Leverkusen – Eine stumme Gemeinde in Sankt Remigius beim Abschlusslied "Stille Nacht", eine persönliche Erklärung des Stadtdechanten, ein Esel, Anwesenheitslisten und Kerzenausgabe: Die Leverkusener, die sich aus den Häusern heraus wagten, verbrachten auf vielfältige Weise den Heiligabend unter den besonderen Pandemiebedingungen.
Ein echter Esel und Alpakas waren die Stars in der lebendigen Krippe auf dem weihnachtlichen Bauernhof Klein in Boddenberg. Neu waren dieses Jahr zwei kurze Kindergottesdienste unter einem Vordach, wo sonst der große Trecker steht, mit Bierbänken, ganz stilecht auf Stroh. Alles ordentlich genehmigt: Zugig war's, aber das sollte ja so sein, wegen des Virus. Drei Frauen aus der Gemeinde Sankt Nikolaus leiteten die Gottesdienste gemeinsam, an denen jeweils zehn Familien teilnehmen konnten. Interessiert verfolgte auch der kleine weiße Esel das Geschehen.
Die evangelische Kirchengemeinde Leverkusen-Mitte setzte auf die zeitliche Streckung der Kontakte: Wer kam, erhielt eine Kerze und, wenn gewünscht, auch Feuer.
Den Segen vom Pfarrer sowieso. Gottesdienste gab es dort als Video im Internet.
Pfarrer Christoph Engels: "Wir haben das selbst entschieden und wollen solidarisch sein mit allen, die jetzt nicht öffnen dürfen."
Um 16.50 Uhr läutet Herz Jesu zur Messe mit Präsenz, Abstand und Anmeldung. Am Eingang stehen zwei aus der Gemeinde und lassen die Besucher hinein.
Es klingt nach Kino: "Reihe fünf Platz sieben hätte ich noch für euch". Als pünktlich die Pforte geschlossen wird, sind noch einige der reservierten Plätze unbesetzt. Einige haben sich wohl doch noch an die Aufforderung des Ministerpräsidenten gehalten, möglichst wenig Kontakte zu haben und auch die Weihnachtsgottesdienste zu meiden.
Diese Empfehlung kritisiert der Leverkusener Stadtdechant Heinz-Peter Teller in seiner Messe um 18 Uhr in Sankt Remigius deutlich. Ihm wurde in der Woche vor Weihnachten von mehreren Seiten stark zugesetzt. In anderen Jahren kamen Hunderte, nur gut 50 Besucher sitzen jetzt in der großen Heiligabendmesse. Und auch hier gibt es einige Plätze, die unbesetzt geblieben sind.
Teller wird direkt: "Ich sag' Ihnen heute mal, was ich denke. Die letzte Woche war sehr bedrückend. Nicht nur die Sache mit unserem Kardinal, was an sich schon schlimm genug ist" - auf den Vertuschungsvorwurf gegen Kardinal Reiner Woelki geht er danach nicht weiter ein - "sondern wegen der Pandemie". Nachdem Ministerpräsident Armin Laschet gesagt habe, man solle zu Hause bleiben, und man sich entschlossen habe, dennoch Weihnachtsmessen zu halten, wurde Teller offenbar stark dafür kritisiert, dass er an den Gottesdiensten festhalte. Auch aus den eigenen Reihen. Er habe sich schlecht gefühlt, sagt er: "Mir gefällt nicht, dass jeder, der zu einem anderen Ergebnis kommt, dasteht, als ob er Leute gefährdet und die Krankheit nicht ernst nimmt - so kommt man sich vor."
Zwei gute Gründe
Er habe zwei gute Gründe, weshalb er den Pfarrern im Stadtdekanat Mut gemacht habe, die Gottesdienste zu feiern. Nach Ostern, als es keine Gottesdienste mit Besuchern geben durfte, habe es von allen Seiten geheißen, die Kirche habe versagt und die Leute im Stich gelassen.
"Den Fehler will ich jetzt nicht mehr machen." Und die Sicherheitsmaßnahmen für Gottesdienste seien perfekt wie sonst nirgends: "Wenn ich zum Rewe gehe, sehe ich da ganz anderes."
Alle, die anderer Meinung seien, hätten alles Recht und gute Gründe, sie seien nicht zu kritisieren: Jeder, der zu Hause bleiben wolle, habe sein vollstes Verständnis. Das mit vielen jetzt abgesagten privaten Treffen zu Weihnachten sieht Teller so: Wenn man sich mal ein Jahr nicht wie immer privat treffen könne, sei das kein Weltuntergang.
"Wir feiern Weihnachten nicht, um mit der Familie am Kaffeetisch zu sitzen"
"Wir feiern Weihnachten nicht, um mit der Familie am Kaffeetisch zu sitzen". Weihnachten sei ja kein romantisches Fest; Jesus sei in die Welt hineingeboren worden, so wie sie ist, unter schwierigsten Verhältnissen. Dennoch sei niemand verloren. Genauso ungewöhnlich wie die Predigt war, reagierten die Besucher: Teller bekam spontanen Applaus.