Mit „Die Brücke nach Haifa – Notizen einer Reise nach Israel“ zeigt das Junge Theater Leverkusen ein Gastspiel, das unter die Haut geht.
„Die Brücke nach Haifa“Ein Plädoyer für Empathie und Verständigung in Leverkusen
Die Inszenierung beginnt schlicht. Die Bühne ist in Packpapier gehüllt, das Kisten umschließt – ein Symbol für das Verborgene und gleichzeitig das Unausgesprochene. Jeder Gast bekommt zu Beginn Brot mit Olivenöl und Zaatar als „Ticket“ zu einer „Reise nach Osten“. Ein roter Granatapfel liegt auf einem Teller und sticht hervor – als Zeichen des Lebens, aber auch des Konflikts. Janne Wagler, die Protagonistin, hebt einen alten deutschen Personalausweis. Für eine Zuschauerin: „Ein faszinierendes Bild der Zerbrechlichkeit und Lebendigkeit dieser Erfahrungen“.
Janne Wagler, die allein auf der Bühne steht, entführt das Publikum im Stück „Die Brücke nach Haifa – Notizen einer Reise nach Israel“ in eine Welt voller Gegensätze, Konflikte und tief gehende menschliche Begegnungen. Ihr dokumentarisches Licht- und Schattenspiel, basierend auf eigenen Erfahrungen, stellt Fragen – Fragen, die aktueller kaum sein könnten.
Eine künstlerische Brücke von Opladen ins Herz Israels
Die minimalistische Bühnenästhetik wird durch Overhead-Projektionen ergänzt, auf denen alte Fotografien von Waglers Reise erscheinen, begleitet von orientalischen Musikklängen. Besonders intensiv ist der Moment, als die Bühne in tiefes Blau getaucht wird und Waglers Stimme sanft in die Dunkelheit sticht: „Draußen die Messerattacken – innen Diabetes und Zehenamputationen.“ Dieser Kontrast zwischen äußerer Gewalt und innerer Verletzlichkeit zieht sich durch das gesamte Stück.
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Der seit Jahrzehnten andauernde Nahostkonflikt wird spürbar, in dem Israelis und Palästinenser beide das Gebiet zwischen Mittelmeer und Jordan als Heimat beanspruchen, was zu immer wiederkehrenden Gewalteskalationen führt. Besonders die Stadt Jerusalem steht als heilige Stätte für Juden, Christen und Muslime im Zentrum des Konflikts. Ein Zuschauer fragt sich: „Warum bauen wir Mauern? Was trennen sie wirklich – Menschen oder unsere Ängste?“
Zwischen Ost und West: Eine Brücke aus Biografien und Erinnerungen
Waglers Erzählungen beruhen auf ihren Erlebnissen als Freiwillige in einem Altersheim für Holocaust-Überlebende in Haifa und in einem Hospiz in Jerusalem. Besonders bewegend sind Szenen, in denen sie die Geschichten von Menschen wiedergibt, die den Holocaust überlebt haben – und dennoch in einem Land leben, das nie zur Ruhe kommt.
Die Geschichten, die sie mit eindringlicher Erzählkraft auf die Bühne bringt, verschmelzen mit ihrer eigenen Biografie: Als Kind in der DDR aufgewachsen und über Ungarn geflüchtet, findet sie Parallelen zur Situation in Israel, die tief gehen. Ein zentraler Gegenstand – der Granatapfel – findet dabei verschiedene Bedeutungen. In einer eindringlichen Szene sticht Wagler mit einem Messer in die Frucht.
Viele wollten sich mit dem Thema auseinandersetzen
Ein immer wiederkehrendes Bild im Stück ist das Nähen mit Nadel und Faden. Wagler verweist auf ihre französische Ahnin, die Weißnäherin war. Das Nähen wird so zu einem symbolischen Akt, der alte Wunden schließt und neue Verbindungen schafft. „Das ist künstlerisch kreativ und beeindruckend umgesetzt“, sagt Evelin Pareike aus Köln, „diese Verbindungen auf der Bühne sind stark und berühren mich sehr. Für mich ist es Berührungspunkt genug mit der Thematik, dass ich Deutsche bin“.
In einem intensiven Moment wendet sich Wagler der deutschen Geschichte zu und stellt die Frage: „Wo geht es hin mit Deutschland? Haben die Menschen 1933 auch gedacht, das sei nur vorübergehend?“ Sie erinnert an die Ereignisse von Chemnitz und die Hetzjagden – ein bedrückender Vergleich. Für Oberbürgermeister Uwe Richrath ist die Inszenierung „liebevoll und brutal zugleich“. Er sagt: „Gewalt verhindert Versöhnung – immer.“
Ein Plädoyer für Empathie und Verständigung
Das Stück entzieht sich einer einfachen Antwort auf die komplexen politischen und religiösen Konflikte im Nahen Osten. Stattdessen schafft es Raum für Nachdenken und Fragen. Immer sind Stimmen in Hebräisch und Arabisch zu hören – eine akustische Kulisse, die die „Unübersetzbarkeit“ der Konflikte und der Identitäten unterstreicht. Besonders emotional erlebt Organisator Michael Rosenfelder die Szene am Grenzübergang, wo ein Altenheimpfleger plötzlich nicht mehr durchgelassen wird, da die Soldaten ausgetauscht wurden. Er war mit Frau Elisabeth schon zweimal in Jerusalem.
Am Ende bleibt der Saal still. „Man geht ohne Lösung für den Nahostkonflikt nach Hause“, so beschreibt es Gast Cordula Lissner. Sie sei selbst früher viel in Israel gewesen und sie ist dankbar für diese Form der Auseinandersetzung: „Das ist jetzt eine Zeit, wo man viel und emotional daran denkt.“