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Überfall in LeverkusenRäuber zu unreif für das Gefängnis

Lesezeit 4 Minuten
2019: Raub in einem Kiosk Dönhoffstraße.

Fast fünf Jahre brauchte das Kölner Landgericht, um sich des Raubüberfalls auf den Kiosk in der Dönhoffstraße kurz nach Weihnachten 2019 anzunehmen.

Zwei Jahre auf Bewährung bekommt der jetzt 25-Jährige. Sein Komplize beim Überfall auf den Kiosk in der Dönhoffstraße bleibt unbekannt.

„Nicht schlüssig, nicht plausibel, nicht glaubhaft.“ So bewertet am Donnerstag Harald Helmes die Story, die der Angeklagte Dejan C. (Name geändert) der 17. Großen Strafkammer am Kölner Landgericht zum Beginn des Prozesses aufgetischt hatte. Und schließt sich damit der Bewertung des Staatsanwalts an. Mit dem Raubüberfall am 27. Dezember 2019 auf den Kiosk in der Dönhoffstraße habe er nichts zu tun, war die Schlussfolgerung des Montenegriners und seines Verteidigers Claus Eßer.

Das Fluchtauto, das die Räuber ein paar hundert Meter weiter an der Moskauer Straße stehenließen, nachdem sie es nicht zwischen zwei Pollern dort hindurch manövrieren konnten, habe gar nicht mehr ihm gehört, so der Angeklagte. Ein gewisser Marco sei des Wegs gekommen, als er den silbernen Opel Vectra ein paar Tage vor dem Überfall bei dem Mann habe abholen wollen, dem er kurz zuvor den Wagen abgekauft hatte. Jener Marco habe auch zufällig 2200 Euro bar in der Tasche gehabt, auf die man sich dann einigte. Mehr könne er zu dem Käufer nicht sagen. Einen schriftlichen Kaufvertrag gebe es nicht, es sei ein Handschlag-Deal gewesen – was ja durchaus erlaubt ist.

Das kann man einfach nicht glauben.
Richter Harald Helmes zur Story des Angeklagten

Die DNA-Spuren in einem Hoodie, den ein Zeuge des Überfalls aus einem Abfallbehälter barg, stammten von einer Reinigungsaktion des Autos, war die nächste Erklärung. Am absurdesten erschien aber die Erklärung des Angeklagten für seine DNA in einer schwarzen Sturmhaube, die bei dem Überfall getragen wurde. Die müsse auf irgendwelchen Wegen von der Kart-Bahn in Ossendorf, die er damals häufiger besucht haben will, in die Mittelkonsole des Vectra gelangt sein. Ungewaschen, wohlgemerkt. „Das kann man einfach nicht glauben“, so Richter Helmes.

Vielmehr habe sich im Prozess ergeben, dass Dejan C. und ein unbekannt gebliebener Komplize den Kiosk am Tag nach Weihnachten überfallen haben. Ein sehr günstiger Zeitpunkt: In dem Laden werden Bargeld-Transfers in die ganze Welt abgewickelt; am Tattag lagen fast 22.000 Euro in der Kasse, denn das Geld wird nur zweimal in der Woche abgeholt.

Mit Pfefferspray und einer Waffe in den Kiosk

Also parkten die Räuber ihr Auto vor der Christuskirche, maskierten sich, Dejan C. holte eine Pistole aus der Tasche, während sein Komplize die Kartusche mit Pfefferspray klarmachte. Die beiden stürmten in den Laden, die Aushilfe bekam eine Ladung Reizgas ab, es folgte der gezielte Griff in die Schublade, in der das Transfer-Geld aufbewahrt wird. Das war alles auf einem Video zu sehen, von dem im Prozess indes nur noch Fotos übrig waren.

„Das trägt gewisse professionelle Züge“, urteilt Helmes. Umso mehr, als das Auto auch noch mit falschen Kennzeichen ausgestattet war. Und der Komplize beim Kauf den irgendwo erbeuteten Personalausweis eines Deutschen vorgelegt hatte. Alles in allem war der Raubüberfall minutiös geplant.

Autofahrer verhindert mit Vollbremsung eine Katastrophe

Womit Dejan C. und sein Kumpel aber offenbar nicht gerechnet hatten: Der gerade mit Pfefferspray außer Gefecht gesetzte Kiosk-Verkäufer rappelte sich auf, klammerte sich auf der Fahrerseite an den Vectra und ließ auch dann nicht los, als der Wagen immer weiter beschleunigte. Nach rund 100 Metern konnte sich der schmächtige Mann aus Indien nicht mehr halten und ließ los. Der Fahrer eines Smart, der ihm entgegenkam, verhinderte mit einer Vollbremsung eine Katastrophe. Aber auch so trug das Raubopfer schwere Verletzungen am Kopf und der Wirbelsäule davon.

„Diese Verletzungen ordnen wir Ihnen nicht zu“, präzisiert der Richter. Denn es war nicht zu beweisen, dass Dejan C. am Steuer gesessen habe. Auch über die Pistole lässt sich nichts Genaues sagen. Das könnte auch „eine Schein-Waffe“ gewesen sein. Also zog bei der Urteilsverkündung ein zweites Mal der Grundsatz: Im Zweifel für den Angeklagten.

Noch entscheidender ist aber dies: Obwohl Dejan C. am Tag des Überfalls 20 Jahre alt war, behandeln ihn die Richter als Jugendlichen. Ihm wird eine „Entwicklungsverzögerung“ unterstellt, weil er mit 15 aufgrund der Trennung seiner Eltern nach Deutschland auswandern musste und hier vor allem wegen der Sprache zunächst Probleme hatte, Fuß zu fassen.

Helmes macht am Donnerstag den Unterschied deutlich: Der schwere Raub mit gemeinschaftlicher Körperverletzung sei „eine schwere Straftat, die bei einem Erwachsenen mindestens fünf Jahre bedeutet hätte.“ Dejan C. hingegen kommt mit zwei Jahren davon, die zudem zur Bewährung ausgesetzt werden. Auch die Verfahrenskosten werden ihm erlassen. Die erbeuteten knapp 22.000 Euro allerdings wird der Staat bei dem jungen Kölner eintreiben.