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Nach elf Jahren VerwaltungsruheJetzt kommt der Plan für Naturschutzgebiete in Leverkusen

Lesezeit 4 Minuten
Bei Atzlenbach. Foto: Ralf Krieger

Auch diese Obstwiese bei Atzlenbach wird im Landschaftsplan erwähnt.

Plötzlich kommt der Landschaftsplan für Leverkusen in die Gremien – nachdem elf Jahre lang nichts von ihm zu hören war.

Auch Behörden brauchen manchmal etwas Zeit: Vor mehr als elf Jahren hat man zum letzten Mal etwas von einem neuen Landschaftsplan für die Stadt Leverkusen gehört. Die Verwaltung ließ damals einen aufwändigen Entwurf machen, aber er verschwand 2012 plötzlich und unerwartet in der Versenkung – nach einer turbulenten Bürgeranhörung.

Jetzt legt die Stadtverwaltung einen neuen und überarbeiteten Plan vor, der im Leverkusener Ratsinformationssystem abrufbar ist. Als erste Ausschüsse sollen der Umweltausschuss und der Bauausschuss in diesem Monat abstimmen, ob sie den Plan akzeptieren.

Mit einem Landschaftsplan legt eine Stadt für viele Jahre wichtige Dinge fest: wo Naturschutzgebiete sein sollen, welche Bäume den Status eines Naturdenkmals tragen sollen, welche Felder unter Landschaftsschutz gestellt werden, welche Landstriche sich ökologisch wie entwickeln sollen. Die Materie ist hochkomplex und es geht um viele Details: 29 Dateien, zum Teil große Karten, sind in das System eingestellt worden. Der Plan wird in einer Abteilung im Baudezernat erstellt.

Es soll viel mehr Naturschutzgebiete geben: 918 statt bisher 177 Hektar

Auf den ersten Blick fällt etwas aus Sicht von Umweltschützern Positives auf: Die Fläche der Naturschutzgebiete im Stadtgebiet wird sich erheblich erhöhen. Viele neue Gebiete sollen hinzukommen: Bach- und Flussauen, der Bürgerbusch soll demnach zu ungefähr zwei Dritteln unter Naturschutz gestellt werden, das alleine sind mehr als 150 Hektar. Die zwei kleinen heutigen Waldnaturschutzgebiete dort würden davon quasi geschluckt. Ein weiteres großes Gebiet soll am Rheinufer um die alte Wuppermündung herum geschützt werden, außerdem fast das gesamte Grünland an der Wupper zwischen Bürrig, Reuschenberger Mühle, Pescher Busch in Rheindorf.

Auch Schlebusch wird bedacht: Zwischen der Dhünn und der Bensberger Straße soll der ganze Wald um den Scherfenbrand unter Schutz kommen (35 Hektar), auch der Friedhof würde laut Plan Naturschutzgebiet; bisher sind dort nur die Dhünn und die Ufer geschützt. Im Wiembachtal sollen 69 Hektar hinzukommen. Zum Vergleich: das Autobahnkreuz ist 14 Hektar groß, das Dach der Bay-Arena 3,6 Hektar.

ND 2.3.66, Rosskastanie, an der Rathenaustraße. In dem Baum dürfen Misteln wachsen. Alter Baum, Parkbaum Foto: Ralf Krieger

Diese Rosskastanie an der Rathenaustraße ist seit 1987 ein Naturdenkmal. Im neuen Landschaftsplanentwurf sollen viele Naturdenkmäler ihren Status verlieren. Auch dieser Baum.

Leverkusen ist derzeit mit 177 Hektar (2,26 Prozent der Stadtfläche) im Vergleich der Städte und Kreise extrem arm an Naturschutzgebieten. Es könnten also bald 918 Hektar sein, mit knapp zwölf Prozent der Stadtfläche wäre man im Rheinland im Mittelfeld (zum Vergleich: Köln 8,4, Bonn 23 Prozent).

Die Fläche, die unter weniger strengem Landschaftsschutz steht, soll ungefähr gleich groß bleiben zu heute. Allerdings zeigt aktuell der Bau der Feuerwache Auf den Heunen, dass Landschaftsschutz kaum Sicherheit gegen Zugriffe bedeutet.

Friedhof Burscheid, Blutbuche, Naturdenkmal, wird gefällt, weil der Baum angeblich nicht mehr sicher ist. Foto: Ralf Krieger

Ein Naturdenkmal sollte gekennzeichnet sein.

Weniger gut sieht es im neuen Plan bei der Zahl der Naturdenkmäler aus. Der gültige Landschaftsplan stammt aus dem Jahr 1987. Damals stellte man 80 schützenswerte Bäume, Baumgruppen, Tümpel und den Teufelsstein unter den besonderen Schutz. Einige wurden inzwischen gefällt, aber im Entwurf für den neuen Plan sollen 30 Naturdenkmäler aus der Liste der Naturdenkmäler gestrichen werden: zum Beispiel im Wiesdorfer Stadtpark. Man müsse den Einzelfall betrachten, so eine Stadtsprecherin.

Geschützt werden sollen im neuen Plan 54 Einzelbäume und Baumgruppen, der Teufelsstein und ein wassergefüllter Bombentrichter im Bürgerbusch.

Weiße Flecken auf der Karte

Noch etwas fällt auf: Im Großen und Ganzen sollen alle landwirtschaftlichen Flächen zu Landschaftsschutzgebieten erklärt werden, aber es gibt weiße Flecken im Plan, die nicht geschützt werden sollen. Diese Flecken sind identisch mit den „Potenzialflächen“ für den Häuserbau, um die ernsthafte Konflikte zwischen Naturschutz und dem Bauamt schwelen. Beispiele sind die Felder an der Berliner Straße gegenüber Meckhofen, neben Mathildenhof und große Bereiche in den verbliebenen grünen Lungen Quettingens am Friedhof und am Holzer Weg. Auch das Feld im Landschaftsschutzgebiet Kurtekotten, auf dem Bayer 04 ein Internat plant, ist hier zu nennen. Und seltsam: Selbst am Bohofsweg, wo man sich schon gegen eine Bebauung entschieden hatte, soll eine Fläche ohne Schutz bleiben.

Wie erklärt die Verwaltung selbst den Verzug von elf Jahren in dem „Verwaltungsakt Landschaftsplan“? Vereinfacht gesagt heißt es im Antrag: Keine Zeit gehabt, zu viel anderes zu tun gehabt.

Die vorgeschriebene Beteiligung der Öffentlichkeit betrachtet die Verwaltung als erledigt. 2012 waren 120 Bürger ins Forum gekommen; Oberbürgermeister Reinhard Buchhorn bekam den heftigen Widerstand vieler Bürger zu hören.