Leverkusen – Die ersten Ukraine-Flüchtlinge – eine Familie mit zehn Kindern aus Lwiw, früher Lemberg, – hat Michael Engelmann am Montag im Untergeschoss des Gemeindehauses in Manfort untergebracht. Das dreijährige Kind hat sehr starken Husten nach der Odyssee aus dem Kriegsgebiet. Gut, dass die Freikirchliche Gemeinde einen guten Kontakt hat zum Küppersteger Arzt Ulrich Faßbender. Er hat dann Termine organisiert bei Kollegen. Auch die Stadt Leverkusen versucht, die medizinische Versorgung und sonstige Hilfen für die Flüchtlinge zu organisieren.
Seit dem Wochenende erreichen nach und nach immer mehr Kriegsflüchtlinge die Stadt. Und werden vorerst privat aufgenommen. Engelmann hat für die Familie aus Lwiw gerade eine Wohnung in Bergisch Gladbach organisieren können. Auch das ist über private Kanäle gelaufen, im Leverkusener Rathaus muss man sich noch sortieren. Für Engelmann ist das verständlich: Allein, dass in den offiziellen Flüchtlingsunterkünften der Schutz vor Corona-Infektionen gewährleistet sein muss, koste Zeit. Im Keller des Gemeindehauses behilft man sich zunächst mit Masken, organisiert Schnelltests.
Odyssee im Reisebus
Die zwölfköpfige Familie hat Engelmann in Düsseldorf abgeholt. Dorthin waren sie von der ukrainisch-polnischen Grenze mit einem Reisebus gekommen: Ein Unternehmer aus Aachen hatte den Transport organisiert. Derzeit würden in der Freikirchlichen Gemeinde weitere Transporte vorbereitet, nach Polen, Moldawien und Rumänien. Überall strandeten Flüchtlinge aus dem Kriegsgebiet. Michael Engelmann erwartete in dieser Nacht die Ankunft einer Familie aus Kiew. Sechs Personen, „sie sind seit vier Tagen unterwegs“, berichtete er am Donnerstag.
Mila Gederovitch hat eine Mutter mit ihren beiden Jungs – sie sind fünf und 13 Jahre alt – aufgenommen. Ihren Mann hat die 37-Jährige in der Ukraine lassen müssen: „Er will kämpfen“, sagt Gederovitch, die selbst vor gut 30 Jahren nach Deutschland gekommen ist und in Schlebusch lebt. „Wir haben genug Platz.“ Der Kontakt zu der vom Krieg zerrissenen Familie sei über ihre Schwester in Hannover zustande gekommen, sagt Gederovitch. Die zweifache Mutter sei „fix und fertig“, erzähle „Geschichten, die kaum auszuhalten sind“.
Verwandte in Lwiw
Sie selbst hat einen Cousin in ihrer Heimatstadt Lwiw, ihr Mann seine Oma. Die alte Frau werde ihr Land sicher nicht mehr verlassen. Bei jungen Leuten sei das sicher anders. Das gelte auch für engagierte, hoffnungsvolle Russen, da hat die Ukrainerin keinen Zweifel. Bei denen, die aus Russland einen modernen Staat machen wollen, genieße Putin garantiert keinerlei Rückhalt mehr. Aber es gebe auch die, „die sich nicht neutral informiren, obwohl man das auch in Russland kann“. Es falle ihr schwer, für diese Leute Verständnis aufzubringen.
Jeden Tag hat Mila Gederovitch Kontakt mit Bekannten in ihrer alten Heimat: „Manchmal schreibe ich morgens und habe erst abends eine Antwort, weil die Leute in irgendwelchen Kellern sitzen und keinen Empfang haben.“ Noch sei das Netz offen. Über die Zukunft mag die Frau nicht nachdenken.
Elena Büchel geht es ähnlich. Ihre Freundin berichtet von täglichen Luftangriffen, auch nachts, sodass sie im Keller schlafen müsse. Züge sollen noch fahren, obwohl der Bahnhof angegriffen wurde. In Tschernigow, ihrer Heimatstadt, nicht weit von der belarussischen Grenze, seien die Bombardements noch schlimmer, sagt Büchel. Panzer würden durch die Straßen fahren, die Zahnklinik der Stadt sei zerstört. Leute hätten teils kein Wasser mehr, da die Leitungen getroffen seien, teilweise hätten Häuser auch keine Fenster mehr, die kaputtgegangen sind – und noch herrscht Frost in der Ukraine. Nichtsdestotrotz: „Die Leute sind kampfbereit“, sagt sie.