Düsseldorf – Nein. Bei dieser Landtagsdebatte um rechtsfreie Räume in den Großstädten von Nordrhein-Westfalen, allen voran in Dortmund, Duisburg, Gelsenkirchen und Essen, ist keiner um Mäßigung bemüht. Spätestens als der FDP-Rechtsexperte Marc Lürbke sagt, das Bundesland sei auf dem Weg zum „risikolosen Verbrechen“ und es gebe Viertel, die sich kriminelle Banden ungestört von der Polizei untereinander aufgeteilt hätten, brechen alle Dämme. Einen Beleg dafür bleibt er allerdings schuldig.
Hatte sich CDU-Innenexperte Gregor Golland zu Beginn der Aktuellen Stunde über die „Ausbreitung von No-go-Areas“ in Dortmund trotz heftiger verbaler Attacken gegen die Landesregierung und Innenminister Ralf Jäger (SPD) noch um eine sachliche Darstellung bemüht und eine – wenn auch mehr als ein Jahr alte – Lageeinschätzung der Duisburger Polizei zitiert, kann von einer halbwegs sachgerechten Diskussion keine Rede mehr sein. Jäger ist sichtlich verärgert, spricht von einer undifferenzierten Debatte, einer „faktenfreien No-Brain-Area“.
Der Landtag als „Kein-Gehirn-Gebiet“? Oppositionsführer Armin Laschet (CDU) fordert von Jäger eine „unverzügliche Entschuldigung“ für diese verbale Entgleisung. Und fortan spielen die Fakten so gut wie keine Rolle mehr.
Armut und heruntergekommene Immobilien
Dass es nicht nur in Dortmund Stadtteile gibt, in denen sich Probleme wie die Zuwanderung aus Südosteuropa, Armut, heruntergekommene Immobilien, Rockerproblematik und eine harte Neonazi-Szene kumulieren, ist dabei völlig unstrittig. „Ich glaube zu wissen, weil ich aus Duisburg komme, welche Probleme wir in der Dortmunder Nordstadt, in Duisburg-Marxloh und auch in Teilen von Gelsenkirchen und auch anderswo haben“, sagt Jäger. Er habe darüber mit 950 Polizeibeamten bei sieben Veranstaltungen gesprochen. „Fremde, die durch diese Stadtteile fahren, nehmen das in der Tat als bedrohlich wahr.“
Doch sind das schon rechtsfreie Räume? Oder gar Straßenzüge, die von der Polizei aufgegeben wurden? So weit will selbst der Innenexperte der Union Golland nicht gehen. An einen „gefährlichen Ort“ gehe niemand gern, meint er. Deshalb könne man solche Räume durchaus als No-go-Areas bezeichnen.
Respektlosigkeit gegenüber Polizisten
In einer derart hitzigen und vom Wahlkampf geprägten Diskussion, bei der es der Opposition von CDU und FDP auch darum geht, Wähler einzufangen, die aus Frust mit der AfD liebäugeln, bleiben die wenigen Fakten auf der Strecke. Doch genau auf die könnte man sich durchaus verständigen.
Es geht um die immer weiter um sich greifende Respektlosigkeit gegenüber Polizeibeamten, Ordnungs- und Rettungskräften und darum, dass sich viele Menschen in den NRW-Großstädten immer unsicherer fühlen, obwohl alle Statistiken zur Straßen- und Gewaltkriminalität das Gegenteil aussagen. „Es gibt keinen Fleck in NRW, an den Polizei nicht hingehen würde“, sagt der SPD-Politiker Andreas Bialas, der selbst mal Polizist war. „Sie schüren Ängste unter den Menschen und scheinen damit leider auch noch erfolgreich zu sein.“