Seit 2016 weiß man, dass aus dem Chempark in großen Mengen per- und polyfluorierte Alkylverbindungen in die Umwelt gelangen. Geschehen ist seither nichts.
PFASWann gibt es in Leverkusen endlich weniger „ewige Chemikalien“?
35 Gramm am Tag – mehr sollten es nicht sein. Sagt das Landesamt für Umwelt, Natur und Verbraucherschutz. Tatsächlich gelangen sehr viel höhere Mengen der „Ewigkeitschemikalien“ aus der Stoffgruppe der per- und polyfluorierten Alkylverbindungen, kurz PFAS, aus dem Abwasser des Bürriger Klärwerks in den Rhein und damit in die Umwelt. 2022 waren es im Schnitt 457 Gramm am Tag. 2018 bis 2020 sind in der Abwasser-Datenbank ELWAS 691 Gramm verzeichnet und 2021 sogar ein ganzes Kilo am Tag.
Die enorme Fracht 2021 hängt mit der Explosion am Bürriger Sondermüllofen zusammen. Der Brand danach wurde mit vielen Tonnen Löschschaum bekämpft. Der enthält PFAS – jedenfalls bei der Werkfeuerwehr des Chempark. An den Flughäfen Köln/Bonn und Düsseldorf setze man seit langem auf fluorfreie Löschmittel, sagt Paul Kröfges.
Viele Fragen an den Regierungspräsidenten
Das ist aber nur eine Kritik, die der Wasserexperte des BUND (Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland) äußert. Mit Blick auf die gerade bundesweit anlaufende Diskussion um PFAS und eigene Erkenntnisse hat Kröfges der Bezirksregierung einen Fragenkatalog geschickt. Der Naturschützer wundert sich, dass die Belastung aus dem Chempark kaum zurückgeht, obwohl die „Ewigkeitschemikalien“ seit Jahren als Problem erkannt sind.
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Der BUND-Mann hat dabei zum einen den Umgang mit Löschmitteln im Auge. Dass die am Ende den Rhein mit PFAS-Mengen belasten, die um den Faktor 20 bis 30 über den Empfehlungen des Landesumweltamtes liegen, hält er für unverantwortlich.
Schon 2016 sei die extreme Verschmutzung offenbar geworden: Im Anschluss an einen Störfall bei Momentive waren viele Tonnen Löschwasser aus dem Chempark zunächst ins Klärwerk gepumpt und später in den Rhein abgelassen worden. Das Problem: Die Anlage kann an den Alkylverbindungen wenig bis nichts ausrichten.
Mit Blick darauf, dass es „mindestens seit 2015“ fluorfreie Löschmittel gibt, will Paul Kröfges von der Bezirksregierung wissen, ob man gemeinsam mit Currenta Überlegungen oder Prüfungen angestoßen habe, den problematischen Stoff zu ersetzen. „Wenn nein, warum nicht?“
Lanxess hat zwei Werke in Betrieb
Allerdings bescheren nicht nur Unfälle im Chempark den Leverkusenern eine extrem erhöhte PFAS-Belastung. Es ist auch die Produktion. Seit Jahrzehnten wird unterm Bayer-Kreuz ein Flammschutzmittel hergestellt, das per- und polyfluorierte Alkylverbindungen enthält. Dazu kommt ein Pflanzenschutz-Wirkstoff.
Die Anlagen sind 1972 und 1985 genehmigt worden, und sie haben Bestandsschutz. Heute gehören sie Lanxess. Dass die Rückstände das Abwasser belasten, weiß man dort seit Jahren. Deshalb wurde eine Anlage installiert, die das Abwasser vorklärt.
Beim BUND hält man das angesichts der hohen PFAS-Mengen im Wasser, das am Ende in den Rhein fließt, für nicht ausreichend. Kröfges fragt deshalb jetzt scharf nach bei der Bezirksregierung: „Welche konkreten Maßnahmen zur Reduzierung der PFAS-Belastung konnten ab 2022 mit dem Verursacher der Belastungen des Abwassers aus dem Chempark Leverkusen erarbeitet und umgesetzt werden? Und welche Ergebnisse hatten diese (bitte konkrete Messergebnisse)?“
Tut sich endlich was?
Außerdem will Kröfges wissen, ob denn endlich mit Fortschritten zu rechnen ist bei der Verminderung der „Ewigkeitschemikalien“, die so heißen, weil sie praktisch nicht abbaubar sind. Und die verantwortlich sind für vielfältige Defekte bei ungeborenen Kindern, das Immunsystem schädigen und Krebs verursachen. Er fragt: „Ist 2023 mit einer Einhaltung des Orientierungswertes von 35 Gramm pro Tag zu rechnen und bestehen entsprechende verbindliche Auflagen hierzu?“
Und falls nicht: „Ab wann ist denn damit zu rechnen und welche alternativen Möglichkeiten zu entsprechenden Reduzierungen werden konkret überlegt und wann umgesetzt?“ Der Kampf um PFAS, die in der Europäischen Union bald aus der Produktion verschwinden sollen, er tritt jetzt in eine neue Phase. Und der Chempark Leverkusen ist mittendrin.
Wie geht man im Rathaus mit dem Thema PFAS um? Dazu gab es am Montag einen Fragenkatalog der Linken im Stadtrat. Keneth Dietrich will wissen, ob das Trinkwasser in Leverkusen (insbesondere das Uferfiltrat) regelmäßig auf PFAS kontrolliert wird. Ob im Rathaus ein Grenzwert für die „Ewigkeitschemikalien“ definiert wurde, interessiert ebenfalls. Bisher gibt es ja nur Empfehlungen, die erheblich überschritten werden.
Mit Blick darauf, dass die Werkfeuerwehr PFAS-haltigen Löschschaum benutzt, will Dietrich wissen, wie es die städtische Feuerwehr damit hält. Und ob sie eine Karte erstellt, auf der Einsätze mit Löschschaum festgehalten werden. Schließlich interessiert ihn, ob nach Einsätzen mit Schaum die Belastung mit PFAS kontrolliert wird.
Außerdem soll die Stadtverwaltung beschreiben, wie es mit dem Arbeitsschutz und Kontrollen auf PFAS-Belastungen für städtische Mitarbeiter aussieht. (tk)