Oberberg – Die Borkenkäfer sind zwar auf dem Rückzug aus den oberbergischen Wäldern, doch noch haben sie ihr zerstörerisches Werk nicht ganz erledigt. Bald ist es wieder dauerhaft so warm, dass die Käfer erneut ausschwärmen und dann die wenigen verbliebenen Fichten befallen werden, sagt Kay Boenig, Leiter des Regionalforstamts Bergisches Land auf dem Gummersbacher Steinmüllergelände.
Erst im kommenden Jahr werden die Fichtenbestände so sehr dezimiert sein, dass die Borkenkäfer in ihrem eingeschränkten Bewegungsradius keinen Platz zum Brüten mehr finden werden. Zurücklassen werden sie zirka 13.000 Hektar an Kahlflächen, schätzt Boenig. Diese wieder aufzuforsten, sei eine Generationenaufgabe.
Der schlimmste aller Fälle ist eingetreten
Mittlerweile ist klar: Der schlimmste aller anzunehmenden Fälle ist eingetreten. Bislang hat der Schädling zwischen 80 und 90 Prozent aller Fichtenbestände vernichtet, die es 2017 noch gab. Im Frühjahr 2019 hatten die Experten im Forstamt noch die Hoffnung, die Borkenkäfer durch konsequenten Einschlag befallener Fichten zurückdrängen zu können.
Der Plan ging aber nicht auf: Die beiden folgenden Extremsommer mit viel zu wenig Niederschlag ließen die Fichten so sehr austrocknen, dass sie den Borkenkäfern nichts entgegenzusetzen hatten. „Ohne Wasser konnten die Fichten nicht genügend Harz ausbilden, mit dem sie sich gegen den Schädling wehren“, erklärt Boenig. Dass der Sommer 2021 wieder genügend Regen brachte, half den Fichten auch nicht mehr – inzwischen hatten sich die Borkenkäfer zu sehr vermehrt.
Milliarden Käfer schwärmen aus
Doch die Milliarden Käfer, die in diesen Tagen wieder ausschwärmen, werden zunehmend weniger gesunde Fichten und damit Brutmaterial finden. Seit vergangenem Jahr beobachten die Waldexperten, dass die Käfer deswegen auch verstärkt Kiefern und Lärchen befallen, um ihr Überleben zu sichern, erklärt Boenig: „In diesen Baumarten aber sind ihre Bruten nicht erfolgreich.“
Winterstürme
Die starken Stürme im Februar haben zwar beträchtliche Schäden in den oberbergischen Wäldern angerichtet – doch angesichts der durch die Borkenkäfer verursachten Verwüstungen fallen die kaum ins Gewicht, sagt Forstamtsleiter Kay Boenig. Weil der oberbergische Wald in den vergangenen Jahren so großen Schaden genommen hat, sei er nun viel sturmanfälliger, erklärt Boenig: „Baumbestände, die früher windgeschützt mitten im Wald standen, stehen nun frei und sind dem Wind viel mehr ausgesetzt. Jetzt fallen Fichten schon bei kleineren Stürmen.“ Und bei den starken Februarstürmen wurden zudem viele Lärchen, Buchen und sogar Eichen entwurzelt. Auffällig: Die Douglasien im Oberbergischen hielten den Sturmböen gut stand, weil sie fester im Boden verwurzelt sind.
Nach wie vor sei Vorsicht geboten bei Spaziergängen im oberbergischen Wald, mahnt Boenig. Vor allem Bestände mit dürren Fichten sollten im großen Bogen umgangen werden, weil die Gefahr umstürzender oder umbrechender Bäume zu groß ist. (ag)
Die Zwischenbilanz: Zur Hoch-Zeit des Befalls 2020 gab es 2,5 Millionen Kubikmeter Schadholz, im vergangenen Jahr war es noch eine Million, und in diesem Jahr rechnet das Forstamt mit weiteren 500.000 Kubikmetern Schadholz. „In forsthistorischer Zeit hat es nichts Vergleichbares gegeben“, macht Boenig die Dimension der sogenannten Kalamität deutlich: „Dass so etwas in unserem bis dahin recht regenreichen Bergischen Land passieren konnte, damit habe auch ich nicht gerechnet.“ Für Boenig ist klar: Die Borkenkäfer-Plage ist eine direkte Folge des Klimawandels.
Begrünung läuft schleppend
Im äußersten Süden Oberbergs und im Nordkreis ist der Borkenkäferbefall noch mitten im Gange. In der Mitte und in den Südkreiskommunen ist die Kalamität inzwischen so weit abgeklungen, dass vor allem dort wiederaufgeforstet wird. Doch die zerstörten Waldflächen wieder zu begrünen, läuft schleppend, erklärt Boenig: Von den mehreren tausend Hektar Kahlflächen wurden bislang erst auf gut 300 Hektar neue Pflanzen gesetzt – „ein Tropfen auf dem heißen Stein“. Es fehle an ausreichend Geldmitteln, an Pflanzen und auch an Pflanzpersonal, erklärt Boenig: „Das ist eine Aufgabe, die mindestens zwei Jahrzehnte brauchen wird.“
Mitten in den Bemühungen, den Wald wieder aufzuforsten, hat das Land sein System bei den Beratungsleistungen durch die Förster umgestellt: Seit Jahresbeginn ist das Forstamt verpflichtet, auch Einstiegsberatungen zur Wiederbewaldung mit den Waldbesitzenden zunächst zu Vollkosten abzurechnen. Forstamtschef Boenig bedauert das und muss beobachten, dass sich trotz einer nachträglichen Förderung der Beratung seitdem weniger Ratsuchende an seine Mitarbeiter wenden: „Das steht der Wiederbewaldung natürlich im Wege.“ Wünschenswert wäre aus seiner Sicht, dass die Einstiegsberatung zur Wiederbewaldung für den einzelnen Waldbesitzenden als Aufgabe zur Daseinsfürsorge unentgeltlich erbracht werden könnte.
Gute Tipps parat
Denn die Experten vom Forstamt haben gute Tipps parat. Generell empfehlen sie Waldbesitzern, ihre Kahlflächen, teils unter natürlich angekommenen Pionierbaumarten, wie der Birke, zügig wieder zu bewalden. Denn es gelte, möglichst schnell klimastabile Mischwälder aufzubauen. Baumarten wie Eiche, Kiefer, Lärche, Tanne und Douglasie hätten sich dabei bewährt. In einigen Lagen des Bergischen habe weiterhin auch die Buche gute Chancen zu gedeihen. „Gerade jetzt im Klimawandel brauchen wir produktive Wälder, die viel Kohlenstoffdioxid binden“, sagt Boenig: „Deshalb müssen wir rasch handeln.“
Selbstregeneration kann Jahrzehnte dauern
Von den Borkenkäfern zerstörte Flächen nicht aufzuräumen und sich selbst zu überlassen, hält Boenig für keine gute Lösung: „Wir haben im Oberbergischen recht arme Böden mit wenig Nährstoffen. Bis ein Wald sich auf solchen Fläche n selbst regeneriert hat, können mehrere Jahrzehnte vergehen.“
Je nach Ort mache es durchaus Sinn, erst mal das Ankommen von Pionierbaumarten – wie Birke, Eberesche und Weide – abzuwarten, um dann in deren Schutz, in der Regel nach etwa zehn Jahren, zu pflanzen: „Dort, wo verjüngungshemmende Vegetation, wie Adlerfarn, Brombeere oder Besenginster flächendeckend ankommt, ist es ratsam die Kahlfläche rasch wieder aufforsten.“ Wichtig sei also, die Flächen zu beobachten und ihre Entwicklung anhand des Standortes und der örtlichen Erfahrungen einzuschätzen.