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Mahner gegen Treiber: NRW diskutiert über Corona-Öffnungen

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Düsseldorf – Die nordrhein-westfälischen Regierungspartner CDU und FDP kämpfen in der Diskussion um den Abbau von Corona-Schutzauflagen um ihre unterschiedlichen Positionen. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sprach sich am Mittwoch im „Frühstart” der Fernsehsender RTL/ntv dafür aus, den für Mitte Februar prognostizierten Höhepunkt der Omikron-Welle zunächst abzuwarten. Der Moment sei erst dann erreicht, wenn der Trend bei der seit Wochen ansteigenden Neuinfektionsrate endlich wieder zurückgehe.

„Diese hellseherischen Fähigkeiten, zu sagen, dann und dann können wir lockern, die habe ich nicht”, sagte Laumann. Daher bleibe er mit Öffnungsvorhersagen sehr vorsichtig. Zu der für den 16. Februar geplanten nächsten Bund-Länder-Runde zur Corona-Krise sagte der CDU-Politiker: „Ich glaube, dass die Politik sich einen großen Gefallen tut, wenn wir nicht in jedem Bundesland große Einzelwege gehen, sondern möglichst viel gleich gestalten.”

Der stellvertretende Ministerpräsident und Vorsitzende der NRW-FDP, Joachim Stamp, forderte demgegenüber Lockerungen schon mit der zum 9. Februar anstehenden Aktualisierung der Corona-Schutzverordnung. Bei der Neufassung müsse es Anpassungen geben, sagte Stamp im „Morgenmagazin” von WDR 2.

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Beschränkungen für den Sport und die Jugendarbeit sollten auch für ungeimpfte Jugendliche aufgehoben werden. Die Kontrollen der Zutrittsbeschränkungen im Einzelhandel sollten auf Stichproben beschränkt werden, damit vor allem kleinere Läden nicht mit zusätzlichen Personalanforderungen überfordert würden. „Wenn wir das so weitermachen, treiben wir die in den Ruin”, warnte Stamp.

Schon jetzt müssten Öffnungen schrittweise vorbereitet und die Reihenfolge der Lockerungen verabredet werden, um sofort handeln zu können, „wenn der Kipp-Punkt der Entwicklung erreicht ist”. Das werde auch in NRW in den nächsten Wochen der Fall sein. Zur Zurückhaltung des großen Koalitionspartners sagte Stamp: „In der Demokratie lebt man auch vom Kompromiss.”

Der Liberale appellierte an die Ministerpräsidenten und die Bundesregierung, bei ihrer anstehenden Konferenz keine falschen Signale in die Bevölkerung zu senden. Dies habe Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) mit seiner Äußerung getan, dass er mindestens bis Mitte April keine Chance für das Ende von Corona-Beschränkungen sehe.

Stamp räumte ein, dass die Omikron-Welle auch die Kitas und Eltern von Kleinkindern derzeit vor besondere Herausforderungen stelle. Auch in den kommenden Wochen seien „einzelne Schließungen” von Kitas nicht zu vermeiden, sagte der Familienminister. „Das ist auch in ganz Europa so.” Nach Auskunft der Kinderärzte gebe es aber sowohl bei den Kleinen als auch bei geboosterten Beschäftigten nahezu keine schweren Krankheitsverläufe.

Nach vorläufigen Zahlen der Landesjugendämter verfünffachte sich die Zahl der infizierten Kitakinder in NRW von Dezember (3014) bis Januar auf mehr als 15 000. Auch die Zahl der infizierten Mitarbeiter verfünffachte sich demnach beinahe von 1798 auf 8406. An einem durchschnittlichen Werktag im Januar mussten 168 Einrichtungen ganz (rund 44) oder teilweise (rund 124) wegen der Pandemie geschlossen bleiben. Das sind mehr als doppelt so viele als im Dezember gemeldet worden waren. Laut Lagebericht des NRW-Familienministeriums waren im Januar 1,6 Prozent der geförderten Kitas von Schließungen betroffen (Dezember: 0,6 Prozent).

Die landesweite Corona-Neuinfektionsrate ist in NRW nach Zahlen des Robert Koch-Instituts vom Mittwoch erneut gestiegen auf nunmehr 1299,0 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen (Dienstag: 1272,1). Auch die Quote der klinisch behandelten Covid-19-Patienten kletterte leicht nach oben. Allerdings geht der Anteil derer, die intensivmedizinisch versorgt behandelt werden müssen, weiter zurück. Glücklicherweise sei die Situation in den Krankenhäusern entspannter als ursprünglich gedacht, sagte Laumann.

Angesichts der weiterhin hohen Infektionszahlen warnte Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) den Bund vor einem baldigen Aus für Corona-Schutzmaßnahmen. „Wenn der Bundestag nicht handelt, werden mit Ablauf des 19. März alle Maßnahmen zum Schutz gegen das Virus auslaufen, spätestens nach einer einmaligen Verlängerung”, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Mittwoch). Er bezog sich damit auf die Befristung im Infektionsschutzgesetz und die nur einmalige Möglichkeit zur Verlängerung der Maßnahmen um drei Monate.

„Dann stünden die Länder und Kommunen faktisch ohne Schutzoptionen da”, warnte der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz. Perspektiven für stufenweise Öffnungen seien möglich, müssten aber abgesichert werden. Mehr Impfungen und ein konsequenter Basisschutz seien die notwendigen Leitplanken für weitere Schritte zu mehr Normalität. Es sei nicht verantwortbar, auf dem Höhepunkt der Infektionszahlen das Signal zu geben, dass Abstandhalten, Hygienekonzepte und Maskenpflicht schon in wenigen Wochen überhaupt keine Rolle mehr spielten.

Ein Teil der Corona-Schutzverordnung Nordrhein-Westfalens könnte indes schon in Kürze gerichtlich gekippt werden: Das Oberverwaltungsgericht in Münster wird noch in dieser Woche über die Zuschauerfrage für Fußballspiele entscheiden, wie eine Sprecherin bestätigte. Das Land gibt derzeit bei allen Großveranstaltungen eine Zuschauerbegrenzung von 750 vor.

Das Gericht wies aber darauf hin, dass es nicht über einzelne Zuschauerzahlen entscheiden könne, sondern ausschließlich darüber, ob die Corona-Schutzverordnung des Landes bei der Frage der Großveranstaltungen insgesamt bestätigt oder außer Vollzug gesetzt werde. Die drei Bundesligisten Borussia Dortmund, 1. FC Köln und Arminia Bielefeld, die am Wochenende ein Heimspiel haben, wollen die NRW-Verordnung im Eilverfahren prüfen lassen.

© dpa-infocom, dpa:220202-99-943653/3 (dpa/lnw)