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Sport-Interview der WocheJörg Bohrmann über die Zukunft der Handballakademie Gummersbach

Lesezeit 6 Minuten
Jörg Bohrmann sitzt auf einem Rang in der Schwalbe-Arena.

Die Arbeit als Leiter an der Handballakademie des VfL Gummersbach macht Jörg Bohrmann auch nach fast vier Jahren viel Freude.

Im Sport-Interview der Woche spricht Gummersbachs Handballakademie-Chef Jörg Bohrmann über die Arbeit der VfL-Nachwuchsschmiede.

Jörg Bohrmann (55) hat seinen Vertrag als Leiter der Handballakademie des VfL Gummersbach bis Juni 2026 verlängert. Gleichzeitig wurde die neue Struktur der Akademie bekannt gegeben. Was sich seit seinem Amtsantritt getan hat und wie es weitergeht, darüber sprach Andrea Knitter mit dem A-Lizenz-Trainer.

Als Sie 2020 zur Handballakademie kamen, war durch Corona gleich Schluss mit dem Spielbetrieb. War das rückblickend ein Vorteil für Sie, weil Sie Zeit hatten, sich ein Bild zu machen?

Nein, das sehe ich nicht so. Es war nicht schön, wie gerade die jüngeren Handballer darunter gelitten haben. Ich habe die Möglichkeit natürlich genutzt, um zu studieren, wie der Verein   funktioniert. Ich habe gesehen, dass in Gummersbach Handball gelebt wird. Es sind viele Leute im Umfeld mit denen man etwas entwickeln kann. Es ist alleine schon unglaublich, was die Eltern bewegen, wie sich im vergangenen Jahr beim Halbfinale der U17 mit 1500 Zuschauern gezeigt hat. Das alles motiviert einen umso mehr. Die Arbeit macht mir so viel Freude, dass ich meinen Vertrag verlängert habe und noch ein fünftes oder sechstes   Jahr bleibe.

Wie blicken Sie auf die vergangenen Jahre?

Es hat sich einiges an der Struktur der Handballakademie verändert. Jugendhandball ist bei den Menschen angekommen, wie die 1500 Zuschauer im Halbfinale um die deutsche Meisterschaft der B-Jugend gezeigt haben. Die U23 hat sich mit ihren jungen Spielen in der Dritten Liga so gut entwickelt, dass sie sich in der Spitze festgesetzt hat. Das mit einer so jungen Mannschaft keine Selbstverständlichkeit.

Die U23-Handballer entwickeln sich, verlassen dann aber den VfL. Tut das nicht weh?

Nein, denn sie machen ja den nächsten Schritt in ihrer Entwicklung und der bedeutet bei den meisten Zweite Liga oder, wie bei Giacomo Hrovatin, die erste slowenische Liga. Die Jungs sind gefragt und haben Angebote von verschiedenen Vereinen. Darüber freuen wir uns.   Dass mit Benedikt Israel, der gerade erst 19 Jahre alt geworden ist, auch ein Gummersbacher den Sprung nach Hagen in die Zweite Liga geschafft hat, macht uns doppelt stolz.

Sie sind aber für den VfL zunächst einmal verloren, oder nicht?

Der Sprung in die Bundesliga ist für sie zu groß. Deshalb ändern wird ab der kommenden Saison die Struktur. Wir wollen sie schon früher an den Herrenbereich heranführen.

Gibt es deshalb statt der U23 nun eine U20?

Ja. Über eine U20, die sowohl in der Dritten Liga als auch in der A-Jugend-Bundesliga spielt, kommen sie schon früher mit dem Männerhandball in Kontakt, spielen genaugenommen schon drei Jahre gegen Herren, ehe sie mit der Schule fertig sind und die Entscheidung über ihre Zukunft fällt. Die U21-Weltmeisterschaft in Berlin hat   gezeigt, dass wir umdenken und die Spieler schon mit 20 oder 21 Jahren den Sprung schaffen müssen.   In Skandinavien ist es schon lange so, dass Handballer von   17 oder 18 Jahren in der Ersten Liga spielen. Ich weiß natürlich, dass es einfacher ist, in Dänemark in der Ersten Liga Fuß zu fassen, als in Deutschland mit der stärksten Liga der Welt.

Welche Handballer werden in der U20 antreten?

Das sind die Spieler, die vom Alter her der A-Jugend angehören. Sie werden damit sowohl in der A-Jugend-Bundesliga als auch in der Dritten Liga antreten. Sie spielen in ihrer Altersklasse, aber auch bei den Herren. Anders als jetzt, wo die U19-Handballer eher sporadisch bei der U23 eingesetzt werden, werden sie kontinuierlich in der Dritten Liga antreten. Damit ändert sich auch die Trainingsphilosophie, wir werden mehr Athletik einbauen.

Mit Ole Pregler und Mathis Häseler sind zwei U21-Weltmeister im Bundesliga-Kader des VfL. Mittelmann Pregler gehörte schon mit 18 Jahren zum Bundesliga-Kader der MT Melsungen und spielt in Gummersbach eine wichtige Rolle.

Er hatte aber auch durch die Ausleihe zum VfL, der in der Zweiten Liga spielte, die Möglichkeit zu wachsen, ehe er mit Gummersbach in die Bundesliga aufstieg .

Bob Hanning, Trainer von Zweitliga-Spitzenreiter 1. VfL Potsdam und Geschäftsführer des Bundesligisten Füchse Berlin, hat die Idee, alle jungen Handballer in einer Mannschaft zu versammeln und sie gegen die Bundesligisten antreten zu lassen. Wäre das auch eine Möglichkeit, junge Handballer schon früher an den Profi-Herrenbereich heranzuführen?

Die Grundidee ist sicher nicht schlecht, denn die jungen Handballer sollen spielen und nicht auf der Bank zu sitzen. Dann könnte man sehen, wie weit sie sind.

Was macht die positive und erfolgreiche Entwicklung beim VfL aus?

Das sind vor allem die Trainer. Es macht viel Freude, im Team mit Bundesligatrainer Gudjon Valur Sigurdsson zu arbeiten. Zu meinen Aufgaben gehört, Trainer zu entwickeln. Mit Goncalo Miranda   und Jan Schwenzfeier haben wir zwei Toptrainer, die in Zukunft auch gemeinsam die U20 trainieren werden. Zudem wird Goncalo Miranda Co-Trainer von Sigurdsson. Auch sie hatten mehrere Anfragen von anderen Vereinen. Wir tauschen uns viel aus und sind auch kritisch untereinander. Es sind fleißige Jungs, zu denen Athletiktrainer Julian Heisterkamp gehört. Ziel bleibt es, Bundesliga-Handballer zu entwickeln und eine deutsche Meisterschaft zu gewinnen. Es ist aber noch ein weiter Weg.

Wird sich mit der neuen Struktur nicht auch das Scouting ändern?

Ja, wir brauchen auf jeden Fall mehr Spieler, denn wir müssen ja von Spieltag zu Spieltag sehen, ob jeder Einzelne in der Verfassung ist, an einem Wochenende zweimal anzutreten. Die Belastungssteuerung ist eine wichtige Aufgabe des Trainerteams. Außerdem sollen talentierte U17-Spieler ebenfalls die Möglichkeit haben, in der höheren Altersklasse reinzuschnuppern. Wie gut jetzt schon das Scouting von Goncalo und Jan ist, zeigen Spieler wie Paul Ohl, Philip Würz oder Anel Durmic, der Torhüter A-Jugend und einer der Besten seines Jahrgangs.

Bevor Sie nach Gummersbach kamen haben Sie nicht nur im Jugendbereich gearbeitet, sondern auch als Trainer in der Zweiten Liga. Fehlt Ihnen das nicht manchmal?

Man soll ja nie nie sagen, aber es sind junge talentierte Trainer unterwegs, eine neue Generation hat ihre Zeit. Ich arbeite ja noch mit der U15 und der U13 des VfL. Ich freue mich heute darüber, dass Goncalo und Jan eines Tages vielleicht in der Bundesliga Trainer sind und ich sie mitgeprägt habe. War ich früher stolz auf die Spieler, mit denen ich in der Jugend gearbeitet habe und die es in die Bundesliga geschafft haben, gilt das heute für die Trainer.