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Plan im BuschZusammenschluss der Waldbesitzer aus Oberberg, Rhein-Berg und Rhein-Sieg stößt auf Skepsis

Lesezeit 5 Minuten
Luftbild von ehemaligen Waldflächen.

Eine einzige Forstbetriebsgemeinschaft, so weit das Auge reicht? Befürworter halten einen Zusammenschluss zwischen Rhein-Sieg und Solingen für denkbar.

Nach bayerischem Vorbild könnte die große Forstbetriebsgemeinschaft Bergisches Land entstehen. Unumstritten ist das allerdings längst nicht.

Von der breiten Öffentlichkeit unbemerkt, deutet sich eine radikale Neuorganisation im bergischen Busch an. Eine „Groß-Forstbetriebsgemeinschaft Bergisches Land“ könnte bisherige Strukturen auflösen, sämtliche Waldeigentümer der Region unter einem Dach organisieren und von Ruppichteroth bis nach Solingen reichen. Betroffen ist im Prinzip jeder, der dort ein Fleckchen Wald sein Eigen nennt.

Forstbetriebsgemeinschaft – was ist das überhaupt?

Ab den 1950er-Jahren schlossen sich immer mehr Waldeigentümer zusammen, um Aufgaben gemeinsam zu stemmen. Gerade im Bergischen mit seinen unzähligen Mini-Parzellen machte und macht das Sinn. Holzverkauf, Wegeunterhaltung oder aktuell der Einkauf von Jungbäumen zur Wiederaufforstung: Als Forstbetriebsgemeinschaft (FBG) organisiert, können die Besitzer stärker auftreten.

Die einzelnen FBGs folgen dabei weniger heutigen kommunalen Grenzen, sondern historischen Zusammenhängen. In Wipperfürth etwa – der flächenmäßig größten Kommune Oberbergs – gibt es mit Wipperfürth, Wipperfeld und Klüppelberg gleich drei FBGs. Insgesamt verteilen sich im Bergischen rund 40 Gemeinschaften auf rund 35000 Hektar Fläche. Wie bei Vereinen, gibt es einen (oft ehrenamtlichen) Vorstand.

Oberberger organisierten sich, um Käferholz zu verkaufen

Was genau ist denn jetzt geplant?

2018 haben die bergischen FBGs die Forstwirtschaftliche Vereinigung Bergisches Land (FWV) gegründet, einen lockeren Zusammenschluss zur Vermarktung der riesigen Mengen Käferholz, bei dem die FBGs allerdings rechtlich völlig eigenständig blieben. Dies will die FWV ändern und zur Groß-FBG werden, unter Auflösung der regionalen Zusammenschlüsse. Die Waldbesitzer aus dem Oberbergischen, dem Rheinisch-Bergischen Kreis, dem westlichen Rhein-Sieg-Kreis, dem Kreis Mettmann und dem Stadtgebiet Solingen würden danach eine Gemeinschaft bilden, für den Wald im gesamten Bergischen Land wäre die neue Groß-FBG der alleinige Ansprechpartner.

Welche Argumente haben die Befürworter?

Hermann von Nesselrode ist Vorsitzender der FWV und spricht von einer „Zeitenwende im Wald“, der sich die Eigentümer stellen müssten. Immer seltener würden die regionalen FBGs Menschen für die Vorstandsarbeit gewinnen können, unter jungen Waldeigentümern sinke das Interesse am Thema. Hinzu kämen immer kompliziertere Förderrichtlinien, die vor Ort Expertenwissen erforderten. „Mehr Professionalisierung statt Ehrenamt“, fordert von Nesselrode und sieht die Groß-FBG als Rezept. Zudem verweist er auf gute Erfahrungen aus Bayern, wo Zusammenschlüsse von 20000 Hektar Fläche oder mehr eher die Regel seien.

Gewerkschaft sieht groß-FBG im Bergischen Land kritisch

Gibt es auch Kritik an diesen Plänen?

Das Vorhaben stellte die FWV im Frühjahr in Lindlar den bergischen FBG-Vertretern vor. Im Nachgang meldete sich vor allem der Bund Deutscher Forstleute (BDF) kritisch zu Wort. In einer Mitteilung bemängelt die Gewerkschaft, dass Risiken an jenem Abend überhaupt nicht benannt worden seien.

Der BDF warnt, dass mit der Groß-FBG beim Holzverkauf jeder Wettbewerb im Bergischen ausgehebelt würde. In dem neuen Konstrukt gerate der Kleinstwaldbesitzer ins Hintertreffen, bewährte Zusammenhänge vor Ort gingen verloren, genauso der direkte Kontakt zu den Entscheidern.

Die geplante Größe ist die Schwäche, die Kleinbesitzer werden hinten herunterfallen.
Willi Schmitz, Forstbetriebsgemeinschaft Lindlar-Breun

Was sagt das Regionalforstamt dazu?

Jörn Hevendehl, Leiter des Regionalforstamtes Bergisches Land des Landesbetriebs Wald und Holz NRW, steht beim Thema zwischen den Stühlen. Auch er wünscht sich etwa einen „Digitalisierungsschub“ und eine moderne Entwicklung der bergischen FBGs. Vor allem beschäftigt ihn allerdings die Sorge vor einer „schleichenden Erosion“ bei der Organisation der Waldeigentümer, falls diese sich in einer Groß-FBG nicht mehr vertreten fühlen.

Immerhin hat es sein Forstamt mit 30 000 Parzellenbesitzern zu tun. Über 90 Prozent seien momentan in Zusammenschlüssen organisiert, berichtet Hevendehl. Aber: „Menschen, die der Groß-FBG den Rücken kehren, sind für uns nicht mehr erreichbar, die sind weg.“

Skepsis in Oberberg durchaus verbreitet

Wie finden die FBG-Vertreter das vorgeschlagene Modell?

Bei einem Rundruf durch das Bergische wird deutlich, dass Skepsis gegenüber der Groß-FBG durchaus verbreitet ist. Hans Tschaki, Chef der FBG Drabenderhöhe, etwa spricht von einem „Koloss von mindestens 25000 Hektar Wald, das ist nicht praktikabel“. Vor einigen Jahren hätte er das Konstrukt vielleicht befürwortet, inzwischen sei die Wiederaufforstung aber das dominierende Thema und dies verlange kurzfristige Entscheidungen vor Ort, so Tschaki.

„Die geplante Größe ist die Schwäche, die Kleinbesitzer werden hinten herunterfallen“, ist auch Willi Schmitz von der FBG Breun in Lindlar überzeugt. Dabei sei gerade diese Gruppe für die Ökologie des Waldes wichtig. „Die lassen in der Parzelle auch mal was liegen.“ Der Vergleich mit Bayern verfange jedenfalls nicht, denn dort gehörten 20 000 Hektar oft nur einer Handvoll Eigentümern, allein in Breun sind es 207 Besitzer mit 1000 Flurstücken auf ungefähr 800 Hektar.

Ähnlich sieht es Cornelius Boddenberg von der FBG Morsbach: „Diejenigen FBGs, bei denen die Vorstandsarbeit funktioniert, werden sich die Zusammenlegung nicht antun.“ Der FWV-Vorstand bewertet den Infoabend in Lindlar dagegen optimistisch, es habe „keinen Gegenwind gegeben“, der Tenor sei positiv gewesen.

Pläne wurden in Lindlar vorgestellt

Welche Rolle spielt das zuständige NRW-Ministerium?

Bei der Vorstellung in Lindlar soll ein hochrangiger Mitarbeiter des NRW-Ministeriums für Landwirtschaft und Verbraucherschutz die Werbetrommel für die Groß-FBG gerührt haben, das bestätigen mehrere Teilnehmer dieser Zeitung. Dem Bund Deutscher Forstleute stößt das sauer auf. Denn: Bislang haben die kleinen FBGs meist alle paar Jahre eine Försterstelle ausgeschrieben. Bewerben konnten sich private Förster aber auch der Landesbetrieb – er stellt aktuell sogar die Mehrheit der Förster in den bergischen FBGs.

Die Groß-FBG will allerdings, so bestätigen es die Befürworter, künftig ausschließlich mit eigenen angestellten Fachleuten arbeiten. Aus Sicht der staatlichen Förster führt das also zu dem Ergebnis, dass das Ministerium als vorgesetzte Dienststelle Werbung für ein Modell macht, das die eigenen Leute ausbootet. Richard Nikodem vom Vorstand des BDF in NRW nennt das einen „Skandal“. Die Gewerkschaft werde bei Ministerin Silke Gorißen vorstellig werden und die gebotene Neutralität anmahnen.

In den Reihen der FBGs wird vermutet, der Landesregierung kämen wenige Groß-FBGs im Land durchaus gelegen, die Politik hätte dann nur einige wenige Ansprechpartner und müsste nicht mit einer Vielzahl verhandeln.

Und wie geht es jetzt mit den Plänen weiter?

Im Laufe des Jahres möchte der FWV-Vorstand Workshops mit einzelnen FBGs organisieren, allen voran mit jenen, die händeringend nach Ehrenamtlern für ihre Vorstandsarbeit suchen. Die Befürworter hoffen dann auf den Dominoeffekt, die an den Schulungen teilnehmenden Waldbesitzer sollen im besten Fall von positiven Erfahrungen berichten und ihrerseits Überzeugungsarbeit leisten – also anderen Waldbesitzern vor allem die Skepsis nehmen, dass man trotz großer Struktur mitreden kann. Dass das Ganze Zeit brauchen wird, ist auch der FWV klar. Mit der Gründung der Groß-FBG Bergisches Land rechnet man dort frühestens 2025.