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Protest vor Leverkusener ZentraleBayers Glyphosat steht wieder in der Kritik

Lesezeit 3 Minuten
Aktivisten der „Coordination gegen Bayer-Gefahren“ stehen mit Transparenten vor der Konzernzentrale

Gisela Lauenstein, Kea Güldenstern, Jan Pehrke und Marius Stelzmann, Aktivisten der „Coordination gegen Bayer-Gefahren“, mit Transparenten und Brief vor der Konzernzentrale

Am Freitag debattieren die EU-Staaten über die Zukunft des Unkrautvernichters. Zeit für eine Mahnung der „Coordination gegen Bayer-Gefahren“ – und eine Reaktion des Unternehmens.

Deutschland will es nicht mehr unter grüner Regierungsbeteiligung – die EU aber schon: Bayer hat gute Chancen, dass die Zulassung für seinen Unkrautvernichter Glyphosat verlängert wird. Womöglich um die sonst üblichen 15 Jahre. Am Freitag debattiert der Ständige Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel erneut über die Zukunft des Pflanzengifts, das vor zwei Jahren noch Bayers Bilanz gehörig aufpoliert hat.

Am Donnerstagnachmittag wies die „Coordination gegen Bayer-Gefahren“ vor der Konzernzentrale an der Kaiser-Wilhelm-Allee auf die Probleme von Glyphosat hin. In einem fünfseitigen Brief fordern die Bayer-Kritiker das Unternehmen auf, Daten-Lücken zu den Risiken und Nebenwirkungen zu schließen. Solche seien von der europäischen Lebensmittelbehörde Efsa in den von Bayer eingereichten Studien festgestellt worden. Die „Coordination“ spricht von mehr als 20 „data gaps“ zur Beurteilung der Gefährlichkeit des Mittels für Mensch, Tier und Umwelt.

Gefahren lauern überall

Detailliert führen die Konzernkritiker die Lücken auf und möchten von Bayer jeweils wissen, ob es dazu Ergänzungen gibt. Dabei geht es um die Gefährdung von Arten, des Grundwassers und viele andere Probleme, zu denen weitere Angaben aus Sicht der „Coordination“ notwendig sind.

Indes: Antworten gab es zunächst nicht – und am Donnerstag wurden die Kritiker ihre Fragen bei Bayer auch nicht los. Ein Vertreter des Unternehmens ließ sich nicht blicken. Sogar der Wachmann vor dem Haupteingang des Glasbaus an der Kaiser-Wilhelm-Allee weigerte sich, das fünfseitige Schreiben entgegenzunehmen. Und einfach dort liegenlassen? Wurde auch nicht erlaubt.

Bayer reagiert erst später

Am Abend äußerte sich dann Utz Klages, Sprecher in Bayers Agrochemie-Sparte. Er sprach von „einigen wenigen Datenlücken“ in der ansonsten beispiellos umfangreichen Dokumentation zur Wirkung von Glyphosat auf Mensch, Natur und Umwelt. Sie enthalte „über 1500 Studien, darunter mehr als 100 neue Studien, sowie die Bewertung von über 12.000 wissenschaftlichen Artikeln im Hinblick auf Relevanz und Verlässlichkeit der präsentierten Daten“.

Zu den von den Gegnern kritisierten Lücken hieß es, dass „beispielsweise die Bewertung des ernährungsbedingten Risikos für Verbraucher aufgrund unvollständiger Daten über die Menge von Glyphosatrückständen in Fruchtfolgepflanzen wie Karotten, Salat und Weizen nicht abgeschlossen werden. Grund: Die Studien laufen noch“. Lücken seien nichts Besonderes. Das gebe es auch bei anderen Zulassungsverfahren. Dass sie „von Kritikern lauthals kritisiert werden, zeigt nur, dass sie keine wissenschaftlich validen Argumente gegen eine Erneuerung der EU-Genehmigung von Glyphosat vorbringen können“.

Marius Stelzmann, Sprecher der „Coordination“, sprach hingegen von „Gefahr im Verzug“: : Schon im Anschluss an die nächste reguläre Sitzung am 12. und 13. Oktober werde über die Zulassungsverlängerung des Totalherbizids in der EU abgestimmt. Zwar bekenne sich die deutsche Bundesregierung im Koalitionsvertrag dazu, dass Glyphosat ab 2024 von deutschen Äckern verschwinden soll. Doch dieses nationale Glyphosat-Verbot werde ohne ein EU-Verbot deutlich schwieriger rechtskräftig umzusetzen sein. Und: Die Bundesregierung habe bisher nicht gesagt, in Brüssel gegen die weitere Zulassung von Glyphosat stimmen zu wollen.

Unterdessen werde Bayer „sein gesamtes Lobby-Gewicht in die Waagschale werfen und schreckt nicht mal davor zurück, Methoden der Zivilgesellschaft für seine Zwecke zu okkupieren“, klagte Stelzmann: So habe sich der Konzern in einer Petition an den Deutschen Bundestag gewandt. Darin werde das Gegenteil dessen gefordert, wozu sich die Bundesregierung im Koalitionsvertrag bekannt habe: dass Deutschland sich für eine Verlängerung der Genehmigung für Glyphosat auf EU-Ebene einsetzt.