Leverkusen/Düsseldorf – „Wir haben die Technologien. Jetzt müssen wir sie einsetzen.“ Wenn es nur so einfach wäre, das zu verwirklichen, was Markus Steilemann zum Auftakt der Kunststoffmesse am Mittwoch sagt.
Covestros Vorstandschef weiß auch, dass es „kein Schweizer Offiziersmesser gibt“, mit dem sein Konzern – besser: die ganze Chemische Industrie – klimafreundlicher wird. Also Rohstoffe nicht mehr aus der Erde holt, sondern von der Müllhalde, ihren enormen Stromverbrauch aus Erneuerbaren Energien bestreitet und so weiter.
Zu den Technologien gehören immer bessere Windräder. Leichter, größer, haltbarer. Und billiger. Klaus Franken kann erklären, worauf es dabei ankommt. Er arbeitet in Covestros Leverkusener Windtechnologiezentrum, in dem genau daran gearbeitet wird mit den Kunden. Seit jeher setzt Covestro auf Konstruktionen aus Polyurethan-Harzen, also aus eigener Herstellung. Damit ist das Unternehmen eher ein Nischenanbieter, PU habe aber ein paar bestechende Eigenschaften, sagt Franken. Das Material ist flüssiger als andere. Das ermöglicht filigranere Konstruktionen, vor allem aber geht die Herstellung schneller.
Mit Blick darauf, dass die Rotoren von Windrädern mittlerweile über 100 Meter lang sind, sind Steifigkeit und Haltbarkeit große Themen. Im Blick sind auch die Kanten der Flügel. Da geht es um die Strömungseigenschaften, die neben der schieren Größe viel ausmachen für die Effizienz der Anlagen.
Ebenfalls im Blick am Stand des Windtechnologiezentrums: Kabelführungen. Auch die sind enormen Belastungen ausgesetzt, vor allem in den Windparks auf hoher See. Da darf nichts knicken, sonst bricht es irgendwann. Franken und sein Team haben also viel zu besprechen und auszuprobieren mit ihren Kunden.
Keine Produktion mehr in Deutschland
Dass inzwischen keiner von ihnen mehr in Deutschland produziert, findet Franken sehr schade. „Voriges Jahr hat der letzte aufgehört.“ Wesentlich besser läuft es in China. Dort hätten die optimierten Covestro-Flügel das Stadium von Prototypen verlassen, berichtet Franken. Das Produkt hat also abgehoben. In Europa soll das auch bald geschehen. Muss es auch: „An jedem Werktag müssten sieben Windräder in Betrieb gehen“, sagt Markus Steilemann. Davon ist Deutschland weit entfernt.
Woran das liegt, erklärt Markus Krebber. Der RWE-Chef sitzt mit Steilemann auf dem Podium, beklagt viel zu lange Genehmigungsverfahren, besonders in Deutschland. Und die fatale Neigung, immer alle Interessen ausgleichen zu wollen. Das laufe anderswo besser, zum Beispiel in den USA. Dort werde ein Ziel formuliert – und mit Volldampf darauf hingearbeitet. Aber es gebe Hoffnung: Die europäischen Vorgaben zur Reduzierung von CO₂ setzten einen Rahmen – aber jedes Unternehmen sei frei in seinen Entscheidungen, wie es die Ziele erreiche.
Tempo ist gefragt
Dass es möglichst schnell gehen muss, sagt Markus Steilemann bei jeder Gelegenheit. Operativ will Covestro in 13 Jahren klimaneutral sein. Und nur so eröffne man ja auch seinen Kunden die Möglichkeit, umweltfreundlicher zu sein, betont er.
Mit der Geschwindigkeit, die Steilemann vorgibt, ist Teresa Oberhauser nicht so richtig zufrieden. Die Koordinatorin der Jugendvertretung des Umweltprogramms bei den Vereinten Nationen beklagt in der Podiumsdiskussion, dass immer noch nicht genug getan werde. Dabei sei das Feld bestellt: Umfragen zeigten, dass die Kunden bereit sind, 50 Prozent mehr für ein sauberes Produkt zu bezahlen. Steilemann bezweifelt das nicht, verweist aber darauf, „dass wir die Kunden für den Umbau auch brauchen“.
Wobei Covestros Kundschaft ja die Industrie ist und aus den Kunststoff-Vorprodukten etwas entwickelt. Ein Problem, das ebenfalls zur Sprache kommt: Wie erkennt man überhaupt ein nachhaltig hergestelltes Produkt? Auf diesem Gebiet ist noch viel zu tun – wie auch beim Schließen von Stoffkreisläufen.
Auch daran wird in Leverkusen gearbeitet: Schaumstoff-Matratzen werden wieder in ihre chemischen Bestandteile zerlegt. Um danach wieder zu Matratzen-Schaumstoff zu werden. Ein geschlossener Kreislauf, der immerhin schon im vergrößerten Labor-Maßstab funktioniere, berichtet Karin Clauberg am Stand. Das Material kommt vom Recycler Interseroh.
Eine Kooperation, die typisch ist für Rohstoff-schonendes Wirtschaften. Weil das so entscheidend ist, hat die frühere Kunststoff-Sparte von Bayer ihren Auftritt auf dem weltgrößten Branchentreff auch unter das Motto „Zusammenarbeit“ gestellt. Anders lassen sich die Technologien tatsächlich nicht einsetzen.