AboAbonnieren

Opladenerin ist transident„Ohne Druck, mich einem Geschlecht zuzuordnen”

Lesezeit 4 Minuten

„Der erste Schritt ist der härteste“: Nyke Slawik setzt sich für sexuelle Vielfalt und Themen wie Klimawandel und Europa ein.

  1. Lesen Sie hier unser Porträt von Nyke Slawik von Anfang 2020.
  2. Die Opladenerin Nyke Slawik ist transident: Bei der Geburt wurde entschieden, sie sei ein Junge. Doch Nyke ist eine Frau.
  3. Als Grünen-Politikerin möchte sie denen eine Stimme geben, die nicht in das Bild von "normal sein" passen. Jetzt, Ende September 2021, zieht sie in den Bundestag ein.

Leverkusen – Das Gefühl, dass „der Zug in die ganz falsche Richtung führt“, hatte Nyke Slawik seit ihrer Kindheit. Der Druck, sich so zu verhalten, wie es sich vermeintlich für einen Jungen gehört, war extrem hoch. „Wenn das nicht gepasst hat, ist das bestraft worden“, erinnert sich die heute 26-Jährige. Die gebürtige Opladenerin ist es gewohnt, über sich und ihre Biografie zu sprechen. Immer wieder zu erklären, wie das ist, wenn einem Baby bei der Geburt das falsche Geschlecht zugeordnet wird.

Es geht um Identität

Das Wort „Transsexualität“ findet Nyke Slawik verwirrend. „Trans“ habe nichts mit Sexualität zu tun. „Trans“ alleine bedeute, sich nicht mit dem Geschlecht zu identifizieren, das man bei seiner Geburt bekommen hat. „»Transident« finde ich passender. Denn es geht um Identität“, sagt sie.

Das könnte Sie auch interessieren:

Nyke Slawik fühlt, dass sie in einer Schublade feststeckt. Immer die Rolle als „Erklärbär“ für so genannte queere Themen zugewiesen bekommt. Einerseits. Andererseits kann sie die Stimme erheben, für alle die nicht in „das Bild von Normalität reinpassen“. Und sich nicht, wie sie, für den Weg in die Öffentlichkeit entschieden haben. Mit gerade einmal 26 Jahren liegen bereits zehn Jahre des politischen Engagements hinter Nyke Slawik. Nächstes Jahr möchte sie für die Grünen in den Bundestag einziehen. Ihr Wunsch-Wahlkreis: Leverkusen. Hier ist sie geboren, aufgewachsen und zur Schule gegangen. „Das ist Heimat durch und durch. Ich wohne zwar in Düsseldorf, aber das ist immer etwas anderes“, sagt sie.

Klima, Europa, Demokratie

Die Opladenerin möchte eine Welt, in der es für sie kein Nachteil ist, transident zu sein. In der dies ein Teil ihrer Biografie ist, nicht mehr und nicht weniger. Die Normalisierung von Transmenschen ist aber längst nicht ihr einziges Thema: Klimawandel, Europa, Demokratie – dafür setzt sich die junge Frau ein.

Ihre politische Heimat bei den Grünen fand sie mit 16 Jahren. Der Wiedereinstieg in die Atomkraft unter CDU und FDP hatte sie zum Eintritt bewegt. Nyke Slawik war zwei Jahre im Landesvorstand der Grünen-Jugend. Im Moment ist sie Mitarbeiterin zweier Düsseldorfer Landtagsabgeordneter. Für die widmet sie sich vor allem den Themen Klima, Energie und Digitalisierung. Ihr Ehrenamt wiederum konzentriert sie vorrangig auf gesellschaftspolitische Dinge. „Das frisst unglaublich viel Zeit.“ Bis 2018 studierte sie außerdem in Düsseldorf Englisch und Medienwissenschaften.

Einfach in Ruhe lassen

„Das sieht man dir gar nicht an, du siehst so weiblich aus“, sei oft die überraschte Reaktion, wenn sie erzähle, dass sie transident sei. Es ist eine zusätzliche Aufmerksamkeit, auf welche die meisten transidenten Menschen gerne verzichten. „Viele haben beim Thema Transsexualität die Bilder von Drag Queens im Kopf. Dabei will ein Großteil einfach in Ruhe gelassen werden und ganz normal sein“, sagt Nyke Slawik.

Sie selbst versucht, sich keine Kategorien mehr aufzuerlegen. Auch nicht die von Mann oder Frau. „Ich möchte einfach ich sein. Ohne den Druck, mich einem Geschlecht entsprechend verhalten zu müssen“, sagt sie.

Umdenken an den Schulen

An den Schulen müsse sexuelle Vielfalt Pflichtthema werden. Denn dass Vorurteile weiter grassieren, erklärt sie auch damit, dass im Unterricht keine Aufklärung stattfinde: „Es gab Frau und Mann und deren Sexualität. Das war es“, erzählt sie von ihrer Schulzeit. Junge Menschen, denen es gehe wie ihr, müsse aber vermittelt werden, dass sie normal seien. Denn jeder Transidentitäre komme an den Punkt, an dem es nicht mehr weitergehe, sagt Nyke Slawik. In ihrer Jugend half ihr die Nähe zu Köln und Düsseldorf: Sie fand ein queeres Jugendzentrum, wurde Teil eines Theaterprojektes. Auch das Internet war wichtig, um sich mit anderen auszutauschen. „Der erste Schritt ist der härteste. Dann wird es leichter.“ Und: „Das eine Coming-Out gibt es nicht. Ich muss mich immer wieder erklären.“

Zu langwieriger Prozess

Der innere und äußere Wandel dauere zudem bis heute an. Eineinhalb Jahre lang benötigte sie für die Namensänderung. Der Schritt sei für Betroffene wichtig, in Deutschland aber zu kompliziert und langwierig, sagt Nyke Slawik. Geregelt ist der Prozess zu bürokratischen Änderungen für Trans-Personen im Transsexuellengesetz von 1981. Das schreibt etwa vor, dass der Änderung des Eintrages „männlich/weiblich“ eine geschlechtsangleichende Operation vorausgehen muss. 2011 erklärte das Bundesverfassungsgericht dies als verfassungswidrig. Die Reform des Gesetzes aber steht bis heute aus.