Leverkusen in den 50ernAls die Bürger ihre Stadt neu aufbauten
- Wie war das Lebensgefühl in den 50ern oder 70ern?
- In einer Serie schauen wir zurück, wie sich Leverkusen in den Jahrzehnten zwischen 1950 und 2000 entwickelt hat.
- Den Anfang machen die 50er: Die Krieg ist vorbei, die Menschen wollen sich ihr Leben neu aufbauen und hungern nach Spaß und Konsum, viele Grundsteine für die Stadtentwicklung werden gelegt.
Leverkusen – Die 50er Jahre: Der Zweite Weltkrieg ist vorbei, Leverkusen wuchs rasant, Tausende Menschen strömten in die Nähe des Bayer-Werks. Und die brauchten Wohnungen: 1953 beginnt die Gagfah (Gemeinnützige Aktiengesellschaft für Angestellten-Heimstätten) mit dem Bau der Aquilasiedlung in Küppersteg, im Jahr darauf sind die 558 Wohnungen bezugsfertig.
Knapp 70 Jahre später lädt Kurt Stichnoth in das Seniorenwohnhaus am Aquilapark ein. Bald 90 wird der ehemalige Karnevalsprinz, Liedermacher und Bayer-Mitarbeiter, sitzt aber immer noch fit und munter in seinem „Atelier“. Bilderrahmen mit goldenen CD-Cover zieren die Wände, Reihen an Fotoalben stehen geordnet im Regal. Zeichenmaterialien, Papier und Stifte säumen den Tisch.
Der Leverkusener blickt zurück auf eine bewegte Zeit, auf die 50er, als das Leben in Leverkusen sich rasant entwickelte: Am 1. April 1955 wird Leverkusen aus dem „Rhein-Wupper-Kreis“ herausgelöst und bildet fortan eine eigene kreisfreie Stadt mit 77000 Einwohnern – und hat bislang ungeahnten finanziellen Handlungsspielraum. Und auch die Bürger wollten sich mehr leisten. 1953 kaufte sich Stichnoth seine erste 16-mm-Kamera. „Teurer als ein Auto“, erinnert er sich schmunzelnd.
Nach den Schrecken des Krieges und den Entbehrungen wollten sich die Leute Luxusgegenstände wie Fotoapparate oder Plattenspieler gönnen. „Man hat dafür Überstunden gemacht“, betont Stichnoth streng. Und gespart, wie er und seine Frau. Anfang des Jahres feierten die Stichnoths Eiserne Hochzeit. Schwierig war es mit der Bleibe. „Jungverheiratete haben keine Wohnung bekommen“, schildert Kurt Stichnoth die schwierige Lage auf dem Leverkusener Wohnungsmarkt, es waren schlichtweg nach dem Krieg keine Wohnungen da. Erst 1957 hatten er und seine Frau Ursula eine Wohnung für sich, Zimmer für Zimmer wurde eingerichtet. Das erste Auto war ein Käfer, erinnert sich der 89-Jährige: „Wir haben ihn Gottlieb genannt“. Warum, weiß er nicht mehr. „Aber wir haben ihn ins Herz geschlossen“, erzählt er lachend.
Menschen hungerten nach Spaß
Wonach es die Leute in den 50ern gelüstete, war ganz klar: Spaß und Freude. Den fanden sie im Karneval. „Die Menschen waren ausgehungert“, stellt Kurt Stichnoth fest. Und es schlug seine Zeit: 1950 war sein erster Auftritt, damals noch mit einem Partner. Die Texte? Alle selbst geschrieben. Beim ersten Auftritt wäre er fast verzweifelt, erzählt Stichnoth schmunzelnd. „Die ersten zwei, drei Gags müssen ankommen“, sagt er eindringlich und erinnert sich, dass erstmals keiner gelacht habe. „War nix“, habe er dann konstatiert. „Dann haben die Leute gelacht.“ Jetzt lacht Stichnoth auch. Der Knoten war gelöst und seine Karriere als Kabarettist und Künstler vorgezeichnet.
Auch das Thema Verkehr zog an. Oftmals ging es in Leverkusen nur in eine Richtung: Freie Fahrt für den Autoverkehr. Die „autogerechte Stadt“ war das Ziel. So wurde beispielsweise die Straßenbahnlinie „0“ eingestellt. Sie hatte Köln mit Opladen verbunden. 1906 hatte die Straßenbahn als „Mülheimer Kleinbahn“ ihre erste Fahrt unternommen, am 26. Oktober 1958 war Schluss, ab jetzt hieß es umsteigen vom Zug auf den Bus.
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Weniger Straßenbahn, mehr Autos: Dass der Autoverkehr Leverkusen all die Zeit prägt, ist spätestens 1959 klar, als der Südring, heute der Willy-Brandt-Ring fertig gestellt wird.Auch sportlich hat sich in den 50er Jahren Einiges getan: Am 2. August 1958 wurde das Ulrich-Haberland-Stadion eröffnet. Endlich bekamen Fußballer und Leichathleten ein Stadion – Leverkusen entwickelte sich zur Sportstadt. Im Laufe der Jahre kamen viele erfolgreiche Athleten aus der Stadt. Nicht zuletzt Willi Holdorf, der erste deutsche Sportler, der 1964 eine olympische Goldmedaille im Zehnkampf gewonnen hat, und erst kürzlich Anfang Juli mit 80 Jahren gestorben ist. Heute ist aus dem alten Ulrich-Haberland-Stadion die BayArena geworden.
Mit Badeanzug und Haube ging man gut gekleidet ins Freibad Wiembachtal, 1956 öffnete es seine Tore. Bei dem letzten großen „Freibad-Check“ von unserer Zeitung im vergangenen Jahr kam das Opladener Bad auf eine gute Punktzahl – Jahrzehnte später sieht man allerdings mehr Bikinis als Badeanzüge.
(mit Matthias Bauschen)