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„Hätten weniger streiten müssen“Leverkusens Minister Karl Lauterbach will wieder in den Bundestag

Lesezeit 4 Minuten
Karl Lauterbach, Gesundheitsminister und Bundestagskandidat SPD für Leverkusen in der Wiesdorfer Fußgängerzone. Foto: Ralf Krieger

Karl Lauterbach, Gesundheitsminister und Leverkusener Bundestagskandidat für die SPD, hat sich die Wiesdorfer Fußgängerzone als Treffpunkt ausgesucht.

Karl Lauterbach (SPD) im Gespräch über seine Gesundheitsreformen, die Autobahnpläne für Leverkusen und das Ampel-Aus.

Ein Gesprächstermin mit dem Leverkusener Bundestagsabgeordneten Karl Lauterbach in der Leverkusener Fußgängerzone ist nicht ganz gewöhnlich: Vor dem Treffen kommt ein Anruf vom Bundeskriminalamt; sobald der Minister aus dem Auto gestiegen ist, sind um ihn herum mindestens drei Sicherheitsleute. Sie eilen ihm voraus, schlägt er eine Richtung ein, werfen sie prüfende Blicke in jeden Winkel, andere halten ihm den Rücken frei, schützen ihn von hinten. „Daran habe ich mich komplett gewöhnt, ich merke das nicht mehr“, sagt Lauterbach, „aber ich fühle mich lieber sicher“.

Ob seine Personenschützer darüber begeistert sind, dass Lauterbach seine Termine an den Wahlkampf-Ständen in den Zentren von Leverkusen und Köln-Mülheim auf Social-Media ankündigen will, damit ihn die Leute bewusst ansprechen können? „Wohl eher nicht“, vermutet der Gesundheitsminister, der nicht nur Facebook, Instagram und Tiktok bespielt, sondern auch auf „X“ (ex-Twitter) aktiv ist, dem Kurzmitteilungsdienst, der dem AfD-Freund Elon Musk gehört. Den zunehmend mit Hetze infizierten Kanal will Lauterbach weiterhin mit seinen Mitteilungen bedienen: „Das Netzwerk können wir nicht den Rechten überlassen“, sagt er.

Lauterbach: Die Leverkusener SPD wollte ihn einst nicht, heute ist das anders

Der Seiteneinsteiger Lauterbach stellte sich erstmals 2006 den Leverkusener Genossen als Bundestagskandidat vor – und war hier zunächst unerwünscht, weil ihn die Kölner SPD für den Wahlkreis mehr durchgedrückt als vorgeschlagen hatte. Er wurde dennoch genommen und holte seither bei jeder Wahl den heutigen Wahlkreis 100 als Direktkandidat. Damals trug er immer eine Fliege. Die ist passé, genau wie die Diskussionen in der Leverkusener SPD um ihn, „der Karl“ oder „Karlchen“, wie ihn manche Genossen nennen, ist akzeptiert und wird unterstützt.

Lauterbach lässt sich seither bewusst nicht auf die SPD-Landesliste setzen, das heißt: Nur dann, wenn er den Wahlkreis Leverkusen/Köln-Mülheim direkt holt, kommt er auch in den Bundestag.

Karl lauterbach, Gesundheitsminister und Bundestagskandidat SPD für Leverkusen in der Fußgängerzone. Foto: Ralf Krieger

Selfie mit dem eigenen Plakat: Karl Lauterbach in der Fußgängerzone.

Der Gesundheitsexperte und -minister hat wenig Zeit, sich als Abgeordneter mit rein Leverkusener Themen zu beschäftigen. Das wird ihm gelegentlich vorgeworfen. Als Minister ist er dem ganzen Land stärker verpflichtet als ein reiner Abgeordneter. Die Krankenhausreform ist eines seiner wichtigsten Themen. Aber: Welches Extra genießt das Leverkusener Klinikum, von dem nicht auch alle anderen profitieren? Lauterbach sagt: „Die Reform habe ich auch in Zusammenarbeit mit dem Klinikum gemacht.“

Auch in der drängendsten Leverkusener Problematik, der laufende und der bevorstehende Ausbau der Megastelze, des Kreuzes und der A3, ist nach seiner Ansicht nur etwas zu machen, wenn man es schaffte, neue Bundesgesetze zu machen: „Müsste man Gesundheits- und Klimaaspekte bei Autobahnplanungen beachten, stünden die Chancen für Leverkusen sehr viel besser.“ Bisher sei das nicht so, er will sich in einer kommenden Regierung dafür einsetzen, „in der ich hoffentlich wieder Mitglied sein werde“, hängt er an die Ausführung an. Lauterbach kann zu vielen Themen ausdauernd reden, zum Plan von Bayer 04, die in Wiesdorf Trainingsplätze in Parkplätze umwandeln wollen, sagt er nichts, da sei er nicht gut im Stoff.

Großplakate in Opladen CDU, FDP, SPD. Angriffe Foto: Ralf Krieger

Lauterbach tritt dieses Mal gegen Siegmar Heß an

Über die lokalen Themen werde er vielfach über seine Kontakte zum Oberbürgermeister und zu den Genossen informiert und er bekomme jeden Morgen einen Leverkusener Pressespiegel.

Er sagt, er telefoniere persönlich oft mit Bürgern aus Leverkusen, die Fragen hätten oder eine Beratung zu Pflege oder andere Gesundheitsthemen brauchten. Er kenne viele Probleme im Kleinen, in Wahrheit seien es die großen Probleme.

Und die Fehler der Ampel? Haben die den Feinden der Demokratie, den Rechtsextremen, nicht Vorschub geleistet? „Wir hätten als Ampel weniger streiten müssen“, sagt Lauterbach, der aber sagt, dass sein Ressort 19 neue Gesetze zustande gebracht habe – ohne dass es im Gesundheitssektor zu Streitigkeiten in der Koalition gekommen sei. „Hätte die Ampel in jedem Bereich so gearbeitet, stünden wir heute besser da.“ Allerdings hat Lauterbach auch nicht versucht, etwa die Bürgerversicherung, also auch eine Abschaffung der privaten Krankenversicherung, durchzubringen. Ein solcher Versuch wäre todsicher im Koalitionsstreit mit der FDP geendet.


Sechs Fragen an Karl Lauterbach

Wieso treffen wir uns in der Fußgängerzone?

„In den Fußgängerzonen von Leverkusen und Mülheim komme ich mit Leuten ins Gespräch.“ Lauterbach schätzt den Zufall, der ihm unterschiedliche Gesprächspartner zuspielt.

Was gefällt Ihnen an Leverkusen?

„Die Stadt ist tolerant, vielfältig, und ich schätze es, dass hier forschende Unternehmen von Weltbedeutung ihre Sitze haben. Inzwischen zählen für mich die privaten Kontakte in der Stadt.“ Außerdem ist er Bayer-04-Fan, will auch das Risikospiel gegen Köln besuchen.

Was nervt Sie an Leverkusen?

„Die Verkehrssituation mit den Autobahnen, das ist die große Geißel der Stadt.“

Was kann weg?

(Überlegt verhältnismäßig lange.) „Auf die AfD können wir verzichten; Wir kommen ohne die klar.“

Was braucht Leverkusen in den nächsten vier Jahren?

„Definitiv: Geld, einen Altschulden-Erlass und einen Industriestrompreis, damit die Firmen überleben.“ Den habe die SPD nur deshalb nicht durchsetzen können, weil die FDP die Schuldenbremse zu starr ausgelegt habe. Mit der Union sei da mehr zu machen, hofft Lauterbach.

Ihr Schwerpunktthema?

„Kurz: Gesundheit und Pflege.“