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Opladen nach dem HochwasserEin Blick auf die Wunden der Flut

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Nicht einfach nur leer, sondern leergefegt: Ein Blick in den Rewe-Markt, der wohl erst 2022 wieder eröffnen kann.

Leverkusen – Die Macht des Wassers ist gewaltig. Das ist eine Erkenntnis, die nicht neu, aber mit einer neuen Dimension der Bedeutung daherkommt, sobald das Wasser eben nicht mehr in seinem angestammten Bett fließt, sondern Straßen entlang strömt. Sobald es nicht mehr Jahrhunderte benötigt, um seine Umgebung zu formen, sondern nur noch Stunden. Die Düsseldorfer Straße in Opladen ist dieser Tage ein Spiegel dieser jede Grenze sprengenden Macht.

Leergefegt und dreckig

Denn die bekannte Laden- und Einkaufsmeile hat ihr Gesicht verloren. Seitdem die Wupper am 14. Juli ihr Flussbett ob des Starkregens verließ und sich hier vorüberschob, sind überall schmerzvolle Veränderungen zu sehen. Umso mehr drei Wochen später, da rundherum das Leben ja wieder in geregelten Bahnen und die Wupper in ihrem Flussbett verläuft.

Wunden der Flut sind Ladenlokale, die nach der Überflutung nicht einfach leer stehen, sondern vielmehr leergefegt und dreckig sind. Berge von Müll und Schutt am Straßenrand. Und überall Menschen, die in den Gebäuden aufräumen, mit Hochdruckreinigern die Böden abspritzen, Unrat raus ins Freie wuchten und hämmern, schrauben, bohren. Nein: Wie vorher sieht hier nichts aus.

Neustart bei Null

Im großen Rewe-Markt an der Ecke zur Gerhart-Hauptmann-Straße steht quasi nichts mehr. Es ist ein „alles raus“, das nichts mit der Ankündigung einer Spar-Aktion zu tun hat, sondern mit dem Neustart bei Null nach einem brutalen Ende. Die Geschäftsführung lässt auf Nachfrage ausrichten, dass es derzeit keinen Ansprechpartner gebe, der etwas zur Situation sagen könne. Auf der Facebook-Seite des Unternehmens wird jedoch gemeldet, dass an eine Wiedereröffnung frühestens Anfang 2022 zu denken sei.

Und auch ein Mitarbeiter, der an der Rückseite des Gebäudes aufräumt, will zwar anonym bleiben, gibt aber Auskunft. Er steht da, wo normalerweise die Waren für den Markt angeliefert, derzeit aber nur Sachen abgeholt und weggeschafft werden: das vom Wasser zerstörte Interieur, die im Laden gelagerten Artikel. Es müsse alles neu angeschafft werden, sagt er. „Und der komplette Estrich, der Boden muss raus.“ Es sei „unglaublich“.

Optimusmus und Sarkasmus

Gegenüber des Supermarktes übt sich Uwe Beenen in einer Mischung aus Optimismus und Sarkasmus. Er sitzt an einem kleinen Tisch in dem Laden, der mal seine Hubertus-Apotheke war, und pafft eine Zigarre. „Heute Nachmittag“, sagt er, „feiern wir hier sentimentalen Abschied.“ Es werde gezwungenermaßen alles neu gemacht. Zwanzig Zentimeter hoch stand das Wasser in der Apotheke. Die unterirdische Technik ging flöten. Alle im Keller gelagerten Medikamente müssen vernichtet werden. „Als die Flut hier war, sind Pillen durchs Wasser geschwommen.“

Aber Klagen liege ihm fern, denn: „Wir reden hier erstens nicht, wie anderswo, von Toten. Und: Wir haben in den Tagen nach dem Hochwasser eine unfassbare Welle der Solidarität und Hilfsbereitschaft erlebt.“ Anwohnerinnen und Anwohner, Leute von außerhalb und nicht zuletzt knapp 80 Fans von Bayer 04 packten mit an und halfen. „Abends haben wir uns dann in den Innenhof hinter dem Haus gesetzt, Bier getrunken und Musik gehört – und plötzlich sind die Fenster aufgegangen.“ Die Nachbarn in den Etagen oben drüber kamen auf die Balkone. Und dann wurde zum Trotz gesungen und getanzt. Udo Jürgens und Abba gegen die Verzweiflung, die Wut, den Frust. Ein Rezept, das eigentlich in keiner Apotheke eingelöst werden kann – dieser Tage schon.

Zerstörte Telefonleitungen

Ein Stück weiter die Straße runter kauert Rüdiger Bähr unter einem Zelt der Telekom in einem Loch im Boden und wuselt sich durch einen Wust von Kabeln. Telefon- und Internet-Leitungen für bis zu 2000 Anschlüsse. Alle kaputt. Verschmort durch die fatale Verbindung von Elektronik und Wasser. „Wir versuchen hier zu retten, was noch irgendwie zu retten ist“, sagt der aus Hannover angereiste Handwerker einer Montagefirma.

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Und am Kreisverkehr hin zum Berliner Platz diskutiert der 84-jährige Karl-Horst Nagelbach mit der Inhaberin des Juwelierladens im Erdgeschoss der Nummer 77. Nagelbach gehört das 1907 erbaute Haus. Er sagt, er habe den Plan, „noch zehn Jährchen gesund und fit zu bleiben“. Und um das zu schaffen, müsse er nun wohl sein Haus verkaufen. Denn den Stress, mit den Flutschäden klarzukommen, wolle er sich in seinem Alter eigentlich nicht mehr antun.

Wasser im Stromzähler

Im Erdgeschoss stand die Wupper 1,20 Meter hoch. Im Keller brachen alle Dämme, die Technik ging flöten. Im Zählerkasten ist noch Wasser. Überall riecht es muffig und klamm. Nagelbach hat Angst, dass die Stromfirma die Elektrik erst wieder installiert, wenn er sie oberirdisch erneuern lasse. An normale Mieteinnahmen ist derzeit nicht zu denken. Kurzum: Es ist alles zu viel. Das Wasser hat das Gesicht der Düsseldorfer Straße verändert. Und es wird noch lange dauern, ehe es wieder nach einem Lächeln aussieht.