Mit der Theodor-Heuss-Akademie in Gummersbach-Niederseßmar startet unsere neue Serie „Häuser mit Geschichte(n)“.
Häuser mit Geschichte(n)Wo in Gummersbach Genschers gelber Pullunder lagert
Das Hochhaus der Theodor-Heuss-Akademie in Gummersbach-Niederseßmar ist schon aus der Ferne gut zu sehen. Dass auf dem Berg deutsche, Gummersbacher, vor allem aber liberale Geschichte geschrieben wurde, ist vielfach aber nicht bekannt. Zahlreiche Politiker, darunter Parteivorsitzende, Minister und spätere Bundespräsidenten wie Walter Scheel gaben sich auf der Anhöhe die Klinke in die Hand.
Heute findet man im Archiv des Liberalismus, das Bestandteil der Gummersbacher Einrichtung ist, neben vielen Textdokumenten auch Exponate, die typisch für große Liberale sind. So auch einen gelben Pullunder, den die Witwe von Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher erst kürzlich dem Haus überlassen hat. Das leuchtendgelbe Kleidungsstück war eine Art Markenzeichen des Politikers.
Zu sehen ist auch eine Goldene Schallplatte, die Walter Scheel für sein „Hoch auf dem gelben Wagen“ ersungen hat. Der gebürtige Solinger erreichte 1973 Prominenz, als er für die Aktion Sorgenkind das Lied „Hoch auf dem Gelben Wagen“ auf Schallplatte intonierte. Bis zum Frühjahr 1974 wurde die Platte über 300.000 Mal verkauft. Im gleichen Jahr wurde Scheel zum Bundespräsidenten gewählt.
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Christian Lindler war hier Zivi
Der 2016 verstorbene Außenminister Guido Westerwelle war im Jahr 2013 zu Gast beim Sommerfest der Akademie, davon zeugen einige Bilder. Und nach seinem Abitur in Wermelskirchen im Jahr 1998 leistete der heutige Bundesfinanzminister Christian Lindner seinen Zivildienst in Niederseßmar ab. Aufzeichnungen oder gar Bilder aus dieser Zeit hat die Akademie leider nicht, wie Michael Postel, Themengebietsleiter in der Akademie, sowie Prof. Dr. Ewald Grothe, Leiter des Archivs des Liberalismus, berichten. Allerdings, so Postel, erinnere sich Lindner gerne an diese Zeit, wie er aus gemeinsamen Veranstaltungen der FDP weiß.
Wohnzimmer der liberalen Familie
In Parteikreisen gilt die Gummersbacher Bildungsstätte als das „Wohnzimmer der liberalen Familie“, wie die beiden berichten. Und das nicht nur in Deutschland. „Ob auf den Philippinen, in Hongkong oder Südafrika: Gummersbach ist für liberale Führungskräfte ein Begriff“, sagt Postel.
Der VfL Gummersbach habe Gummersbach in Deutschland bekannt gemacht, aber international liege die Theodor-Heuss-Akademie „ein paar Tore vorne“, wie Postel schmunzelnd sagt. Als liberale Denkfabrik diente die Akademie schon Monate bevor am 27. Oktober 1971 die FDP mit den Freiburger Thesen ein vielbeachtetes sozialliberales Grundsatzprogramm verabschiedete. Dessen Inhalt war „maßgeblich in Gummersbach vorab diskutiert worden“, wie Postel berichtet. Das Papier war im Zuge der Koalition mit der SPD seit 1969 entstanden und trug die Handschrift von Persönlichkeiten wie Walter Scheel, Werner Maihofer und Karl-Hermann Flach.
Gemütliche Wacholderstube
Nach getaner Arbeit gab und gibt es auch einen gemütlichen Teil in Niederseßmar. In der „Wacholderstube“, benannt nach einer ursprünglichen Straßenbezeichnung, gab es neben einem Bier auch mal Wacholder. Und so manche liberale Karriere habe hier begonnen, allerdings auch ihr Ende gefunden, wie Postel weiß.
Heute heißt die hauseigene Kneipe Heuss-Club, doch die Rückkehr zum ursprünglichen Namen ist beschlossene Sache, wie Postel sagt. Und dann soll es auch wieder Wacholder geben. Nur heißt der dann Gin. Die Exponate im Archiv des Liberalismus und die Bildergalerien sind grundsätzlich für alle Gummersbacherinnen und Gummersbacher, auf Anfrage, zugänglich, wie Grothe und Poste sagen.
Die Akademie
Die Akademie wurde nach der Grundsteinlegung am 8. Juli 1965 und knapp zweijähriger Bauzeit am 26. Mai 1967 in Anwesenheit von Bundespräsident Heinrich Lübke und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Heinz Kühn eingeweiht. Der erste Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland und Mitgründer der FDP, Theodor Heuss, ist Namensgeber der Einrichtung. Es war ein Gummersbacher Liberaler, der den Bau der Akademie in seiner Heimat maßgeblich beeinflusste: Als FDP-Politiker war der Unternehmensberater Gerhard Kienbaum von 1967 bis 1972 Beirat im Vorstand der Friedrich-Naumann-Stiftung. Dort regte er den Bau der Theodor-Heuss-Akademie mit Erfolg an. Sie entstand in der Nachbarschaft seines Firmensitzes im Gummersbacher Stadtteil Ahlefeld.