AboAbonnieren

Auftritt in RegensburgMusiker aus Gummersbach hat Song über Demenz geschrieben

Lesezeit 4 Minuten
Der Musiker Roberto Lange aus Gummersbach bringt durchaus heikle Themen sensibel in die Form von Musik. Der 40-Jährige arbeitet auf der Palliativstation des Kreisklinikums Oberberg in Waldbröl. Unser Foto zeigt ihn mit seiner Gitarre im Studio.

Der Musiker Roberto Lange aus Gummersbach bringt durchaus heikle Themen sensibel in die Form von Musik. Der 40-Jährige arbeitet auf der Palliativstation des Kreisklinikums Oberberg in Waldbröl.

Auf Einladung des bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit darf Roberto Lange bei einer Preisverleihung sich und seine Lieder vorstellen.

Roberto Lange ist noch nicht ganz bei sich, er braucht einen Moment. Er kommt aus seinem Studio, lange hat der Musiker dort an einem neuen Song gearbeitet, den er zur Weihnachtszeit veröffentlichen möchte. „Und gleich schaut noch ein Kind vorbei und singt den Schluss dafür“, verrät der 40-Jährige.

Gerade bereitet sich der Gummersbacher auf einen ganz besonderen Auftritt vor: Wenn das bayerische Staatsministerium für Gesundheit, Pflege und Prävention am kommenden Donnerstag, 7. November, und Staatsministerin Judith Gerlach in Regensburg innovative Projekte für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen würdigen und mit Preisen belohnen, dann bestreitet Roberto Lange dort das musikalische Programm und trägt auch seinen Song „Mensch mit Demenz“ vor.

Im Alltag arbeitet der Gummersbacher als Gesundheits- und Krankenpfleger in Waldbröl

Denn im Alltag arbeitet er seit Juni 2018 als Gesundheits- und Krankenpfleger auf der Palliativstation des Kreiskrankenhauses in Waldbröl. Steht er aber auf der Bühne, wird aus Roberto Lange Robert Carloon, so sein Künstlername. Geschrieben hat er das Stück bereits 2021, jüngst hat es Lange noch einmal bearbeitet und neuarrangiert.

Die sanfte, eingängige Ballade erzählt die Geschichte eines an Demenz erkrankten Menschen, der sich langsam verändert, der Abschied von sich nimmt – und dabei doch so viel zu erzählen hat. Es sind die Worte einer damals etwa 80 Jahre alten Frau, der Lange in einem Seniorenheim während eines Praktikums in der Ausbildung begegnet ist – und die er nicht vergessen kann, nicht vergessen will.

„Ich habe ihre Worte benutzt, genau so, wie sie damals ausgesprochen worden sind, mit denen die Frau das Erlebte beschrieben hat“, erklärt der Komponist. „Sie stand ganz am Anfang ihrer Erkrankung. Und es war krass, wie sie davon erzählte – und von den Versuchen etwa, diese zu vertuschen. Und von den Menschen, die genervt waren von der Veränderung.“ Seither, sagt der Gummersbacher, versuche er sich im Alltag so viel Zeit für die Patientinnen und Patienten zu nehmen, wie er nur könne.

Die Einladung nach Regensburg hat Lange mehr als überrascht. „Ich war so baff, dass ich erst mal alles falsch verstanden habe“, gesteht er. Mit dem Song möchte Lange beschreiben, wie groß die Belastung einer Demenz-Erkrankung ist, dass diese Diagnose auch Ausgrenzung bedeuten kann. „Ich wünsche mir, dass wir anders damit umgehen, denn der Mensch dahinter ist immer noch da, aber er braucht nun viel mehr Liebe und Zuwendung als zuvor“, erklärt der Vater von zwei Töchtern (fünf und neun Jahre).

Auf der Bühne wird aus dem Gummersbacher Roberto Lange der Musiker Robert Carloon

Überhaupt sind es die heiklen, die unbequemen Themen, die er als Robert Carloon und mit seiner Gitarre zu Musik formt. Schon immer habe er davon geträumt, mit seinen Stücken auf der Bühne zu stehen. „Angefangen habe ich mit der Blockflöte – cool war das nicht“, verrät Lange, der im ersten 2000er-Jahrzehnt Mitglied der Gummersbacher Boyband Harmony ist und nach einem Talentwettbewerb mit der Gruppe erste Erfolge feiert. Armin Rodriquez, der Frontmann von damals, wird ihn übrigens als Pianist nach Regenburg begleiten.

Ein Konzert von Bryan Adams beschreibt Roberto Lange heute als Schlüsselerlebnis, seither habe ihn der Wunsch, nur noch Musik zu machen, nicht mehr losgelassen. 15 Jahre alt ist der Junge, der in Chile geboren worden ist und mit drei als Adoptivkind zu einer Familie in Drolshagen kommt. Seine leiblichen Eltern hat Lange nie kennengelernt.

In einem Discounter kauft er sich die erste Gitarre, danach feilt er an Texten, jongliert mit Akkorden, alles bringt er sich selber bei. „Ich wollte viel lieber Gitarre spielen als zur Schule zu gehen“, erinnert er sich an diese alles andere als leichte Zeit und den immerwährenden Zoff mit seinen Eltern, bis er auszieht und einen Betreuer bekommt – volljährig ist er noch nicht.

Eine Ausbildung im Handwerk bricht Roberto Lange im zweiten Lehrjahr ab

Eine Ausbildung im Handwerk wirft der junge Mann im zweiten Lehrjahr hin. „Ich hatte meinen Hauptschulabschluss, jeden Cent habe ich in die Musik investiert. In meiner 35-Quadratmeter-Wohnung waren kaum Möbel, dafür 14 Gitarren und ein E-Piano.“ Mit Leiharbeiter-Jobs in Fabriken finanziert er diese Leidenschaft. Schließlich kommt doch ein Angebot, Roberto Lange landet in der Boyband, deren Ende nach einem Streit schnell besiegelt ist. „Ich hatte also nichts, keine Ausbildung, keinen Beruf. Ich jobbte wieder in Fabriken.“

Als ihm ein Freund dann eine Ausbildung in der Krankenpflege vorschlägt, absolviert Roberto Lange erst ein Praktikum, dann ein Freiwilliges Soziales Jahr in einer gefäßchirurgischen Klinik. „Der Beruf hat mich voll erwischt“, sagt der Gummersbacher heute, nicht ohne Stolz. „Ich machte die Ausbildung zum Krankenpflegehelfer und dann endlich die volle Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger.“ Und der Fleiß zahlt sich aus: Den erfolgreichen Abschluss an der Berufsschule hat er schließlich in der Tasche.

Die Musik ist natürlich geblieben – und sie begleitet Roberto Lange auch im Beruf: „Durch sie kann ich mit Patientinnen und Patienten kommunizieren.“ So auch mit jener Frau, auf die sein Song „Mensch mit Demenz“ zurückgeht. „Am Ende haben wir zusammen Musik gemacht.“

Der Song „Mensch mit Demenz“ ist als Lyric-Video auf dem Portal YouTube und dort unter dem Profil von Robert Carloon zu finden.