Lichtverschmutzung ist wohl nur den Wenigsten ein Begriff. Dabei geht es um die negativen Auswirkungen von künstlichem Licht.
Die BayArena und der Chempark sorgen in Leverkusen dafür, dass die Stadt heller erleuchtet ist als die Kölner Altstadt und ungefähr so hell ist wie Paris.
Was es mit dem Phänomen auf sich hat und warum es schädlich für den Menschen und die Umwelt ist, lesen Sie hier.
Leverkusen ist pink. Nein, eigentlich ist es mehr ein Lila. So erscheint die Stadt zumindest auf der Karte der „Light Pollution Map“, die die verschiedenen Helligkeitsstufen aus Satellitensicht darstellt. Leverkusen ist auf einer Stufe mit Großstädten wie Köln oder Ballungsgebieten wie dem Ruhrgebiet und kommt teilweise an Metropolen wie Paris heran.
„Lichtverschmutzung“ ist ein Begriff für ein recht neues Phänomen, das erst in den Fokus geraten ist, seit Großstädte hell erleuchtet sind und Werbung Tag und Nacht strahlt. Der Begriff zielt auf die negativen Auswirkungen auf die Umwelt durch künstliches Licht ab.
Erst seit den 70ern wird sich mit den negativen Folgen von künstlichem Licht befasst
Geregelt sind Lichtimmissionen wie andere Immissionen (Lärm oder Strahlung) im Bundesimmissionsschutzgesetz. Richtlinien auf Bundes-, aber auch auf Landesebene regeln, wie Licht ausgestaltet sein darf. Erst seit den 70er Jahren befasst sich die Politik mit den negativen Begleiterscheinungen von Licht, davor war von negativen Auswirkungen lediglich die Blendung von Autofahrern die Rede, schaut das Landesamt für Natur- und Umweltschutz in NRW (LANUV) auf seiner Webseite zurück. 2000 wurde die Landes-Richtlinie überarbeitet, sie unterscheidet zwischen dem Charakter des Areals und den verschiedenen Tageszeiten.
Krankenhäuser oder Kureinrichtungen haben strengere Richtwerte als Wohnsiedlungen. Die wiederum unterliegen strengeren Richtwerten als Industrie- und Gewerbegebiete. Um zu beurteilen, wann Licht als unangenehm und belästigend empfunden wird, gibt es unterschiedliche Messparameter, informiert das LANUV. Für die Überwachung sei in der Regel die Untere Immissionsschutzbehörde der Stadt zuständig, erklärt Birgit Kaiser de Garcia, Pressesprecherin beim Umwelt-Landesamt. Immer wieder gebe es Beschwerden über Beleuchtungsanlagen, wenngleich das Aufkommen überschaubar sei.
BayArena und Chempark erleuchten Leverkusen heller als Kölner Altstadt
Die Karte „Light Pollution Map“ wertet Satellitendaten von 2019 des Systems VIIRS-Suomi NPP aus, gemessen wird hier die nach oben gerichtete Lichtabstrahlung. In Leverkusen stechen eindeutig zwei Punkte heraus: Das Areal um BayArena und Autobahnkreuz und um den Chempark. Selbst die Kölner Altstadt und das Zentrum kommen nicht an deren Intensität heran.
Anhand dieser Karte kann man gut erkennen, dass sich „die Lichtverschmutzung über den Bereich der eigentlichen Lichtquellen hinaus wesentlich großräumiger in die Umgebung auswirkt“, erklärt Birgit Kaiser de Garcia und präzisiert: „Für fast das gesamte Stadtgebiet von Leverkusen ergibt sich ein relativ hohes Maß an Lichtverschmutzung, wie im räumlichen Mittel, aber ähnlich auch im benachbarten Köln oder in den weiteren Großstädten an Rhein und Ruhr.“
Karten der Städte, auf denen sich Bürger die verschiedenen Helligkeitsstufen anschauen können, gibt es nicht. Selbst die Stadt Leverkusen hat so etwas nicht. Beschwerden aus dem Stadtgebiet würden aktuell „nicht vorliegen“ und seien in der Vergangenheit „auch nur sehr sporadisch aufgetreten“, erklärt Stadtsprecherin Julia Trick auf Anfrage. Doch fand das Thema immer mal wieder Eingang in die politische Diskussion, beispielsweise anhand einer Lichtreklame Am Frankenberg.
Ende 2019 hatte Opladen Plus in einem Antrag ein stadtweites Verbot von „blinkenden und blitzenden Werbeanlagen“ gefordert. Im ehemaligen Sparkassengebäude Am Frankenberg gebe es eine „grelle Laufschriftanlage“, die genau in ein Wohnzimmer im gegenüberliegenden Wohnhaus strahle, hatte Opladen Plus erklärt und kritisiert, dass für die Anwohner solche Anlagen kaum zu ertragen seien. „Es bedeutet für sie einen permanenten Quelle der Unruhe und Stress.“
Bei Beschwerden wird versucht zu vermitteln
Die Verwaltung sieht hier allerdings ihre Hände gebunden. Abgesehen davon, dass Werbeanlagen dieser Größe nicht der Baugenehmigungspflicht unterliegen würden, können Gemeinden zwar örtliche Bauvorschriften erlassen und Anforderungen „an die äußere Gestaltung von Werbeanlagen mit dem Ziel der Erhaltung und der Gestaltung von Ortsbildern“ formulieren – auch Verbote von Werbeanlagen „aus ortsgestalterischen Gründen“ gebe die Verordnung her –, doch das bezieht sich immer nur auf Teile des Gebietes. „Generelle Vorschriften für ein ganzes Gemeindegebiet sind unzulässig“, hatte die Stadtverwaltung in ihrer Stellungnahme Anfang des Jahres erläutert. „Im Ergebnis ist festzuhalten, dass es keine bauordnungsrechtlichen Instrumentarien gibt, die ein Verbot von blinkenden und blitzenden Werbeanlagen ermöglichen könnten.“
Eine weitere Beschwerde betraf in der jüngsten Vergangenheit die freiwillige Feuerwehr Lützenkirchen, die ihr Gelände intensiv ausleuchtete, Anwohner und Nachbarn fühlten sich durch die „Blend- und Aufhellung“ belästigt. Hier konnte gemeinsam eine Lösung gefunden werden, erklärt Stadtsprecherin Julia Trick. Bewegungsmelder wurden installiert und auch die Ausrichtung der Strahler wurde angepasst. Andere problematische Standorte wie die BayArena in der Nähe zur Autobahn würden durch die Beleuchtungstechnik keinen Belästigungstatbestand erfüllen, betont Trick. Hier sei aber auch vorher ein Fokus auf die Ablenkungswirkung gelegt worden.
Auch Tiere und Pflanzen leiden unter künstlichem Licht
Doch nicht nur Menschen können an einem „zu viel“ an Licht leiden, auch bei Tieren und Pflanzen erzeugt es Stress. Darauf macht der Nabu Leverkusen aufmerksam. Diplom-Biologin Mechtild Höller zählt Beispiele auf: Künstliches Licht kann zu verspätetem Laubabwurf führen, erklärt sie, dadurch geben Bäume länger im Jahr über die Blätter mehr Feuchtigkeit ab und vertrocknen. Darüber hinaus könnten sich in hellen Gebieten Knospen zu früh bilden und die Blühzeiten verändern. Keine gute Nachricht, da Bienen und andere Bestäuber sich nicht so schnell anpassen können.
Bei nachtaktiven Tieren kann künstliches Licht außerdem die empfindlichen Augen blenden, Desorientierung ist die Folge. Ein Großteil der fliegenden Insekten werde vom Licht angezogen, betont Höller. „Ein Entfernen aus dem Lichtschein gelingt ihnen nicht. Sie ermüden und fallen tot zum Boden“, beschreibt die Leverkusener Biologin und zitiert eine Forschungsarbeit, bei der mehr als 1000 Fluginsekten an einer einzelnen Straßenleuchte festgestellt wurden. „Dieser Anlockeffekt wird als Staubsaugereffekt bezeichnet. Die Nahrungs- und Partnersuche wird beeinflusst, Ökosystemleistungen werden gestört, wenn zum Beispiel durch die Abnahme von Nachtfaltern, Zweiflüglern und anderen Insekten weniger Pflanzen bestäubt werden“, skizziert Höller den Teufelskreis.