Leverkusen – Die Kirche Sankt Andreas hat es in diesem Jahr an die Spitze geschafft, unter die ersten Drei im Erzbistum Köln: Zehn Glocken, gut auf einander abgestimmt und alle einsatzbereit, hängen in den beiden Türmen der katholischen Kirche an der Bergischen Landstraße.
Nur der Kölner Dom (elf Glocken) und St. Kunibert in Köln (24 Glocken) haben mehr zu bieten. Ein machtvolles Geläut also, das nur an ganz besonderen hohen kirchlichen Feiertagen in seiner Gesamtheit erklingen soll. Zu Weihnachten beispielsweise oder in der Neujahrsnacht.
Küster aus Leidenschaft
Zustande gekommen ist diese Glockenfülle in diesem Frühjahr. Als die Glocken der inzwischen entwidmeten Pfarrkirche St. Thomas Morus am Alten Grenzweg in den Ortskern von Schlebusch umzogen und ihr neues Zuhause im Südturm von St. Andreas bezogen. Initiator dieser Zusammenführung der ohnehin bereits klanglich aufeinander abgestimmten Glockenensembles ist Christian Kaltenbach, wie schon sein Großvater, der ein ausgewiesener Kirchen- und Glockenexperte war, Küster der Schlebuscher Gemeinde und seiner Aufgabe mit Leidenschaft verbunden.Doch die Geschichte der Schlebuscher Glocken ist lang. Sie reicht weit zurück. Bis ins Mittelalter.
Die ältesten Glocken, die im Südturm hängen und deren Ton noch immer regelmäßig durch Schlebusch schallt, Anna und Maria, stammen von 1490 und 1491 aus der Kölner Overath-Werkstatt, sind mit Palmettenfriesen und Pilgermünzen geschmückt. Die kleine Andreas-Glocke, vom Klang völlig anders und meistens allein geläutet, wurde 1607 in Köln gegossen. Sie alle zogen in die erst 1890 fertiggestellte Kirche St. Andreas um, an deren Stelle sie zuvor zur Vorgängerkapelle gehört hatten sowie zu der damaligen übergeordneten, 1810 aufgegebenen Kirche in Schlebuschrath.
Metallreserve eingelagert
Im Zweiten Weltkrieg wurden die Schlebuscher Glocken angeblich in Sicherheit gebracht, in ein Glockenlager in Hamburg; tatsächlich ging es nicht zuletzt um eine Metallreserve im Krieg. Wilhelm Kaltenbach, zuvor Küster der Kirche St. Josef in Köln-Kalk, die 1942 durch Bomben zerstört wurde, kam nach dem Kriegsende nach Schlebusch und übernahm dort die ihm vertraute Funktion. Vier neue Glocken waren inzwischen vom Bochumer Verein für Gussstahlfabrikation im Jahr 1948 geliefert worden. Weitaus billiger als die mittelalterlichen Bronzeglocken – doch deren vollen Klang erreichten sie eben nicht.
Umso elektrisierter reagierte Wilhelm Kaltenbach, als er davon hörte, dass die alten Schlebuscher Bronzeglocken, aus dem Hamburger Lager zurückgekehrt, inzwischen in Düsseldorf im Hafen lagerten. Mit dem in der Gemeinde aktiven Taxiunternehmer Arnold Leuffen holte er das alte Schlebuscher Geläut in dessen Mercedes zurück ins Dorf. Es wurde im Südturm installiert. 1976 dann wurden die zwei im Südturm installierten Stahlglocken abgehängt und durch neue Bronzeglocken ersetzt.
Die ausgebauten Stahlglocken wurden jahrelang in der Grünanlage neben der Kirche gelagert; 2011 gingen sie auf die Reise nach Griechenland, wo sie nun zu einem orthodoxen Kloster gehören. Bisher erklangen die Stahl- und Bronzeglocken in Schlebusch stets getrennt, weil die klangliche Kluft zu groß war. Diese wird nun geschlossen mit den drei Glocken von Thomas Morus aus den 1960er Jahren.„Diese waren von vorn herein auf die Glocken in St. Andreas abgestimmt und ergänzen den Gesamtklang des Geläuts sehr harmonisch“, sagt Christian Kaltenbach.
Der gelernte Bau- und Möbelschreiner, der 1998 das Amt übernahm, das sein Großvater bis 1973 innehatte, zog zahlreiche Experten mit zurate und konnte Pastor Hendrik Hülz von seiner Idee überzeugen, die drei Glocken der profanierten Nachbarkirche, die in naher Zukunft zu einem Wohnhaus umgebaut werden soll, in Schlebusch zu integrieren.
Ein Stück von Thomas Morus lebt in St. Andreas weiter
Die Denkmalbehörde war nicht ganz so überzeugt, von ihr gab es für die Pfarrgemeinde keine Fördermittel zum Umzug, wohl aber vom Erzbistum Köln. Immerhin kann so der Erhalt wertiger Glocken gesichert werden, die sonst womöglich für immer verstummt wären. Und ein Stück von Thomas Morus lebt in St. Andreas weiter.
Dass die Kirche am Alten Grenzweg geschlossen wurde, war zum einen eine Folge der schweren Schäden an der Dachkonstruktion, weshalb das Gebäude schon seit 2016 nicht mehr betreten werden durfte, zum anderen auch eine Folge der Überalterung der Gemeinde. Die Besucher blieben aus, die Pfarrei wurde aufgelöst und St. Andreas zugeordnet.Was dem Plan des Glockenumzugs in der Praxis folgte, war Zentimeterarbeit.
Ganz knapp konnten die drei neuen Glocken für St. Andreas durch einen Fachbetrieb mit Seilwinden über die Orgelempore hinauf durch enge Durchlässe in den Südturm gehievt und dort erfolgreich installiert werden. Die robuste Statik des Turms machte es möglich. Die etwas nostalgische Steuertechnik für die längst mit Elektromotoren bedienten Glocken wurde mit Kippschaltern und Kontrolllämpchen beibehalten und um ein modernes Steuerungsteil ergänzt.
Eine neue Läuteordnung
Noch nicht von der Gemeinde bewilligt ist die neue Läuteordnung, die die bestehende von 1998 ersetzen und die drei neuen Glocken angemessen integrieren soll. Es darf ja nicht einfach so gebimmelt werden, die katholische Kirche hat da ihre strengen Vorschriften und Gewichtungen. Als Experte hat Jan Hendrik Stens vom Kölner Domradio erarbeitet, wie St. Andreas nun mit seinem Zehn-Glocken-Geläut aus vier Epochen am eindrucksvollsten und liturgisch angemessensten läuten sollte. Fest steht schon, dass die Angelus-Glocke von Thomas Morus ihren Job jetzt für St. Andreas ausübt. In jedem Fall ermöglicht das neue Glockenensemble eine Vielzahl von Klangkombinationen zu den unterschiedlichen liturgischen Anlässen.Ob nun die Schlebuscher Glocken besser, süßer gar denn je erklingen? Die Schlebuscher werden es zu Weihnachten und Neujahr voraussichtlich hören können.