Diskussion unter Leitung von Guido von Büren (Jülicher Geschichtsverein) deutlich wird:
Die blühende Kreisstadt mit ihrem lebendigen Geschäftsangebot sei unterdrückt und kaputtgemacht worden, heißt es einerseits. Opladen habe viele Entwicklungen schon vor der Neuordnung verschlafen und sei 1974 de facto pleite gewesen, heißt es dagegen. Opladens Identität sei durch den Abriss des Aloysianums (später dann Rathaus) und das schreckliche Verwaltungshochhaus aus dem Goetheplatz zerstört worden, behauptet ein Opladener. Doch das stellt Paul Hebbel richtig: Das Aloysianum wurde seinerzeit verkauft und abgerissen, um den Neubau des Werner-Heisenberg-Gymnasiums zu finanzieren. Das Verwaltungshochhaus am Goetheplatz sollte als neues Opladener Rathaus ein Symbol der Unabhängigkeit von Leverkusen werden – eine letzte Fehlkalkulation. Und überhaupt seien viele strukturelle Umbrüche gefolgt, die nun wirklich nicht einer Leverkusener Dominanz zugeschrieben werden könnten.
Genug Gejammer
„Ich kann manches von diesem ewigen Gejammer, an allem sei Leverkusen schuld, nun wirklich nicht mehr hören“, hält auch der bekennende Opladener Dieter Muschan der weit verbreiteten Opladen-Nostalgie entgegen. Die habe sich ja mit der Wiedereinführung des OP-Autokennzeichens ein Stück weit austoben können. Allerdings seien die OP-Schilder in den früheren Opladener Stadtteilen Lützenkirchen und Quettingen keineswegs so verbreitet wie in Opladen-Mitte.
Das Verwaltungsgebäude am Goetheplatz war ein letzter, vergeblicher Versuch der Kreisstadt Opladen, die Übernahme durch Leverkusen abzuwehren.
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Auch das angeblich so schmerzlich fehlende Bürgerbüro im Stadtteil sei entbehrlich, wenn es nur darum gehe, einmal in zehn Jahren den Personalausweis zu verlängern, streut der Opladener CDU-Ratsherr Bernd Miesen ein. So sehr weit sei es ja nicht nach Wiesdorf. Und ein jüngerer Besucher macht klar, dass angebliche Unterschiede zwischen Leverkusen und Opladen in seiner Generation nun gar keine Rolle mehr spielten, es vielmehr in der ganzen Stadt an Kultur- und Freizeitangeboten für seine Altersgruppe mangele.
Immerhin konnte sich die überwiegend ältere Diskussionsrunde im Funkenturm auf ein paar erfreuliche Perspektiven für Leverkusen-Opladen einigen. Opladen sei auch innerhalb Leverkusens strukturell sehr gut versorgt, der neue Hochschulcampus mit tausend Studierenden bringe sicher frischen Wind in den Stadtteil und das künftige Bahnhofsquartier biete eine hervorragende Chance, den mit der Neuen Bahnstadt schon spürbar aufgewerteten Stadtteil weiter nach vorn zu bringen. Ein fast schon harmonischer Abschluss.