Gummersbach – Noch zwei Rennen in den Niederlanden, dann hat der Dieringhauser Radrennfahrer Julian Borresch seine erste Saison bei einem Kontinental-Team beendet. Wie sein erstes Jahr als Semi-Profi für das Team SKS Sauerland NRW gelaufen ist, darüber sprach Andrea Knitter mit dem 19-Jährigen und seinem Trainer Christian Letscher.
Am Wochenende sind Sie beim Münsterland Giro gestartet. War das noch einmal ein Höhepunkt kurz vor dem Abschluss der Saison?
Julian Borresch: Auf jeden Fall! Es war mit der Klassifizierung als 1. Pro-Rennen das bisher größte Rennen, das ich gefahren bin. Der Giro rangiert direkt unter den Rennen der World Tour, zu denen beispielsweise auch die Tour de France gehört. Neben World Tour-Fahrern wie Sieger Mark Cavendish waren auch Worldteams wie die beiden deutschen Bora-Hansgrohe und das Team DSM am Start. Aber eben auch wir als eins von sieben Kontinental-Teams (KT). Wir sind nach den Proteams so etwas wie die Dritte Liga im Radsport.
Christian Letscher: Eine schöne Anekdote ist, dass es das letzte Profirennen von Andre Greipel war. Als Julian vor fünf Jahren in Hürth bei einem Querfeldeinrennen zum ersten Mal auf dem Podium stand, ehrte Greipel die Sieger. Nur fünf Jahre später ist Julian ein Konkurrent für ihn.
Wie ist das Rennen über die 188,5 Kilometer für Sie gelaufen?
Borresch: Eigentlich ganz gut, ich habe einige Attacken mitgefahren, wird sind als Team aber nie in die Ausreißer-Gruppe gekommen. Vorne fuhren die großen Teams in Zügen und die wollten niemanden zwischen sich lassen. So war ich weit hinten in der großen Gruppe und als es dann nach 100 Kilometern von der breiten, flachen Straße auf den schmalen Weg in die Steigung ging und durch die stürmischen Böen von der Seite an der Windkante gefahren wurde, musste ich abreißen lassen.
Letscher: Als Neuling muss man erst lernen, sich in einem Feld nach vorne zu kämpfen, um sich dann strategisch gut zu positionieren. Viele der KT-Teams haben nicht gefinisht, weil die Worldteams es vorne unter sich ausgemacht haben. Da ist schon noch ein Unterschied, auch wenn alle, die starten, eine Profilizenz haben.
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Wie blicken Sie auf Ihre erste Saison im Profirennsport?
Borresch: Ich habe sehr viel gelernt. Es ist schwer, sich im Feld zu behaupten. Dazu kommt es nicht alleine auf die Leistung an, sondern auf das taktische Fahren. Alleine von der Leistung her, könnte ich oft vorne mitfahren. Um Erfahrung zu sammeln, bin vor allem in Belgien gestartet und habe dort auch am meisten gelernt. In Flandern wohnen zwei Teamkollegen und wir konnten dort denn auch übernachten.
Letscher: Es kommt im Rennen auf den richtigen Moment an, um anzugreifen. In Belgien wird ohne Funk gefahren, da muss auch schon mal einer zum Teamwagen zurück, um zu fragen, welche Taktik für die Mannschaft vorgegeben wird. Ich vergleiche das mit einem Stürmer im Fußball, der auch zum richtigen Zeitpunkt im Strafraum sein muss. Das sind Dinge, die ich mit Julian anhand der Rennen erarbeite, während meine Frau Maria Heisterkamp die Trainingspläne für die Arbeit auf dem Rad aber auch für das Krafttraining erarbeitet.
Ist es normal, dass jeder seinen Trainer hat?
Borresch: Jeder aus meinen Team hat einen persönlichen Trainer. Der Sportliche Leiter schaut dann darauf, dass wir genug und richtig trainieren.
Letscher: Im Radsport ist jeder Sportler für sich verantwortlich. Wir kennen Julian seitdem er beim TSV Dieringhausen mit der Leichtathletik begonnen hat und haben seinen schnellen Aufstieg begleitet. Eigentlich ist er ein Spätstarter, hat mit 15 Jahren seine ersten beiden Rennen gefahren und war in der U19 -Bundesliga Siebter. Dann kam schon das SKS-Team. Und wer es mit 19 Jahren in ein KT-Team geschafft hat, der träumt auch von der Tour des France. Auch wenn Julian jetzt noch vier Jahre Zeit hat, sich in der U23 zu entwickeln.
Trotzdem ist der TSV Dieringhausen seine Heimat geblieben.
Letscher: Er trainiert auch mit uns in der Gruppe . Für ihn ist das nach einer Trainingseinheit zuvor ein lockeres Ausfahren, für mich aber ein Rennen, von dem ich mich am nächsten Tag noch ausruhen muss.
Die Saison fing im Frühjahr mit der ersten Rundfahrt an, wie sah das Programm weiter aus?
Borresch: Ich habe im April mit der Tour de Rhodos begonnen, meiner ersten Rundfahrt überhaupt. Dann kamen zwei Rennen in Italien, zunächst in Rimini für U23-Fahrer und dann eins von Bassano del Grappa nach Trento. Es folgten Rennen in Österreich und in der Bundesliga.
Letscher: Dann gab es eine Pause, in die die Ausbildungsrennen in Belgien fielen. In Deutschland fanden durch die Corona-Pandemie auch weiterhin kaum Rennen statt, selbst im September wurden noch Veranstaltungen abgesagt. Und in Belgien tummeln sich die Rennen verschiedenster Kategorien.
Es hat trotzdem gut geklappt, oder? Anfang September folgte ja dann der größte Erfolg.
Borresch: Stimmt. Wir sind mit dem SKS Sauerlandteam Deutscher Meister im Mannschaftszeitfahren geworden. Das hatte das Team, das es jetzt seit sechs Jahren gibt, noch nicht erreicht. Ich war schon mal in der U19 Deutscher Meister mit dem Team geworden, doch das war jetzt schon was anderes.
Bleiben Sie in der kommenden Saison bei SKS Sauerland? Es ist ja das NRW-Landesteam.
Borresch: Es steht schon fest, dass ich bleibe und ich bin auch sehr zufrieden mit der Unterstützung. Es ist schon viel wert, dass man das Rennrad ebenso gestellt bekommt, wie die Kleidung und den Helm. Auch die Reisen mit Übernachtung werden bezahlt.
Aber leben kann man davon noch nicht, oder?
Borresch: Nein, es ist aber mein Ziel, Profi zu werden. Ich studiere aber auch noch Sport und Mathematik auf Lehramt. Das passt, vor allem durch die Online-Seminare und zuletzt die Semesterferien hatte ich viel Zeit zu trainieren.
Wie sieht der Jahresabschluss aus?
Borresch: Ich habe bis zum 24. Oktober noch zwei Rennen, das letzte ist ein UCI-Rennen, an dem auch wieder Worldtour-Fahrer teilnehmen. Dann steht eine Woche Pause an, ehe die Vorbereitung auf die neue Saison beginnt.
Was sind die nächsten Ziele?
Borresch: Ich habe in diesem Jahr viel gelernt, jetzt müssen in der nächsten Saison die ersten Ergebnisse her.