Über die Arbeit im Bundestag und in seinem Wahlkreis Oberberg sprach Andreas Arnold mit dem oberbergischen MdB Dr. Carsten Brodesser aus Lindlar.
InterviewOberbergs Bundestagsabgeordneter Brodesser will erneut kandidieren
Herr Dr. Brodesser, in Berlin ist noch bis Anfang September Sitzungspause, hatten Sie Zeit in Urlaub zu fahren?
Meine Familie und ich haben eine Rundreise gemacht. Stadt und Land sowie Berge und das Meer. Das war sehr schön.
Kann man denn überhaupt komplett abschalten, zumal mobile Geräte einen ja in Verbindung halten?
So ganz raus ist man in unserem Job ja nie. Das ist eben so. Aber ich habe die Zeit pro Tag, in der ich zum Beispiel meine Mails gecheckt habe, auf ein Minimum reduziert. Und das muss auch mal sein. Nach meiner Rückkehr ging es jedoch gleich weiter mit einem vollen Terminkalender.
Wer will sich mit Ihnen treffen?
Gleich nach meiner Rückkehr war Bundesschützenfest in Lindlar, für das ich sehr gerne die Schirmherrschaft übernommen habe. Überhaupt ist es mir wichtig, den Kontakt mit den Menschen in Oberberg zu halten.
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Warum legen Sie da Wert drauf?
Ich vertrete die Menschen aus meiner Heimat in Berlin, und auch im Oberbergischen gibt es eine Vielzahl an Problemen und Aufgaben. Auch wenn es den meisten Bürgerinnen und Bürgern gut geht, empfinden viele die jüngste Vergangenheit als eine Aneinanderreihung von Krisen. Erst Corona, dann der Ukraine-Krieg, dann die Energiekrise und die Inflation. Die Menschen sehen sich nicht ohne Grund vor einer Vielzahl von Sorgen und als Abgeordneter nehme ich mich diesen an.
Was tragen die Oberberger Ihnen vor?
Wir sprechen über Auswirkungen der Inflation, über die steigenden Preise für Energie, Lebensmittel und andere Bereiche. Viele sagen mir, dass ihnen das Geld nicht mehr reicht. Bei den Energiekosten und der ganzen Thematik rund um das sogenannte Heizungsgesetz kann man das auch nachvollziehen. Wenn man sich das mal genau anschaut, grenzt das ein Stück weit an Enteignung. Die Menschen werden bei dem Themen Heizen/Heizung nicht abgeholt und mitgenommen, sondern einfach vor vollendete Tatsachen gestellt.
Was brennt den Oberbergern noch auf den Nägeln?
Immer mehr sorgen sich auch um ihren Arbeitsplatz. Dabei hört man doch immer wieder, dass wir unter einem Fachkräftemangel leiden. Völlig richtig, das ist auch eines der Themen, die ich mit Unternehmen aller Größen bespreche. Zeitgleich muss unser Standort aber auch im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig bleiben. Bei höchsten Energiekosten und Steuersätzen sowie überbordender Bürokratie droht die Abwanderung von Unternehmen und Arbeitsplätzen ins Ausland. Zugleich wird von nachwachsenden Generationen immer öfter eine Vier-Tage-Woche verlangt.
Wie geht das auf?
Wir haben uns seit 20 Jahren an ein hohes Niveau an Wohlstand gewöhnt, so dass immer öfter die Frage aufkommt, ob man so viel arbeiten muss. Immer wieder höre ich beispielsweise von Ärzten, die nur noch in Teilzeit arbeiten wollen. Das aber ist nur ein Beispiel von vielen. Wir als Gesellschaft müssen darauf reagieren, und in meinen Augen ist es völlig in Ordnung, wenn die bestehenden Arbeitskonzepte aufgebrochen werden. Klar ist aber auch, dass mit halber Kraft nicht der volle Wohlstand erarbeitet werden kann.
Doch wie wollen Sie in Zukunft eine Altersvorsorge bespielen?
Ich habe mich schon lange für eine verpflichtende zusätzliche Altersvorsorge für Menschen mit geringem Einkommen ausgesprochen. Im unteren Einkommensbereich verfügt nur jeder Zweite über eine zusätzliche Altersvorsorge. Für diese Gruppe würden Arbeitgeber und Staat den Einstieg in eine Zusatzversorgung ermöglichen. Bei steigenden Einkommen übernimmt der Arbeitnehmer dann die Beitragszahlung. Im Ergebnis würde der Altersarmut gezielt und sparsam vorgebeugt. Darüber hinaus müssen wir gesamtgesellschaftlich über alle Zweige der Sozialversicherung nachdenken.
In Berlin haben Sie in dieser Legislaturperiode Halbzeit. Sind Sie manchmal gar nicht so traurig, dass Sie bei Themen wie dem Krieg in der Ukraine, der Energiekrise und der Inflation in der Opposition sind?
Am Anfang war ich in der Tat nicht traurig, allerdings ist diese Position ganz schnell einer konstruktiv-kritischen Haltung gewichen. Dabei muss man auch eingestehen, dass auch die Union in den vergangenen Regierungszeiten nicht immer eine gute Figur gemacht hat.
Kann man aus der Krise etwas lernen?
Diese Zeitenwende ist zugleich ein Aufbruch, der uns dazu führen muss, bestehende Handelspartnerschaften und Bündnisse zu hinterfragen. Ebenso unsere Energieversorgung und nicht zuletzt und vor allem unsere Abhängigkeit von einzelnen Ländern. Nicht umsonst sollen demnächst im großen Stil in Dresden Chips produziert werden. Wir erleben ja ständig, was es heißt, wenn wir hier keinen verlässlichen Nachschub für unsere Industrie haben.
Noch einmal zurück in Ihren Wahlkreis. Wie erleben Sie das Oberbergische, wenn Sie von Radevormwald nach Morsbach und von Loope nach Belmicke fahren?
Auch Jahrzehnte nach der kommunalen Neugliederung sind die alten Bereiche, Strukturen und Gewohnheiten der Menschen geblieben. Also der Altkreis Waldbröl im Süden, im Norden Wipperfürth, Hückeswagen und Radevormwald, dann die ehemaligen Kommunen des Rheinisch-Bergischen Kreises, Lindlar und Engelskirchen, und in der Mitte Gummersbach.
Das heißt was?
So richtig zusammengewachsen ist der Kreis noch immer nicht. Das ist nach 50 Jahren eigentlich längst überfällig. In meinen Augen muss die Verbindung zur Kreisstadt gestärkt werden, wobei es noch ein langer Prozess sein wird, bis es „wir Oberberger“ heißt.
„Wir Oberberger“ ist ein gutes Stichwort für die Frage, ob Sie auch bei der nächsten Bundestagswahl noch einmal kandieren werden.
Ich sehe keine Gründe, mein Mandat und meinen Wählerauftrag in Frage zu stellen und möchte auch sehr gerne bei der nächsten Bundestagswahl wieder für das Oberbergische und die Menschen hier kandidieren. Ich bin nach wie vor hoch motiviert, auch wenn die Aufgaben manchmal mehr als herausfordernd sind. Am langen Ende ist es aber die Sache meiner Partei und der Menschen im Oberbergischen Kreis, zu entscheiden, ob ich weiterhin ihr Abgeordneter in Berlin bin.