Hans-Martin Kochanek gibt kurz vor seinem 66. Geburtstag sein Lebenswerk an seinen Nachfolger ab.
Naturgut LeverkusenGründer Kochanek zieht sich zurück – und bleibt der Aufgabe treu
Es soll ziemlich voll werden in der alten Burg Ophoven, wenn am Mittwoch der Gründer und Leiter des Leverkusener Naturguts Ophoven mit einer Feier von eingeladenen Gästen in den Ruhestand verabschiedet wird. Aus seiner Idee, das Thema Umweltschutz aus einer aktiven Bewegung breit in die Bevölkerung zu tragen, aus dem anfänglichen Unikat des Naturguts ist inzwischen ein Vorbild für Umwelt-Bildungseinrichtungen in ganz Deutschland geworden. Jetzt wird Hans-Martin Kochanek aus dem Beruf ausscheiden, seiner Berufung aber will er treu bleiben. Denn: „Mein Leben ist mein Beruf“, sagt er.
Mit der Berufung ging es bei dem in Leverkusen Aufgewachsenen nach dem Abitur am Carl-Duisberg-Gymnasium während seines Biologie-Studiums in Köln los. Das beinhaltete in dieser Zeit mehr Biochemie als Zugang zur Natur, während Hans-Martin Kochanek an den Wochenenden mit der von ihm aufgebauten Naturschutzjugend und ab 1980 mit dem Ökotreff in Leverkusen loszog, Krötenzäune baute, Hecken und Bäume pflanzte und Meisenkästen installierte. Die waren mitunter wenig später mutwillig zerstört, „weil die Leute nicht kapierten, was wir da machten“, so erinnert er sich.
„Es ging also um eine Bildungsfrage“, war sich der Sohn eines Lehrerhaushaltes schnell bewusst, der sein Studium zwischenzeitlich mit einer Doktorarbeit über das Fressverhalten von Turmfalken beendete. Im Wohnzimmer seiner Mutter gründete er mit 15 Gleichgesinnten einen Verein für Umweltbildung. Wie so etwas zu vermitteln sei, darüber informierten sich die Vereinsmitglieder in ganz Deutschland, bei ähnlich gelagerten Einrichtungen, worunter sie aber kein wirklich passendes Vorbild für das fanden, was sie dann begründeten: das „Natur- und Schulbiologie-Zentrum Leverkusen“.
Ophoven wird Naturgut
Was sein Zuhause dann in einer verkommenen historischen Immobilie fand, der ehemaligen Wasserburg Ophoven, dem angeblichen ältesten profanen Gebäude im Stadtgebiet. Nachdem der Traum der früheren Kreisstadt Opladen, einen Freizeitpark zu installieren, ausgeträumt war, bezogen hier jahrelang Schausteller mit Tieren ihr Winterquartier. 1984 zog der Verein in das alte Gemäuer ein und war bis 2000 mit der schrittweisen Renovierung des Gutshauses und der angrenzenden Gebäude beschäftigt.
Der anfängliche Verdacht, hier würde einer bestimmten Partei zugearbeitet, war schnell überwunden. 1988 erging der Ratsbeschluss, dass Stadt und Förderverein gemeinsam hier eine Umwelt-Bildungseinrichtung betreiben. Das Naturgut war geboren, mit Kochanek als dessen Leiter. „Die Schulen waren sofort dabei und nutzten unser auf die Zielgruppen zugeschnittenes Angebot“, erinnert er sich. Umweltthemen in der Praxis, bei einem Ausflug ins Naturgut kennenzulernen, hatte immer einen anderen Reiz als ein Lehrervortrag im Klassenzimmer.
Das Naturgut expandierte, aus anfangs drei sind mittlerweile neun städtische Bedienstete geworden. Der Förderverein und die Naturschutzverbände arbeiten unterstützend mit, Zivildienstleistende, später dann Bundesfreiwilligendienst, Wiedereinsteiger in den Beruf kommen hinzu und inzwischen bis zu 50 stundenweise beschäftigte Honorarkräfte. Bis zu fünf Gruppen gleichzeitig werden auf dem Naturgut betreut, Schulklassen aus einem Radius von rund 70 Kilometern kommen dafür auf die Anlage an der Talstraße.
Über die Jahre machte das Naturgut immer mehr von sich reden, wozu auch die Landesgartenschau in Leverkusen und die Expo 2000 beitrugen. „So um die 30 Minister“ seien über die Jahre zu Besuch gekommen, Johannes Rau kam als Ministerpräsident wie später erneut als Bundespräsident. Es gab rund zwei Dutzend Auszeichnungen für das Naturgut, für Kochanek selbst den Umweltpreis der Stadt und den Leverkusener Löwen.
Inzwischen ist sein Naturgut zu einer „Blaupause für Klimabildung in Deutschland“ geworden. Im Auftrag des Bundesumweltministeriums leiten die Leverkusener inzwischen bundesweit 56 andere Umwelteinrichtungen an, die nach ihrem Vorbild arbeiten sollen. Doch trotz dieser Breitenwirkung bleibt auch in Opladen viel zu tun.
So sei Leverkusen noch weit davon entfernt, eine klimaneutrale Kommune zu werden, sei die Artenvielfalt in der Stadt extrem bedroht, auch weil es an weiteren Naturschutzgebieten mangele, und der Lichtsmog aufgrund falscher Laternen im Stadtgebiet erweise sich nach wie vor als übler Insektenkiller, zählt Kochanek auf.
Kochanek engagiert sich weiter
Es bleibt also genug zu tun für ihn, aus dem Ruhestand soll keine Untätigkeit werden. Zwei Monate Auszeit will er sich können, zu den Greifvögeln in die spanische Extremadura reisen und danach sehen, welches von vielen seiner Reiseziele in Europa er noch ansteuern will. Und dann soll es in Leverkusen weitergehen, als Ehrenamtler für das Naturgut und im Naturschutzbund Deutschland (Nabu), dessen stellvertretender Landesvorsitzender er ist und dessen Ortsgruppe in Leverkusen dringend Nachwuchskräfte benötigt, um die Arbeit fortsetzen zu können.
Auch wenn Hans-Martin Kochanek sich nun seit Jahrzehnten mit Umweltbildung, Klimaschutz und Artenvielfalt befasst, bleiben ihm einige Themen nahezu unergründlich. Zum Beispiel in der Psychologie: „Warum verhalten sich Menschen so, wenn sie wissen, dass sie damit sich und anderen schaden?“ Sein Erklärungsversuch: „Vermutlich, weil uns so viel Automatismus steuert, dass die Umgewöhnung trotz aller Einsicht zu schwierig ist.“
Dennoch setzt er darauf, Menschen begeistern zu können. So wie er selbst sich immer noch an den jahreszeitlichen Veränderungen der Natur und in ihren Schönheiten erfreut, die er als leidenschaftlicher Fotograf in mitunter spektakulären Bildern festhält. Seine schönsten Momente: „Wenn mich beispielsweise ein sechsjähriger Junge bei einem Eltern-Kind-Kurs an unseren Froschteich zieht, um mir aufgeregt seine persönlichen Entdeckungen zu zeigen.“
Seinen Nachfolger, Lars Dietrich, hat er ein gutes Jahr lang eingearbeitet, um das Naturgut macht Kochanek sich keine Sorge. Was ihn aber immer weiter umtreibt ist, ist der Klimaschutz und „dass wir als Menschheit nicht untergehen.“