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Missbrauchs-Prozess LügdeGesprochene Urteile und zu viele offene Fragen

Lesezeit 3 Minuten
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Die Angeklagten mit ihren Verteidigern im Prozess in Detmold

  1. Im Prozess um die Missbrauchsfälle auf einem Campingplatz in Lügde haben die Angeklagten lange Haftstrafen erhalten.
  2. Viele offene Fragen bleiben um die grausamen Taten und die Aufarbeitung der Fälle bleiben jedoch bestehen.
  3. Die Urteile sind gesprochen, doch erledigt ist der Fall Lügde noch lange nicht. Eine Analyse.

Lüdge – Auch nach dem Urteil gegen die beiden Haupttäter Andreas V. und Mario S. geht die strafrechtliche Aufarbeitung des Serienmissbrauchs auf einem Campingplatz in Lügde weiter. Das monströse Verbrechen lief jahrzehntelang vor den Augen der Behörden, ohne dass diese eingriffen. Laut dem Detmolder Oberstaatsanwalt Ralf Vetter wird gegen zwei Beamte aus der Kreispolizeibehörde Lippe ermittelt, weil sie frühe Warnhinweise auf die pädophilen Neigungen des Andreas V., genannt Addi, ignoriert hatten. „Hier besteht weiterhin der Verdacht der Strafvereitelung im Amt“, berichtete der Justizsprecher dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Ein Fall schlampiger Nachforschungen

Der Fall Lügde steht für schlampige Nachforschungen überforderter Strafverfolger im ostwestfälischen Lippe. Die jungen Opfer wurden teils nicht sachgerecht vernommen, der Aktenaufbau scheint nach Angaben des späteren Ermittlungsleiters des Polizeipräsidiums Bielefeld im Prozess völlig unzureichend gewesen zu sein. Auch ereigneten sich Pannen bei den Durchsuchungen, weil einige Verstecke für Datenträger anfangs übersehen worden waren. Erst als die Kripo in Bielefeld das Verfahren übernahm, geriet der Mammutkomplex mit Hunderten Fällen und gut 30 missbrauchte Jungen und Mädchen die richtigen Bahnen.

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Johannes Slamen, Verteidiger von Andreas „Addi“ V., stellt sich den Fragen der Journalisten.

Nach wie vor ist unklar, wie ein Koffer mit 155 sichergestellten Dateien des Serientäters Addi V. bei der Polizei in Lippe abhanden kam. Ein Kommissar-Anwärter hatte das Material ausgewertet, bevor es verschwand. „Womöglich wurde es gestohlen, allerdings stellt sich die Frage nach dem Warum ?“, sagt Oberstaatsanwalt Vetter, „denn auf den Dateien befanden sich nach den Angaben des Kommissar-Anwärters keine für das Verfahren beweiserheblichen Bilder oder Videos.“

Alles zum Thema Herbert Reul

Scharfe Kritik an Herbert Reul

Nach dem Bekanntwerden des Verschwindens hatte die rot-grüne Opposition im Landtag NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) scharf kritisiert und befürchtet, dass durch den Diebstahl womöglich das gesamte Lügde-Verfahren gefährdet sei. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss soll nun die Hintergründe aufklären.Zudem stehen acht Mitarbeiter der Jugendämter Hameln Pyrmont und Lippe nebst vier Beschäftigten freier sozialer Träger auf der Beschuldigtenliste.

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Die beiden Angeklaten und Verurteilten während des Prozesses

Der Vorwurf lautet: Verletzung der Fürsorgepflicht. Bis heute bleibt offen, wie die Jugendbehörden einem arbeitslosen Mittfünziger, der in einem heruntergekommenen Camper-Areal hauste, ein siebenjähriges Mädchen als Pflegetochter anvertrauen konnten.

Seit 1998 erreichten die Behörden immer wieder Hinweise auf möglichen Kindesmissbrauch durch Andreas V. - ohne Folgen. Nach seiner Verhaftung im Dezember 2018 suchte eine Jugendamtsmitarbeiterin gar Vermerke zu Addis perversen Neigungen zu löschen. Fortan missbrauchte er Mandy (Name geändert) mehr als hundert Mal. Zugleich diente ihm die Schülerin als Köder, um deren Freundinnen in die Missbrauchshölle auf dem Campingplatz zu locken.

Missbrauchsopfer als Köder

Vor dem Hintergrund will Opferanwalt Roman von Alvensleben den Landkreis Lippe auf Schadenersatz verklagen. „Denn über das Pflegekind ist der Tatverdächtige auch an meine Mandantin herangekommen.“ Ein heute zehn Jahres altes Mädchen. Der Jurist aus Hameln zeigt sich mit dem Urteil zufrieden. „Nach all den Pannen zu Beginn, hat die Polizei in Bielefeld gute Arbeit geleistet.“

Bis heute leiden Addis Opfer unter den Erlebnissen. Ihre Aussagen im Prozess erfolgten hinter verschlossenen Türen. Sie sei froh, hatte Ex-Pflegetochter Mandy Ende März in ihrer polizeilichen Vernehmung bekundet, dass der Addi nun im Gefängnis sitze und keine Kinder mehr „schnappen“ könne.